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Erst kürzlich schrieb ich über die eigentliche Ausgangsdefinition einer KI, auch Künstliche Intelligenz genannt, und warum ich der Begrifflichkeit grundsätzlich skeptisch gegenüberstehe. Dennoch lässt mich das Thema nicht los. Laut einer kostenpflichtigen IDC-Studie erkennen aktuell deutsche Firmen das Potenzial von KI und dem Internet der Dinge. Für mich Grund genug, einige Ergebnisse der Studie kurz zusammenzufassen.

Um Einblicke in die derzeitigen Umsetzungspläne, Herausforderungen und Erfolgsfaktoren in puncto Künstliche Intelligenz und Machine Learning zu erhalten, habe ich mir die Ergebnisse der aktuellen IDC-Studie ‚Künstliche Intelligenz und Machine Learning in Deutschland‘ etwas näher angeschaut. „Wir sind davon überzeugt, dass Künstliche Intelligenz in zwei Jahren in jedem Unternehmen präsent sein wird“, sagt Matthias Zacher, Manager Research und Consulting bei IDC und Projektleiter der Studie. „Neben den Projekten, die die Firmen gezielt anstoßen, kommt KI über Apps, moderne Anwendungen und Cloud Services in Form von Updates und neuen Releases automatisch in die Fach- und IT-Abteilungen. Aus diesem Grund sollte sich jede Organisation jetzt ganz gezielt mit KI beschäftigen, um schnellstmöglich Mehrwert der bereits am Markt verfügbaren Lösungen zu ziehen.“ Welche Lösungen das allerdings sind, wird nur vage angerissen, konkrete Lösungen werden, sieht man von einer Fallstudie mal ab, nicht verraten (Weitere Ergebnisse gibt es am Ende des Artikels.).

KI in der Praxis?

Immerhin, über den Pressezugang konnte ich zumindest mehrere Blicke auf drei Fallstudien werfen, bei der mich aber nur eine wirklich überzeugt hat. Bei einer nicht überzeugenden Fallstudie handelt es sich zudem lediglich um ein Unternehmensprofil von Tableau, welches meines Erachtens eine Big-Data-Strategie bewirbt und weniger eine KI-Lösung anstrebt. Der einleitende Text zeigt auf, warum diese Art an Intelligenz ‚hoffentlich‘ bald ausstirbt: „Im Jahr 2020 werden in der Welt 50-mal so viele Daten generiert wie 2011, und die Anzahl der Informationsquellen wird sich bis dahin um das 75-Fache erhöhen. In diesen Daten stecken riesige Chancen für den menschlichen Fortschritt. Aber um diese Möglichkeiten auszuschöpfen, müssen wir die Macht der Daten direkt nutzbar machen.“ …die Macht der Daten, ehrlich?

KI sollte den Analysten immer unterstützen – kann, darf und wird ihn aber nicht ersetzen. Deshalb ist es meines Erachtens auch der richtige Weg, Modelle und Algorithmen des maschinellen Lernens in alltäglich genutzten Werkzeugen zugänglich zu machen – einfach benutzbar und leicht verständlich für jedermann. Selbstverständlich gilt es bei derartigen personenbezogenen Algorithmen, die Sicherheit und den Schutz persönlicher Informationen und eindeutig personalisierter Verhaltensmuster zu gewährleisten. Dies kann nur dann funktionieren, wenn die Intelligenz nicht ausgelagert in Cloud-Diensten liegt.

Dr. Konstantin Greger, Sales Consultant bei Tableau Software

Ein gutes Beispiel zeigt dagegen eine Fallstudie des französischen IT-Dienstleisters Atos SE. Atos ist sich sicher, dass „die Nutzung von künstlicher Intelligenz nicht mehr von technischen Möglichkeiten abhängt, sondern ausschließlich von sinnvollen Einsatz-Szenarien“. Die Autoren der Fallstudie stellen zudem klar, dass einige Branchen bereits seit Jahren mit KI-Technologien arbeiten; also nicht neu ist. Lediglich „der Ansatz in anderen Bereichen, wie der Medizin, ist noch relativ neu“. Und genau dort soll die Atos-Lösung greifen: ein Chatbot.

Chatbots lassen sich nach eigenen Angaben mit KI-Methoden zu prozessunterstützenden und personalentlastenden Systemen ausbauen. Voraussetzung ist hierfür einerseits ein klares Einsatzziel und andererseits die Verfügbarkeit der notwendigen Daten für das Training des Bots.

Darstellung der Lösung / Quelle Atos Fallstudie

Teil der Arbeit ist die Entwicklung eines virtuellen Assistenten (Chatbot), der die Lebensqualität der LVAD-Patienten (Patienten benötigen ein Linksherzunterstützungssystem) verbessern und gleichzeitig die Kosten für die gesundheitlichen Leistungen senken soll, indem er regelmäßig den Gesundheitszustand und LVAD-typische Informationen abfragt, die noch nicht automatisch erhoben werden können und so frühzeitig die Einbindung des medizinischen Fachpersonals bei Problemen erlaubt. Die LVAD-Therapie umfasst die regelmäßige Kontrolle der benötigten medizinischen Geräte (inkl. des LVAD selbst), die Einleitung von Notfallmaßnahmen unter Einbindung entsprechender Benachrichtigungsverfahren, individuelle Empfehlungen für körperliche Aktivität sowie die auf den Patienten abgestimmte Anpassung der jeweiligen Medikation.

Der Chatbot setzt hier an und bietet eine dialogorientierte Erfassung der Patientendaten, ohne auf komplexe Bedienoberflächen zurückgreifen zu müssen. So erfragt er vom Patienten zu messende Werte und kann auf Abhängigkeiten von Nahrungsmitteln hinweisen. Ein solcher Bericht enthält beispielsweise Daten über den gemessenen Blutgerinnungswert, Ernährungsdetails, Dosis der eingenommenen Blutverdünner und allgemeine Informationen zum Wohlbefinden des Patienten. Die Informationen werden an den Arzt oder an entsprechendes Fachpersonal gesendet, die so frühzeitig direkt den Patienten kontaktieren können und ggf. Untersuchungstermine organisieren.

KI und maschinellen Lernsysteme sind noch nicht soweit

Speziell die Sprach- und Worterkennung dürfte in den nächsten Jahren erfolgreich vorangetrieben werden. So sind laut eines Wired-Artikels Maschinen besser denn je im Umgang mit Text und Sprache. Als Beispiel werden Facebook und Google genannt. Facebook kann eine Bildbeschreibung für sehbehinderte Menschen vorlesen; Google macht einen anständigen Job, indem es knappe Antworten auf E-Mails vorschlägt. Der Artikel weist allerdings auch daraufhin, dass Software in der Regel die Bedeutung unserer Worte und der Ideen, die wir mit ihnen teilen, immer noch nicht wirklich versteht. Ebenfalls interessant ist auch die Entwicklung bei den Sprach-Assistenten. „Wir sind in der Lage, die erlernten Konzepte auf unterschiedliche Weise zu kombinieren und in neuen Situationen anzuwenden“, sagt Melanie Mitchell, Professorin an der ‚Portland State University‘ gegenüber Wired.

„Diese KI und maschinellen Lernsysteme sind es nicht.“ Dazu passen folgende Zahlen aus besagter Studie: So sind derzeit tatsächlich die Extraktion von Wissen aus Daten (37 Prozent), Spracherkennung (32 Prozent), Überwachtes Lernen (25 Prozent), Bilderkennung/Bild-Klassifikation (23 Prozent) sowie die automatische Content-Aggregation (23 Prozent) die Treiber von KI. Ebenfalls ein gutes Beispiel, der KI-Podcast Sheldon County. Weitere interessante KI-Projekte hat das Portal Industry of Things zusammengetragen.

Und laut der Studie wird das Thema in der Öffentlichkeit derzeit zu stark aus einer Technologieperspektive diskutiert; in 37 Prozent der Unternehmen sind die Fachabteilungen bei der Planung von KI federführend. Bei 35 Prozent der Organisationen erfolgt die Planung und Umsetzung im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Fachbereich und IT. Nur ein Drittel der Unternehmen beauftragt ausschließlich die IT mit der KI-Projektierung. Zum Vergleich habe ich mir die Ergebnisse des ‚AI impact index‘ aus dem Hause PwC angeschaut. Laut den Autoren gehören digitale Assistenten, Chatbots und maschinelles Lernen, auf Basis künstlicher Intelligenz, bereits zum Alltag. Und glaubt man ihnen, wird sich diese Entwicklung deutlich beschleunigen: Die Autoren rechnen bis zum Jahr 2030 damit, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) rund um KI um 11,3 Prozent steigt. Das entspricht einer Summe von rund 430 Milliarden Euro.

Obwohl die meisten, wie oben erwähnt, optimistisch in die Zukunft schauen, gibt es auch mahnende Worte. So verfügen zwar 18 Prozent der Unternehmen über sogenannte Innovationscenter beziehungsweise Labs für die Evaluierung und Entwicklung geeigneter Lösungen. Diese Firmen sind in erster Linie aber im gehobenen Mittelstand und in großen Unternehmen angesiedelt. Dem klassischen Mittelstand fehlen dort schlichtweg die Ressourcen zum Aufbau von Kompetenzen. Kein Wunder, so geben knapp die Hälfte der Firmen den Mangel an Experten als die größte Hürde für die Umsetzung von Projekten an. In mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen fehlen Fachleute. So können die Organisationen ihren Bedarf an Entwicklern und Datenbankmanagern für KI-Systeme, KI- Spezialisten, Data Scientists, Business-Analysten und Trainern derzeit nicht decken.

Zusammengefasst: Unternehmen haben die Vorteile von KI erkannt, auch hierzulande. Sie haben begonnen, KI-Projekte an den Start zu bringen und gewinnbringend für die Organisation, das Unternehmen einzusetzen. Die meisten Firmen verstehen dabei zunehmend, dass ihre Daten ein echtes Asset sind. Ob allerdings mit Big Data beziehungsweise Smart Data eine Künstliche Intelligenz erzeugt werden kann, mag ich zu bezweifeln. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz steckt meines Erachtens nicht nur in den Kinderschuhen; die Ziele und die Technologien sind derzeit durchweg reine Insellösungen. Jeder macht derzeit sein eigenes Ding. Das ist schädlich für die globale Entwicklung von KI. Dennoch, Deutschland, vor allem Baden-Württemberg und Bayern profitieren von KI. Dort sind die Branchen überdurchschnittlich vertreten, in denen besonders hohe Produktivitätssteigerungen zu erwarten sind. Die größten positiven Umsatzeffekte habe KI auf die Branchen Healthcare (Gesundheit) und Automobilindustrie, gefolgt von der Finanzbranche und der Logistik.