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Wer den ganzen Tag Posts und Tweets, Statusmeldungen und „Das Wichtigste der letzten Stunden“ auf dem Smartphone gesichtet hat, braucht keine Tageszeitung, um auf dem Laufenden zu bleiben. Daher sinken seit 20 Jahren die Druckauflagen, die Werbung sucht ihre Konsumenten anderswo, folglich werden Redaktionen geschrumpft oder fusioniert und viele Verlage verkaufen nun zusätzlich Wein und Schnaps oder auch Sprachkurse und Kreuzfahrten.

Es sieht so aus, als wären wir die Zeugen eines trostlosen Zeitungssterbens. Die Zeitung wurde schon oft totgesagt, z. B. als das Radio aufkam. Heute ist das Radio ein altes, bewährtes Medium, aber früher, da war es einmal schnell und aggressiv: Vor seinem Auftauchen erschienen viele Zeitungen mehrmals täglich, gegebenenfalls mit Extra-Ausgaben, danach nur noch ein Mal pro Tag. Später wurde das Fernsehen zum Informationsmedium Nr. 1, das Radio hat für die meisten Menschen eine untergeordnete Rolle als „Dudelfunk“ übernommen. Hackordnung in der Medienlandschaft – fällt nun das schwächste Medium, die alte Tante Zeitung, hinten runter?

Onlinejournalismus – Anhängsel oder die Zeitung von Morgen?

Mit dem – interaktiven – Internet haben die Medien, die Verlage, die Journalistinnen und Journalisten ihre Privilegien eingebüßt, heute können alle Menschen kommentieren, selber veröffentlichen und ihr Publikum finden. Dennoch sind zu viele Journalistinnen und Journalisten immer noch rein printfixiert, halten die Onlineredaktionen für ein Anhängsel und den Resteverwerter der Printredaktion. Das ist falsch rum gedacht. Denn online entwickeln sich die Medien mit ungeheurer Geschwindigkeit, dort müssen Profi-Journalisten nicht nur wie bisher gut recherchieren und schreiben oder filmen, sondern sich ständig mit neuen Anforderungen veränderter Plattformen und dazu mit ihren Leserinnen und Lesern auseinandersetzen. Dort nimmt die Zeitung von morgen Gestalt an.

Roboterjournalismus: eine Alternative zur Tageszeitung?

Roboter machen derweil die Standardjobs. In Stuttgart entwickelt Saim Alkan mit seiner Firma Aexea Software für den so genannten Roboterjournalismus. Seiner Meinung nach könnten sie mit dem existierenden Datenbestand 50 Prozent einer überregionalen Tageszeitung standardisiert erstellen. Aexea verkauft seine Journalismus-Roboter etwa an den in Deutschland allgegenwärtigen Sport-Informationsdienst. Ein anderer Anbieter, Retresco, liefert dem Online-Auftritt der Südwestpresse unter anderem das Geotagging (Leser erhalten gezielt Nachrichten aus ihrem Ort) oder die mit Hilfe semantischer Technologien automatisch erstellten Dossiers.

Onlinejournalismus kann die Zeitung retten

Das macht deutlich: Nichts von dem, was eine gute Zeitung ausmacht, wird durch das allgegenwärtige Überangebot an News, Klatsch und Berichten entwertet. Guter Journalismus hat auch nichts mit Stapeln bedruckten Papiers zu tun. (Noch dazu wird es, seien wir ehrlich, bei vielen Zeitungen ausreichen, wenn sie nur noch einmal in der Woche erscheinen – für Traditionalisten dann gerne auch auf Papier.) Aber nach wie vor brauchen wir den Journalismus wegen akribischer Recherche und Ausgewogenheit der Berichterstattung. Daran müssen wir ihn auch messen. Daher müssen wir unseren Journalismus auch selber bezahlen und die vierte Gewalt nicht etwa aus Steuermitteln oder rein aus Werbung finanzieren. Dazu müssen sich die Verlage verändern, so lange sie noch die Kraft dazu haben und auch noch ein paar Journalistinnen und Journalisten, die für sie arbeiten. Das geht aber nur, wenn sie diese weiterbezahlen können.

Also, Leute, behaltet Eure Abos, schließt neue Abos mit Zeitungen ab, die Euch gefallen, auch wenn Ihr Euren eigenen Fetzen Papier dann gar nicht täglich in die Hand nehmt. Es geht um nicht weniger, als um den Erhalt der Pressefreiheit.