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Insgesamt elf Partner aus den drei Regionen Karlsruhe, Stuttgart und Neckar-Alb gründeten eine Genossenschaft, unter deren Dach sie das zukunftweisende Gemeinschaftsprojekt Innovationspark Künstliche Intelligenz Baden-Württemberg zur Stärkung des Landes als herausragender Standort von Wirtschaft und Wissenschaft weiter vorantreiben wollen.

Am 10. März wurden ihre detaillierten Planungen beim Land eingereicht und somit die zweite Stufe im Bewerbungsverfahren für den Innovationspark KI erreicht. Welche Bewerbung als Sieger den Zuschlag und damit auch 47,5 Millionen Euro an Fördermitteln für das Projekt vom Land erhält, soll sich nach Angaben des Wirtschaftsministeriums abschließend im zweiten Quartal 2021 entscheiden. Mit Dr. Frank Mentrup, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe und Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft haben wir über das Gemeinschaftsprojekt gesprochen.

Herr Mentrup, mit dem Innovationspark KI Baden-Württemberg soll ein europaweites und international wettbewerbsfähiges, sichtbares Zentrum und Ökosystem für Künstliche Intelligenz geschaffen werden. Welche Vision verfolgen Sie mit dem Innovationspark in Bezug auf die Stadt Karlsruhe?

Mit einer Teilnahme am Wettbewerb setzt die Stadt Karlsruhe ein wichtiges politisches Signal für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts. Sie positioniert sich als attraktives und nachhaltiges Innovationsökosystem für KI-Anwendungen und Produkte mit internationaler Anziehungskraft für Talente, Unternehmen und Investoren.

Der Antrag wurde als eine gemeinschaftliche Initiative der Wirtschaftsförderungen der Regionen Stuttgart, Tübingen, Reutlingen und Karlsruhe für die Stärkung des Ökosystems KI im Südwesten gestellt. Kernidee der überregionalen Allianz ist ein KI-Kosmos der vier stärksten Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorte Baden- Württembergs, welcher über ein virtuelles Netzwerk miteinander verknüpft wird. So wird gewährleistet, dass regional verteilte, starke, branchenfokussierte Knotenpunkte entstehen, in denen dezentrale KI-Aktivitäten in Wirtschaft und Wissenschaft verknüpft sind. Diese Allianz bietet zum einen den Vorteil, dass für die Unternehmen des Landes die gesamte KI-Innovationskette von der Grundlagenforschung bis zur industriellen Anwendung abgedeckt ist und gleichzeitig die KI-Innovationen lokal umgesetzt werden und somit für Unternehmen, insbesondere den Mittelstand erreichbar und greifbar sind.

Durch das Zusammenführen der wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Expertise im Innovationspark soll ein wesentlicher Beitrag zur Kommerzialisierung von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz in Baden-Württemberg geleistet werden.

Eine Realisierung des Antrags in Form einer Beteiligung an einem Konsortium könnte Investitionen entsprechender Unternehmen anziehen. Auf den neuen Flächen in Karlsruhe werden so bis zu 4.000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Bereits geleistete Investitionen von und in Unternehmen wie Zeiss, Trumpf, Vector, Intel, Microchip, BlueYonder, für die KI eine Schlüsseltechnologie darstellt, sprechen für das Potenzial des Standortes als Innovationsökosystem, ebenso seine Dichte an KI-Startups (TOP 3 Deutschlands) und KI-bezogenen Studiengängen und Forschungseinrichtungen für die Ausbildung von Fachkräften.

In diesem Zusammenhang wurde gemeinsam mit den elf Partnern am 20. Februar die Genossenschaft gegründet. Was soll mit dieser erreicht werden und welche Rolle werden Sie innehaben?

Das Land Baden-Württemberg hat einen Wettbewerb für die Errichtung eines KI-Innovationspark mit internationaler Strahlkraft ausgeschrieben. Hier sollen künftig Wissenschaft, KMUs, Weltmarktführer und KI-Startups – unterstützt von der Verwaltung – gemeinsam neue KI-Produkte und -Anwendungen „Made in BW“ entwickeln. Solche Wettbewerbe werden Impulse setzen, um neue kreative Lösungen und Angebote zu entwickeln

Im Zuge der Ideenfindung sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass eine moderne Infrastruktur – im Hinblick auf die Stärken des Standortes Baden-Württembergs und im Sinne einer europäischen Lösung – auf bestehenden Kompetenzen und Clustern aufbauen sollte.

Unser Ziel sollte es daher nicht sein, nach dem asiatischen Modell einen neuen KI-Park „auf der grünen Wiese“ zu errichten. Abweichend davon wollen wir ein Konzept entwickeln, das die Kompetenzen unserer unterschiedlichen Regionen unter einem gemeinsamen Dach zusammenführt. Deshalb war es uns wichtig eine Gesellschaftsstruktur zu finden, die keinem Gesellschafter eine dominierende Rolle ermöglicht, die offen für neue Mitglieder ist und resilient für die Dauer der Laufzeit aufgestellt ist. Damit wollen wir gleichzeitig ein Zeichen setzen, was wir unter einer alternativen Lösung und als europäische Antwort verstehen: eine kooperative, digital souveräne Plattform. Das ist unsere Ausgangsbasis/Grundlage für die weitere Zusammenarbeit. Denn nur wenn die dezentralen Parks ihren Nutzern eine offene und qualitativ hochwertige Datenbasis anbieten können, werden erfolgreiche KI-Produkte entwickelt und neue KI-Verfahren erforscht.

Uns war es wichtig hier ein Public Private Partnership Modell zu entwickeln, da nach unserer Überzeugung die Anwendung von KI-Lösungen und -Produkten nur gelingen kann, wenn diese menschenzentriert, diskriminierungsfrei und mit verantwortungsvollen KI-Systemen unter gesellschaftlicher Beteiligung erfolgt. Wir wollen ein Gesamtkonzept entwickeln,  welches es ermöglicht unsere unterschiedlichen Standorte und KI-Kompetenzen auf Augenhöhe einbinden zu können. Also eine Plattform, die über die aufzubauenden Infrastrukturen hinaus, einen deutlichen Mehrwert für die Unternehmen und die Gesellschaft im Land anbieten kann. Und die es ermöglicht sowohl die hier entstehenden Produkte als auch die Standorte, international zu vermarkten.

Der Gesellschaftszweck einer Genossenschaft ist darauf ausgerichtet, die Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern. In Summe sind wir zu dem Ergebnis gekommen, dass die Genossenschaft den aufgestellten Kriterien am nächsten kommt und durchaus disruptiven Charakter hat.

Mit den drei Regionen Karlsruhe, Stuttgart und Neckar-Alb haben wir einen Nucleus geschaffen, der von der Grundlagenforschung bis hin zur konkreten Anwendung sehr starke Standorte mit Kompetenzen im Bereich Künstlicher Intelligenz vereinigt. Darauf aufbauend können andere Regionen Baden-Württembergs auf Augenhöhe eingebunden werden.

In meiner Rolle als Aufsichtsratsvorsitzender der Genossenschaft werde ich mein Augenmerk darauf richten, dass wir die Ziele und Visionen der Genossenschaft auch im operativen Bereich umsetzen. Ich denke auch, dass ich die im Rahmen der Antragstellung immer enger und verbindlicher gewordenen Beziehungen zu unseren Partnern weiter ausbauen und vertiefen werde. Ich möchte an dieser Stelle noch betonen, wie sehr ich mich freue, dass wir unsere gemeinsamen Stärken für den globalen Wettbewerb bündeln.

Wie kam es zum Zusammenschluss mit Stuttgart und der Region Neckar-Alb und welche Vorteile birgt diese Allianz?

Natürlich gab es schon lange vorher intensive Kontakte und einen guten Austausch in den verschiedenen Bereichen. Der Wettbewerb war nun ein geeigneter Anlass für die
drei Regionen Stuttgart, Karlsruhe und Neckar-Alb sich das erste Mal zusammenzuschließen, um sich gemeinsam für ein Innovationsprojekt von internationaler Bedeutung stark zu machen. Der Innovationspark kann KI-Anwendungen auf hohem wissenschaftlichem, technologischem und ethischem Niveau in Baden-Württemberg vorantreiben und das Land zu einem Leuchtturm für Künstliche Intelligenz machen.

Die Regionen Stuttgart, Karlsruhe und Neckar-Alb können jeweils große wissenschaftliche und wirtschaftliche Stärken sowie Potenziale im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) vorweisen. Die Regionen wollen für den Landes-Wettbewerb ihre Kompetenzen bündeln, gemeinsam ein KI-Ökosystem schaffen, sich als optimalen Standort eines Innovationsparks für Künstliche Intelligenz präsentieren und Baden-Württemberg so in der KI stärken.

Ein „Innovationspark KI“ im Herzen Baden-Württembergs.
Entstehen soll im Zentrum Baden-Württembergs eine europaweit einzigartige KI-Innovationsinfrastruktur, in der Unternehmen in Kooperation mit Wissenschaft, Gesellschaft und der öffentlichen Verwaltung KI-Anwendungen, Produkte und Geschäftsmodelle entwickeln, erproben und international vermarkten können. Die Partner wollen diese innovative Zusammenarbeit durch die Gründung einer Genossenschaft unterstreichen. Die mittlerweile gewachsene Partnerschaft zwischen den drei Regionen spielt dabei eine tragende Rolle.

Sie haben am 10. März ihre detaillierten Planungen beim Land eingereicht und somit die zweite Stufe im Bewerbungsverfahren für den Innovationspark KI erreicht. Warum glauben Sie, dass diese ebenso wie bereits in der ersten Bewerbungsstufe überzeugen kann?

Der Ansatz ist eine polyzentrale/dezentrale Struktur für Kooperation und Innovation. Es gibt regionale Betreibergesellschaften, die die regionalen Liegenschaften entwickeln und ausbauen, eingebettet in eine gemeinsame Genossenschaft Innovationspark KI BW e.G. Die Kommunen sind hier zum Teil die Betreiber der regionalen KI-Parks. An den Standorten sowie auch in der Genossenschaft Innovationspark KI BW selbst werden Unternehmen, Verbände, Hochschulen und Technologietransfereinrichtungen neben den Kommunen eingebunden, auch als potentielle Genossen. Die inhaltliche Weiterentwicklung der Leistungsangebote neben der Infrastruktur wird von einer starken Partnerstruktur aus Wissenschaft, Wirtschaft und Verbände unterstützt und aufgebaut.  Die Kommunen bringen unter anderem die Liegenschaften ein, bieten den rechtlichen Rahmen und neue Infrastruktur in dem sich das KI-Ökosystem aus Spitzenforschung und Unternehmergeist optimal entfalten kann. Die Experten, Konzepte, Bildungsangebote und Experimentierräume sowie Acceleratoren und Investoren für KI-StartUps werden gemeinsame Daten- und Innovationsinfrastrukturen sein, mit der Unternehmen und Forschungseinrichtungen neue Anwendungen und KI-Produkte erproben können. Der Innovationspark KI BW ist ein standortübergreifender anwendungsnaher Experimentierraum für wettbewerbsfähige KI zum Wohle der Gesellschaft.
Konkrete Ansiedlungsvorhaben werden im Zuge des Aufbaus und Vermarktung des Innovationspark KI BW erfolgen, natürlich mit Einbindung des Landes Baden-Württembergs. Die Zielregion ist aber schon heute für internationale Unternehmen sehr attraktiv, da hier fast 50 Prozent des Bruttosozialproduktes Baden-Württembergs erwirtschaftet werden.

Gibt es schon Pläne zur Umsetzung des Projekts, wenn Sie im 2. Quartal den Zuschlag und damit die 47,5 Millionen Euro Fördermittel erhalten?

Selbstverständlich haben wir im Rahmen unseres Wettbewerbsbeitrags sehr detaillierte Zeitpläne zur Umsetzung des Parks vorgelegt. Wir sind bereit, im Falle des Zuschlags durch das Land umgehend in die notwendigen Vertragsverhandlungen einzusteigen und die notwendigen Schritte zur Realisierung unserer Vision umzusetzen. Wir haben an den Standorten Baurecht und könnten unmittelbar in die konkrete Gebäudeplanung einsteigen, um die Visionen auch Gestalt annehmen zu lassen. Die Fördermittel sind dabei der Hebel, der diese Schritte ermöglichen wird.

Nennen Sie uns abschließend drei Gründe, weshalb Karlsruhe der richtige Standort für den Innovationspark KI ist.

Karlsruhe ist der richtige Standort für den Innovationspark KI, da hier herausragende Forschung und Lehre gemeinsam mit innovativen Unternehmen und Startups auf eine herausragende Infrastruktur, eine flexible öffentliche Verwaltung und eine langjährige Kultur der Coopetition treffen, die in Deutschland einmalig ist.

Gemeinsam sind wir stärker – das wissen wir in Karlsruhe schon lange, wie man an unseren gewachsenen Clusterstrukturen und Netzwerken ableiten kann. Dass wir uns nun mit Partnerregionen verbünden und auf diese Weise neue Produktions- und Wertschöpfungsketten über die üblichen Segmente hinausschaffen, zeichnet uns aus im Wettbewerb um die besten Köpfe weltweit.