Lesedauer ca. 3 Minuten

Die Treiber der Digitalisierung sind nicht die großen IT-Anbieter. „In der Industrie wird sie von den Anlagenbetreibern mitgetragen, wenn nicht sogar angeführt“, sagte Olaf Sauer, stellvertretender Institutsleiter des Fraunhofer IOSB in Karlsruhe, vor rund 80 Teilnehmern des Einkäuferforums 2017. Industrie 4.0 sei eine neue Form der Wertschöpfung, in der die gesamte Wertschöpfungskette über den Lebenszyklus von Daten gesteuert werde.

Organisiert wurde der Fachtag 4.0 im Schalander Karlsruhe von der BME-Region Karlsruhe–Mittlerer Oberrhein mit Unterstützung des Digitalen Innovationszentrums Baden-Württemberg sowie der IHK Karlsruhe. Das Einkäufer-Forum war Teil der „Industriewoche Baden-Württemberg“, die in einer gebündelten Initiative mit Veranstaltungen und Ausstellungen die vielfältigen Aspekte der Industrie in den Fokus rückte.

In das Thema „Digitalisierung“ führte Bernd Wiedemann, Vorstandsmitglied der BME-Region Karlsruhe–Mittlerer Oberrhein und Einkäufer bei dem Logistikunternehmen CTDI, ein. Aus Sicht des Kunden seien die neuen Entwicklungen durch den Dienstleistungsaspekt geprägt: „Produkte werden zu Services“, erklärte Wiedemann. Da Dienstleistungen viel flexibler agieren könnten als Produkte, verändere sich auch das Verhältnis des Kunden zum Produkt. „Anstelle des Produkts rückt das Kundenerlebnis in den Vordergrund.“ Unterstützung dafür leistet die IHK Karlsruhe. Claudia Rainfurth, in der Karlsruher IHK zuständig für Industrie 4.0, stellte die Aktivitäten der IHK vor im Hinblick auf die Unterstützung von Firmen auf ihrem Weg in die Digitalisierung.

Smart Factory made in Germany

Exkursionen in die 4.0-Labore vom Fraunhofer IOSB und dem Forschungszentrum Informatik zeigten den Stand aktueller Forschungen auf. Am Fraunhofer IOSB steht das Thema Industrie 4.0 im Fokus. Sauer erklärte, dass es das strategische Ziel sei, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für Technologien rund um die „Smart Factory“, die Fabrik der Zukunft, zu machen. Diese Entwicklung treibt das IOSB mit neuen, IT-basierten Lösungen für die Industrie, Forschung in Verbundprojekten sowie durch eigene Forschungsfabriken voran. Ausgangspunkt ist dabei eine gemeinsame Sprache: „Ohne Standardisierungen und offene Systeme, die miteinander kommunizieren können, gibt es keine Industrie 4.0“, sagte der Wirtschaftsingenieur. Gemeinsam mit dem KIT plant und baut das IOSB in Karlsruhe eine 4.500 m² große Forschungsfabrik, in der die nächsten Schritte von Industrie 4.0 entwickelt und getestet werden können.

Der Mitarbeiter als Schwachstelle

Doch die neue digitale Welt hat auch eine Kehrseite. Wie einfach digitale Systeme ausspioniert werden können, zeigte Andreas Sperber beim Live-Hacking auf. „Der Einkauf als Schnittstelle zu externen Kontakten ist hierbei besonders gefährdet“, warnte der CEO von Aramido. Gezielte Cyber-Attacken durch Social Hacking seien auf dem Vormarsch. Personifizierte E-Mails in einem professionellen Outfit fordern zu Finanztransaktionen und der Mitteilung von Passwörtern auf. „Die Techniken ändern sich, aber die Prinzipien bleiben auch im digitalen Zeitalter die gleichen“, sagte Sperber. IT-Sicherheit entstehe nicht nur mittels Technik: „Wichtig sind robuste Prozesse und die Sensibilisierung aller Mitarbeiter.“

Risiken früher erkennen

Sicherheit ist nicht nur in der Schnittstelle zu externen Kontakten ein wichtiges Thema im Einkauf. Bei dem Mittelständler Rauch Landmaschinenfabrik steht eine zukunftsorientierte Einkaufsstrategie im Vordergrund, die sich an den bevorstehenden innovativen Markt- und Kundenanforderungen, sowie aber auch an den gesellschaftlichen Veränderungen durch Megatrends orientiert.

Dreh- und Angelpunkt ist dafür eine sichere und transparente Lieferkette. Mittels digitaler Tools wurde bei Rauch unter anderem das Risikomanagement verbessert und die cross-funktionale Zusammenarbeit gestärkt. Mittlerweile läuft eine Vielzahl von Prozessen im Einkauf automatisiert ab. Einkaufsleiter Joachim Ritter hat in dem landwirtschaftlichen Unternehmen auch ein digitales Kosten- und Kennzahlenmanagement eingeführt. „Über ein Kennzahlencockpit erfolgt heute die Auswertung“, erklärt er. Geplant ist in Kürze eine EDI-Anbindung der Supply Chain.

Arbeiten 4.0: eine neue Balance finden

Über das „Weißbuch 4.0“ der Bundesregierung referierte Frank Roth, CEO von AppSphere. Der Bericht sieht die Arbeitswelt in einem tiefgreifenden Wandel und thematisiert den Einfluss der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. „Es werden immer mehr Akademiker in den Mint-Fächern fehlen“, sagte Roth. Nur Unternehmen, die sich von der Masse abheben, würden attraktiv genug für motivierte und engagierte Fachkräfte sein. Auch auf der Seite der Arbeitnehmer würde jedoch ein Wandel stattfinden. Arbeiten 4.0 bedeute einen Wertewandel: „Eine Balance zwischen Arbeit und Leben finden, einen Sinn außerhalb der Arbeit suchen“ gewinne immer stärker an Bedeutung, sagte der Digitalisierungsexperte.

Quelle: Doris Hülsbömer, BME