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Am vergangenen Donnerstag haben beim shareBW-Kongress in Karlsruhe Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik über die Bedeutung der Share Economy diskutiert. Wir haben die wichtigsten Ergebnisse aus drei Panels für euch zusammengefasst.

Welche Chancen, Herausforderungen und Risiken bringt die Share Economy mit sich? Was können wir tun, um Kontroversen, wie wir sie derzeit bei Uber und AirBnB beobachten, vorzubeugen?

Das sind nur einige der Fragen, über die sich Experten aus ganz Deutschland in den Panels des shareBW-Kongresses ausgetauscht haben. Dabei wurde vor allem eines deutlich: eine pauschale Antwort gibt es nicht – dafür ist die Share Economy einfach zu komplex. Wir versuchen euch dennoch einen Überblick über den aktuellen Stand der Debatte zu geben.

Die Share Economy aus Sicht der Forschung

Laut Michael Bucher, Leiter Shared Systems‘ Design beim Fraunhofer IAO Stuttgart, steckt viel Potential in der Share Economy. Das fängt schon im Energiebereich an. In der Smart City der Zukunft werden die Menschen gemeinsam große Speicheranlagen in den Wohngebieten nutzen – und auch Unternehmen werden früher oder später auf gemeinsame Ressourcen zurückgreifen, ein Prinzip, das man in der Landwirtschaft schon ewig kennt (Stichwort „Genossenschaften“).

Der Markt ist riesig, allerdings muss man die Idee erst noch in die Unternehmen hineintragen. Laut Bucher machen sich zwar schon viele Firmen darüber Gedanken, aber umgesetzt wird noch viel zu wenig. Er fordert die Verantwortlichen dazu auf, einfach mal etwas zu wagen, zu experimentieren. Freilich geht auch mal etwas schief, aber viele Projekte werden auch erfolgreich sein.

„Die Energiewende ist nur zusammen mit Smart Sharing möglich.“

Prof. Dr. Harald Heinrichs vom Institut für Nachhaltigkeitssteuerung der Leuphana Universität Lüneburg widmet sich indes der Frage, wie erwachsen die Share Economy ist. Seine These: Sie steckt in der Pubertät. Sie ist wie ein Halbstarker, der ab und an mal über die Stränge schlägt. Und genau diese Unsicherheit müssen wir ausnutzen, um etwas Neues auszuprobieren, um die ökonomische Volatilität in den Griff zu bekommen, um Ressourcen endlich umweltorientiert zu nutzen. Im Postmaterialismus ist Nachhaltigkeit längst nicht nur ein Ziel für Unternehmen, sondern auch für Privatpersonen.

Heinrichs sieht dabei insbesondere die sozialen Medien als wichtigen Treiber dieser Entwicklung. Eine Entwicklung, die das dominante Leitbild des Kosten-Nutzen kalkulierenden egoistischen Homo oeconomicus in Frage stellt und die Kooperationsfähigkeit und -orientierung des Homo collaborans oder Homo reciprocans in den Vordergrund rückt. Diese andere Seite des Menschen eröffnet neue Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung der Share Economy. Anders ausgedrückt: Der Mensch tut Gutes und erwartet Gutes zurück. Weitere Informationen zur Entstehung alternativer Besitz- und Konsumformen bietet das Paper Sharing Economy – Auf dem Weg in eine neue Konsumkultur? von Heinrichs und Grunenberg.

„Der Marktanteil von Anbietern wie Airbnb ist derzeit mit zwei Prozent noch relativ gering, aber das Potential ist da. Viele weitere Unternehmen stehen bereits in den Startlöchern.“

Zum Abschluss des Panels stellt Dr. Timm Teubner vom Institut für Informationswirtschaft und Marketing am Karlsruher Institut für Technologie die Frage in den Raum, was überhaupt „echtes“ Sharing ist. Damit greift er ein Thema auf, das auf den Bühnen des shareBW-Kongresses mehrfach aufkommt: die Differenzierung. Man kann hier durchaus zu dem Ergebnis kommen, dass nur privates Peer-to-Peer-Sharing als „echtes“ Sharing anzusehen ist. In diesem Fall kommt den großen Online-Plattformen nur noch die Rolle des Vermittlers zu.

Dabei muss man sich anschauen, ob in erster Linie kommerzielle Ziele im Vordergrund stehen – also ob es nur darum geht, etwas günstiger zu bekommen oder gar Einkommen zu erzielen. Oder aber, ob auch soziale Aspekte beziehungsweise Emotionen eine Rolle spielen – beispielsweise wenn man sich in einem Airbnb-Apartment schlichtweg wohler fühlt, als in einem Hotel. Mehr Informationen zu den unterschiedlichen Dimensionen des Sharings diskutieren Hawlitschek, Teubner und Gimpel in ihrem Paper Understanding the Sharing Economy.

„Die Share Economy stellt die Forschung vor eine interdisziplinäre Herausforderung.“

Die Auswirkungen der Share Economy

Betrachtet man die Diskussionen rund um die Auswirkungen der Share Economy, so zeigt sich vor allem die Notwendigkeit eines ordnungspolitischen Rahmens. Dr. Peter Wedde, Professor für Arbeitsrecht und Recht der Informationsgesellschaft an der Frankfurt University of Applied Sciences, greift hier beispielhaft Airbnb und Uber heraus. Schaut man sich deren AGB an, zeigt sich, dass diese Anbieter ohne Risiko kassieren können. Sie übernehmen keine Haftung, da sie alles von sich weisen und auf die Leute, die die Portale nutzen, abwälzen. Eben diese Externalisierung von Risiken prangert auch der Internetpionier Jaron Lanier auf dem shareBW-Kongress an.

Um dem entgegenzutreten, fordert Wedde den Gesetzgeber auf zu handeln und einen ordnungspolitischen Rahmen für die New Economy zu schaffen – ansonsten drohen prekäre Arbeitsverhältnisse.

„Wenn Personenbeförderung stattfindet, warum sollten für diese Dienste dann nicht die gleichen Regeln und Auflagen wie für Taxis gelten?“

Julian Dörr, der sich an der Universität Siegen mit kontextualer Ökonomik und ökonomischer Bildung beschäftigt, sieht das ähnlich. Grundsätzlich steckt hinter dem Gedanken der Share Economy ein Stück Kapitalismuskritik. Soziale Werte spielen eine wichtige Rolle. Allerdings führen Dienste wie Uber und Airbnb eher zu prekären Jobs als zu nachhaltigeren Lösungen, wenn diese nicht reguliert werden. Nur wie? Dörr plädiert für Schwellenwerte. Wenn jemand bei AirBnB 20 Wohnungen anbietet, dann ist das ganz klar kommerziell und sollte an strenge Auflagen gebunden sein. Wenn jemand aber nur drei Mal im Monat sein Zimmer vermietet, weil er nicht daheim ist, dann müssen andere Maßstäbe gelten.

Die Share Economy in der Praxis

Beim Praxis-Panel des shareBW-Kongresses trafen unter anderem Vertreter von Wikimedia, Wingly, shareDnC und Fairmondo aufeinander. Deutlich wurde in dieser Diskussion vor allem eines: Jeder hat sein eigenes Geschäftsmodell, seine eigene Motivation. Manche wollen mit ihrer Plattform Geld verdienen, andere setzen auf Spenden, weil sie sich nicht abhängig machen wollen – und wieder anderen geht es nur darum, Menschen zu vernetzen.

Einig waren sich aber alle darin, dass man manchmal einfach etwas ausprobieren muss, um zu sehen, ob es klappt. Immer nach dem Motto „Das haben wir doch schon immer so gemacht!“ zu handeln, bringt uns nicht weiter.

“Sharing muss die Zukunft sein, sonst haben wir keine!“