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Zum Ende des Jahres 2016 hat die Konjunktur im Südwesten noch einen richtigen Schlussspurt hingelegt. Im L-Bank ifo-Konjunkturtest für den Dezember stieg der Geschäftsklimaindex für die gewerbliche Wirtschaft in Baden-Württemberg auf den höchsten Wert von 2016. Klar, dass die Firmen im Südwesten vor allem mit ihrer aktuellen Geschäftslage äußerst zufrieden sind. Das vergangene Jahr hatte mit der China-Krise begonnen und brachte im weiteren Verlauf den Beschluss der Briten, die EU verlassen zu wollen, sowie die Wahl von Donald Trump zum nächsten US-Präsidenten. Zu den Herausforderungen des vergangenen Jahres sowie über die Perspektiven für 2017 drei Fragen an Dr. Axel Nawrath, Vorsitzender des Vorstands der L-Bank.

Herr Dr. Nawrath, für die baden-württembergischen Unternehmen brachte das Jahr 2016 Höhen und Tiefen mit sich. Welche Faktoren haben Ihrer Ansicht nach die konjunkturelle Entwicklung besonders beeinflusst?

Wenn wir auf das Jahr 2016 zurückschauen, haben wir ein sehr zweigeteiltes Bild. Wir haben auf der einen Seite den Industriesektor, der insbesondere in der ersten Jahreshälfte nur moderat gewachsen ist – aber immer noch gewachsen ist. Und auf der anderen Seite haben wir die Konjunkturmotoren wie das Baugewerbe oder den Dienstleistungssektor, also die Binnenwirtschaft. Und wenn man sich das über das Jahr ansieht, dann gibt es drei Aspekte, die es lohnen, angeschaut zu werden.

Das ist der Export: Der war 2016 sicher von Entwicklungen geprägt, die nicht ganz einfach waren. Wir haben starke Rückgänge im USA- und China-Geschäft gesehen. Auf der anderen Seite haben wir einen Aufholeffekt in Europa gesehen, trotz Brexit, also in der EU, in die wir als Deutschland traditionell über 60 Prozent unserer Exporte liefern. Das ist ein Lichtblick.

Der größere Lichtblick ist eigentlich der Konsum. Das abgelaufene Jahr war ein Jahr des Verbrauchers. Das lag an den gutgefüllten Haushaltskassen der Bürger dieses Landes. Das Einkommensklima in der L-Bank GfK-Verbraucherumfrage war in 2016 mit durchschnittlich 10,3 Index-Punkten so hoch wie noch nie. Gute Tarifabschlüsse und historisch hohe Beschäftigungsquoten lassen darauf schließen, dass wir das auch in 2017 fortgesetzt sehen. Und der Konsum wird eine tragende Rolle spielen.

Und dann bleibt natürlich das Baugewerbe. Hier muss nicht viel gesagt werden: 2016 war wieder ein Rekordjahr. Das Baugewerbe brummt und auch die Nachfrage nach Wohnraum wird im neuen Jahr weiter fortbestehen. So sehen wir also auch dort einen großen Lichtblick.

Sie erwähnen die spannungsgeladene Weltwirtschaft. Welche Auswirkungen sind für die exportstarke baden-württembergische Industrie zu befürchten?

Der Export hat für ein Exportbundesland wie Baden-Württemberg natürlich eine große Bedeutung. Trotzdem haben wir jetzt eine Ungewissheit vor uns. Das ist zum Beispiel die Handelspolitik des künftigen US-Präsidenten Trump. Da sind zwar Risiken drin, aber ich mahne ein bisschen zur Gelassenheit. Wir haben auch vor dem Brexit gedacht: Ein Teil der Welt geht unter. Und die Wirtschaft in Baden-Württemberg hat es dann doch sehr gut weggesteckt. Wir hatten das Russland-Embargo. Auch da hat man gesagt: Das wird ganz schrecklich werden. Das war zwar kein schöner Einfluss auf die Exportzahlen in Baden-Württemberg, aber auch das hat die Wirtschaft mit ihrer Stärke weggesteckt. Deswegen glaube ich, wir können trotz allem zuversichtlich in die nächsten Monate blicken. Es werden Veränderungen in verschiedenen Regionen des Globus da sein, aber die Südwestindustrie wird trotzdem stark in 2017 dastehen.

Das Statistische Landesamt hat seine Wachstumsprognose für 2016 kürzlich auf 1,5 Prozent angehoben. 2017 soll die Wirtschaft gar um 1,75 Prozent wachsen. Worauf führen Sie das zurück?

Der Geschäftsklimaindex liegt auf dem höchsten Wert seit Mai 2014. Das zeigt, dass Wirtschaft auch viel mit Psychologie zu tun hat. Wenn die Unternehmen dran glauben, und das zeigen sie hier, dass sie das Potential haben, um auch solche widrigen Umstände in der Exportwirtschaft zu meistern, dann werden insgesamt auch die Wirtschaftszahlen weiter stabil bleiben. Der Konsum wird sich weiter positiv entwickeln. Und trotz mancher geopolitischen Herausforderung glaube ich, dass die Wirtschaft sich sehr gut im nächsten Jahr entwickeln wird. Natürlich bleibt die Binnenkonjunktur eine der Stützen – also Verbraucher und Staat. Auf die wird es im nächsten Jahr ankommen.

Hintergrund: Für den L-Bank ifo-Konjunkturbericht werden monatlich 1.000 Unternehmen zu ihrer Einschätzung der aktuellen Geschäftslage sowie ihren Erwartungen für die nächsten sechs Monate befragt. Die L-Bank ist eine der großen Förderbanken in Europa. Im Jahr 2016 wurden Förderdarlehen in Höhe von 10,6 Milliarden Euro für Wirtschaft, Wohnungsbau und Infrastruktur in Baden-Württemberg ausgereicht.

Quelle: Pressemitteilung der L-Bank