Kryptoregulierung nannte sich die Debatte vor 20 Jahren, Verschlüsselungsverbot war gemeint. Nun hat der britische Premier diese Büchse der Pandora wieder geöffnet, und ein westlicher Politiker nach dem anderen schiebt sich in seinen Windschatten. Flankierend ruft der Bundesinnenminister nach Vorratsdatenspeicherung, die der Justizminister noch tapfer zu verhindern sucht.
Vorratsdatenspeicherung als Reflexhandlung
Wie nach 9/11 ziehen nach dem feigen Pariser Mordanschlag nicht nur konservative Politiker reflexartig Ermächtigungen für Strafverfolger und Geheimdienste aus den Schubladen. Damals bescherte es der Welt den „USA Patriot Act“, Rechtsgrundlage der von Edward Snowden aufgedeckten NSA-Überwachungsmaßnahmen.
Keine Frage: Auch wenn die Zahl der Terror-Opfer verglichen mit den Verkehrstoten (in Deutschland: 180 bis 380 – pro Monat) klein wirkt – gegen Morde im Namen totalitärer Überzeugungen muss sich eine Demokratie wehren. Terror will Angst schüren, will offene Gesellschaften zwingen, sich zur Trutzburg zu machen und ihr vermeintlich „totalitäres Antlitz“ zu zeigen – um rückwirkend das eigene Weltbild und Morden zu rechtfertigen. Eine offene Gesellschaft, die auf Terror mit Überwachung reagiert, anlassunabhängig Daten speichert und die Vertraulichkeit der Kommunikation aufhebt, in der vagen Hoffnung, dass sich ein zukünftiger Anschlag verhindern lässt, begeht Selbstmord aus Angst vor dem Tod. Terroristen halten sich nicht an nationale Verschlüsselungsverbote, und die französische Vorratsdatenspeicherung hat den Anschlag auch nicht verhindert.
„Die Geschichte lehrt dauernd. Aber sie findet keine Schüler.“
Für einen Politiker mag es schwer zu akzeptieren sein, dass eine offene Gesellschaft bestimmte Gefahren ertragen muss. Dabei wusste schon Benjamin Franklin 1775: “They who can give up essential liberty to obtain a little temporary safety, deserve neither liberty nor safety.” Leider stimmt aber wohl auch Ingeborg Bachmanns ernüchternde Einsicht: „Die Geschichte lehrt dauernd. Aber sie findet keine Schüler.“