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Künstliche Intelligenz erlebt derzeit einen Hype und scheint fast allgegenwärtig zu sein. Auch in Baden-Württemberg wird in dem Bereich vieles getan. Mit Hackathons, wie dem am 20. Oktober 2018 stattfindenden DEEPTECH:AI Hackathon, sollen spielerisch neue Ideen entwickelt werden. Gleichzeitig baut das Land auch die universitäre Forschung zur Künstlichen Intelligenz aus.

Ein Anwendungsbereich von Künstlicher Intelligenz sind digitale Sprachassistenten. Diese sind mit Apples Siri oder Amazons Alexa auch schon längst in die heimischen vier Wände vieler Menschen gezogen. Doch digitale Sprachassistenten können mehr – mit Neo entwickelt das Karlsruher Startup Neohelden, momentan als Team im IT-Accelerator CyberLab, einen Sprachassistenten speziell fürs Business. Wir haben mit Phillip Csernalabics, Mitgründer und CXO, über den Einsatz Künstlicher Intelligenz in Unternehmen und die Zukunft von Sprachassistenten gesprochen.

Lieber Philipp, wenn ich dir den Begriff „Künstliche Intelligenz“ nenne, was fällt dir dazu – ganz generell – ein?

Der intelligente Assistent J.A.R.V.I.S. von Iron Man. ;-).

Wenn wir nicht auf Kinoleinwände schauen, sondern uns den Begriff ansehen, setzt sich Künstliche Intelligenz (KI) aus zwei Komponenten zusammen: Hierbei ist aber „Intelligenz“ an sich schon ein Konzept, das nicht einfach greifbar ist. Im Wortsinne geht es bei KI, ganz einfach ausgedrückt, um künstlich intelligentes Verhalten. Das heißt, eine Maschine oder ein System entscheiden in Problemsituationen ähnlich, wie es ein Mensch tun würde – also nicht stur regelbasiert, sondern adaptiv, also fallbasiert, jeweils unter Berücksichtigung und Verständnis des jeweiligen Kontexts und mit den eigenen Erfahrungen im „künstlichen Hinterkopf“. Im Startup-Umfeld wird KI meist als Sammelbegriff für verschiedene Technologien und Methoden verwendet, wobei vor allem die Teildisziplinen des Machine Learning und Deep Learning gemeint sind.

Wie werden Künstliche Intelligenz und Machine Learning bisher in Unternehmen eingesetzt? Und wo liegt noch vielleicht ungeahntes Potenzial?

Machine Learning (ML) findet mittlerweile in vielen Unternehmen, in unterschiedlicher Form und Ausprägung, Anwendung. Hierbei lernt ein System aus existierenden Daten und erkennt darin Muster – und das natürlich in viel schnellerer Geschwindigkeit, als Menschen es tun können. Die Anwendungsgebiete hierbei sind vielfältig: Von Versicherungen, die mit ML beispielsweise ein Kredit-Rating berechnen, über Automobilhersteller, die selbstfahrende Autos entwickeln, bis hin zum Onlineshop, der Artikel vorschlägt, die ähnliche Kunden kaufen.

Aber hier schlummert noch enormes Potenzial, das vor allem bei deutschen Unternehmen noch nicht ausgeschöpft wird. Gerade etablierte Unternehmen sitzen hier auf wahren Goldminen. Das Potenzial steht und fällt allerdings mit dem Vorhandensein und der Aufbereitung von existierenden Daten: Denn ein System ist immer nur so „intelligent”, wie es die Daten erlauben. Ähnlich wie ein Student auch nur so gut sein kann, wie die Informationen, mit denen er sich neues Wissen aneignet.

Ein Anwendungsbereich von Künstlicher Intelligenz sind natürlich auch digitale Assistenten. Wie beliebt sind diese derzeit?

Digitale Assistenten kennen viele von ihrem Handy: Apple Siri und Google Assistant sind nur einen Knopfdruck oder ein „Hey Siri“ entfernt und können kleinere Fragen beantworten. Aber auch in den eigenen vier Wänden wohnen mittlerweile etliche Assistenten, wie Amazons Alexa, die das Smart Home steuern oder zum Musik hören genutzt werden. Schätzungen zum Nutzungsverhalten und Verkaufsvolumen variieren stark – je nach Perspektive und Abgrenzung – aber der Wachstumstrend ist klar erkenntlich.

Was wir nun aus dem privaten Umfeld kennen, ist aber im Unternehmenskontext noch kaum verbreitet: Auf der Arbeit wird weitestgehend ohne smarte Unterstützung durch digitale Assistenten gearbeitet, wobei hier ein Marktvolumen von über 7 Milliarden Dollar bis 2025 prognostiziert wird!

Mit Neo habt ihr einen digitalen Assistenten speziell fürs Business entwickelt. Wie unterscheidet sich dieser von schon existenten persönlichen digitalen Assistenten, wie Siri von Apple oder Amazon Alexa?

Siri oder Alexa sind Sprachassistenten für den privaten Gebrauch und funktionieren ausschließlich auf bestimmten Endgeräten: Ich kann mich zum Beispiel nicht mit Siri auf meinem Windows-Rechner unterhalten, oder auch nicht auf meinem MacBook Alexa ansteuern. Für die Konzeption und Entwicklung unseres Assistenten war es uns also wichtig, dem Nutzer keine Beschränkung auf Hardware oder Betriebssysteme aufzuerlegen: Neo funktioniert da, wo du ihn brauchst – auf den Geräten, die du sowieso schon nutzt.
Aber der wohl gravierendste Unterschied liegt darin, dass wir Neo zum Einen an B2B-Systeme wie SAP oder Salesforce andocken, und zum Anderen Neo komplett On-Premises oder in der Private Cloud zur Verfügung stellen, also auf den Servern unserer Kunden. Wir schicken also keine Daten in das Ausland: Die wertvollen Daten bleiben beim jeweiligen Unternehmen!

Welche Prozesse im Arbeitsalltag von Unternehmern und Angestellten soll Neo künftig vereinfachen?

Da sind der Vorstellungskraft eigentlich keine Grenzen gesetzt. Wir beschäftigen uns derzeit viel mit Terminvorbereitungen, Statusabfragen und weiteren Support-Features im Einkauf, im Vertrieb und im Finanzbereich. Als Mitarbeiter stellt dir Neo also beispielsweise vor einem Termin ein Briefing zusammen: Wen triffst du gleich, was steht in deinem CRM über die Teilnehmer, welche Web-Profile finden wir zu den jeweiligen Personen und was posten sie darauf – gerade für Führungskräfte und Vertriebsmitarbeiter sind das wertvolle Ansatzpunkte zur Gesprächseröffnung.

Ein Blick in die Zukunft: Wo wird die Reise in Sachen Interaktion mit digitalen Assistenten noch hingehen?

Interessanterweise durfte ich genau zu diesem Thema Anfang des Jahres vor dem Bundesministerium für Bildung und Forschung referieren. Die Kurzfassung unserer Hypothese: In Zukunft wird die Interaktion mit digitalen Assistenten für den Anwender viel passiver.

Neo soll quasi mitdenken und dich proaktiv über wichtige Änderungen und Fortschritte informieren. Das setzt aber voraus, dass Neo den Kontext versteht und Interaktionen immer dort stattfinden, wo du als Anwender gerade bist. Auf ein Szenario übertragen: Warum schauen wir ständig auf Dashboards? Wir könnten doch auch bei Veränderungen informiert werden und Neo könnte gleich bestimmte Maßnahmen und Eskalationsstufen vorschlagen. Gleichzeitig sollte Neo uns aber auch von Zeit zu Zeit mitteilen, dass alles in Ordnung ist und wir uns keine Sorgen machen müssen.

Wir möchten also, dass Menschen und Technik in Zukunft in Arbeitsteilung harmonisch und im Gleichklang zusammenarbeiten können: Wir fokussieren uns auf schöpferisch-konzeptionelle Aufgaben, und Neo soll uns die nervigen und zeitfressenden Aufgaben abnehmen – er hält mir also stets den Rücken frei. Bis dahin ist es aber noch ein gutes Stück Arbeit.