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Gedanken zur Unternehmensnachfolge

Die Startups von einst sind in die Jahre gekommen. Und deren Firmengründer:innen, Vertreter:innen der Gen X und der Babyboomer, sind gut beraten, rechtzeitig die Weichen zu stellen, damit sie mit genügend finanziellen Mitteln in den verdienten Ruhestand gehen können. Doch in meiner Beratungspraxis erlebe ich viel zu oft, dass einige Unternehmensinhaber:innen glauben, sie bleiben ewig leistungsfähig, gesund und erreichen das Methusalem-Alter. Und ihr Unternehmen ist richtig viel wert. Leider habe ich in den letzten Jahren andere Erfahrungen mit meinen Mandaten gemacht. Mit unschönen Folgen für alle Beteiligten.

„Leute, lasst los!“, kann ich nur immer wieder betonen. Denn oft fragen sich bereits seit längerem Mitarbeitende, Geschäftspartner:innen und Banken, auch der Steuerberater: Wie geht es weiter? Der oder die Firmenchef(s) ist (sind) über 60, Kinder gibt es keine oder haben kein Interesse, genauso wenig übernahmewillige andere Verwandte. Über Verkaufsabsichten ist auch nichts bekannt. Vielleicht haben sie es bereits mehr oder weniger diplomatisch angebracht – ohne Resonanz. Das verunsichert einerseits und führt häufig dazu, dass der mögliche Verkauf unter Wert stattfindet oder gar nicht. Denn der Abgang von Schlüsselpersonen im Unternehmen verunsichert Investor:innen.

Die meisten Geschäftsführer:innen wissen, wie Projekte zu managen sind: messbare Ziele setzen, Strategie entwickeln, Konzept mit Maßnahmen beschreiben, diese konsequent durchführen. Wenn es um die die Fortführung des einst gegründeten Unternehmens geht, scheint dieses Wissen verloren gegangen zu sein. Egal wie, eine Nachfolgeplanung ist ein Projekt und muss wie ein solches gemanaged werden.

Frage ich nach, kommt häufig diese Antwort: „Ich bin doch gesund und kann noch einiges für die Firma tun, reicht, wenn ich in drei, vier Jahren an den Abschied denke“. Fatal, wie ich aus unzähligen Fällen weiß, in denen der Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall die Weichen anders stellte. Ganz aktuell war es ein schwerer Motorradunfall. Oder: „Ich habe keine Zeit, weil ich zu sehr mit den operativen Themen beschäftigt bin“. Genauso fatal, da lief bereits seit einiger Zeit vieles schief. Nämlich keine Führungsebene etabliert oder zumindest Stellvertreter:innen, die operative Entscheidungen treffen, damit mehr Zeit für Strategie bleibt.

Gerade jetzt erlebe ich bei dem ein oder anderen IT-Unternehmen hektische Betriebsamkeit: Die Organisation wird verändert – wer will schon ein Unternehmen kaufen, dass von einer Person geführt wird, also alle Fäden dort zusammenlaufen und nicht nur der Inhaber, sondern auch die Mitarbeitenden in die Jahre gekommen sind? Die Braut wird aufgehübscht, heißt, die Kosten werden runtergefahren, um ein besseres Ergebnis zu erreichen und längst fällige Themen wie ein Kennzahlensystem, ordentlicher Marktauftritt und vieles mehr werden im Unternehmen durchgeknüppelt, die allerdings dann das Ergebnis wieder schmälern, weil zu lange damit gewartet wurde.

Bei der ein oder anderen IT-Firma kommt dazu, dass der Einstieg in neue Technologien hinausgezögert wird. Nach dem Motto: „Das lohnt sich jetzt nicht mehr, steige eh in ein paar Jahren aus“. Dann darf ich nur noch sagen: „Bereitet einfach alles fürs Abschließen vor. Investor:innen oder potenzielle Käufer:innen gehen erst gar nicht in ein Verkaufs-Gespräch“.

Aber der häufigste Irrglaube ist, dass das Unternehmen viel, sehr viel Geld bringen wird. Da wird gerechnet, was man alles investiert, auf was man vielleicht auch verzichtet hat, die Rendite, die früher mal richtig gut war und sicher wieder wird usw. Harte Wahrheit: Das Unternehmen ist den Preis wert, den der Markt bereit ist zu zahlen. Ja, ich bin dafür bekannt, Klartext zu sprechen. Auch wenn es weh tut und einer meiner Kunden bei der Präsentation unserer Analyseergebnisse sagte: „Nach den ersten zehn Minuten hätte ich Sie am liebsten rausgeschmissen“.  Hat er nicht und damit viel Geld verdient. Denn ich hatte geraten, während des Covid-Booms zu verkaufen und nicht noch die von ihm gewünschten zwei Jahre zu warten. Wir hatten im Vorfeld bereits alles vorbereitet und die Organisation auf Hochglanz gebracht, das machte sich im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt.

Einem anderen Unternehmer musste ich die harte Wahrheit beibringen, dass sein Sohn nicht alleiniger Geschäftsführer sein kann. Weil ihm die kaufmännische Seite nicht liegt und er klar seine Stärken in der Entwicklung hat, also im Handfesten, Praktischen. Hier blühte er auf. Bei der Balanced Score Card war er wenig begeistert. Wir suchten gemeinsam mit ihm einen externen Geschäftsführer in seinem Alter, der auch Anteile am Unternehmen erwarb. Selbst wenn sie nicht immer einer Meinung sind, als Team funktionieren sie hervorragend, gerade, weil sie unterschiedlich sind. Auch hier investierte das Unternehmen im Vorfeld in Modernisierung – z. B. Firmenkultur mit New Work-Ansätzen, einer Marktpositionierung und deren Umsetzung in der Innen- und Außenwirkung sowie dem Einsatz neuer Technologien wie KI. Das machte den Betrieb attraktiv für Mitarbeitende und Externe.

Eine Firmenübergabe ist immer emotional und bedarf der Selbstreflektion. Umso wichtiger ist es, rational zu planen und mit neutralen Personen in den Austausch zu gehen. Dann stehen die Chancen gut, entspannt und mit einem zufriedenen Lächeln das Lebenswerk abzugeben.

Karin Bacher
Dipl.-Betriebswirtin Karin Bacher war lange in Geschäftsleitungen namhafter Unternehmen tätig. Seit 2012 führt sie erfolgreich ihre Management-Beratung mit Trainingsinstitut. Als stellvertretende Aufsichtsrätin eines IT-Unternehmens ist sie mit ihren Erfahrungen aus der Praxis stets auf Augenhöhe mit ihren Kunden. Sie ist Autorin von Büchern- und Fachartikeln und betreibt einen eigenen Podcast. Sie erhält zahlreiche Einladungen als Keynote-Speakerin. Besonders stolz ist sie auf die Auszeichnungen, die den Erfolg bestätigen - aktuell als Top Consultant 2024, einer der besten deutschen Berater für den Mittelstand. Karin Bacher engagiert sich ehrenamtlich. Sie ist Mitglied im Wirtschaftsrat Deutschland sowie im Verband Deutscher Unternehmerinnen.