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Brustkrebs als Thema in einem Hightech-Blog? Ja, denn Brustkrebs als häufigste Krebsart bei Frauen in Deutschland könnte durch bessere Früherkennung häufiger geheilt werden. Und die Methoden der Früherkennung sind hoch technisiert und werden immer weiter entwickelt, zum Beispiel am KIT-Projekt 3D-USCT, in dem eine Methode zur Brustuntersuchung durch 3D-Ultraschall-Computertomographie entwickelt wird.

Etwa 25 % der in Deutschland an Krebs erkrankten Frauen leiden an Brustkrebs, im Schnitt ereilt jede zehnte Frau diese Diagnose. Die Untersuchungen zur Früherkennung werden standardmäßig per Mammographie, einer nicht immer schmerzfreien Untersuchungsmethode, oder seltener per MRT und Zugabe eines Kontrastmittels durchgeführt.

Wenn der Brustkrebs früh erkannt wird, besteht eine gute Chance den Krebs vollkommen zu heilen. Ein neues am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) entwickeltes Verfahren zur Brustkrebsfrüherkennung, 3D-USCT, verspricht 3D-Bilder der Brust in sehr guter Qualität. Das Ziel ist es, Tumore, die fünf Millimeter oder kleiner sind, zuverlässig zu entdecken, um einen früheren Diagnosezeitpunkt zu ermöglichen und damit die Heilungschancen stark zu erhöhen. Das Team von 3D-USCT wurde für die Arbeit an der Entwicklung des schonenden 3D-Verfahrens zur Früherkennung von Brustkrebs mit dem Innovationspreis NEO 2015 der TechnologieRegion Karlsruhe ausgezeichnet.

Herr Zapf, wie ist es zu diesem Projekt gekommen?

Dazu gibt es mehrere Geschichten: Eine bezieht sich auf Prof. Werner Kaiser, der als Brust-MRT Koryphäe gilt und am Universitätsklinikum Jena tätig war. Dieser entwickelte mit dem damaligen Leiter des Instituts für Prozessdatenverarbeitung und Elektronik (IPE) die Idee, das Tomographie-Konzept auf Ultraschall zu übertragen.

Das Projekt begann dann im Jahr 2000 mit einer Diplomarbeit des Physikers Jan Würfel, welcher mit dem ersten 2D-Tomographen mit hoher Auflösung die Machbarkeit der Idee nachwies. 2005 wurde der erste echte 3D-Ultraschalltomograph für die Brustkrebsfrüherkennung der Welt in Betrieb genommen, 2010 folgte die zweite Generation mit der wir 2012 in Jena in Zusammenarbeit mit Prof. Kaiser eine erste Vorstudie durchführten. 2015 startete nach sorgfältiger Vorbereitung die große Folgestudie mit der Universitätsmedizin Mannheim.

Das Kern-Team des Projekts besteht aus vier Leuten. Wie haben Sie zusammen gefunden und welchen wissenschaftlichen Background haben die anderen Teammitglieder?

Der Projektinitiator Prof. Hartmut Gemmeke ist Physiker und hat mit seinem Institut, dem IPE, an einigen Sensorik- und Detektoren-Projekten im Rahmen des KIT und Helmholtz gearbeitet. Eines der Projekte war AUGER, ein internationaler Hochenergie-Teilchendetektor. Zwei dieser Projekte bilden heute die technologische Basis für das 3D-USCT Projekt.

Nicole Ruiter, welche in Heidelberg Medizininformatik studierte, promovierte am IPE zum Thema Gewebemodellierung und war damit die perfekte Kandidatin für die Leitung des Projekts. Torsten Hopp und ich sind Eigengewächse des damaligen Forschungszentrums. Parallel mit der 3D-USCT Projekt haben wir uns im Rahmen des Informatikstudiums akademisch entwickelt und das Projekt dabei vorangetrieben. Mein Fachgebiet im Projekt sind die Signalverarbeitung, Sensorik und Datenaufnahme; Torsten deckt den Bereich der multimodalen Visualisierung und Gewebemodellierung ab und arbeitet eng mit den Radiologen zusammen.

Wichtig ist es mir zu erwähnen, dass das USCT-Projekt mit seinen vielfältigen Herausforderungen in vielen wissenschaftlichen und ingenieurstechnischen Gebieten, erst durch eine breite interdisziplinäre Kollaboration zwischen nationalen und internationalen Partnern erst möglich wurde.

Können sie uns die Anwendung mit dem USCT-Verfahren genauer erläutern?

Das USCT-Verfahren ist so gestaltet, dass es für die Patienten sicher und angenehm ist. Nach der Aufklärung durch einen Arzt legt sich die Patientin auf die anatomisch geformte 3D-USCT-Liege. Dort ist in Brusthöhe ein halbrunder Messbehälter eingelassen, welcher mit warmem Wasser gefüllt ist. Eine Brust wird dort eingetaucht und schwimmt frei und unverformt im Wasserbad. Nun beginnt die Messung. Fast Lautlos, kontaktlos und unmerkbar wird die Brust der ruhig und entspannt da liegenden Patientin von allen Seiten mit niederenergetischem Ultraschall beschallt.

Die sich ergebenden Ultraschallinteraktionen mit der Brust werden von zweitausend Ultraschallwandlern, welche ringsum im Messbehälter eingelassen sind, aufgenommen. Insgesamt dauert dieser Messprozess für beide Brüste zehn Minuten. Nach der Messung rekonstruieren wir im Rechenzentrum mehrere 3D-Bilder und stellen diese zum Befund dem Radiologen zur Verfügung, welcher diesen dann mit der Patientin bespricht.

Abgesehen von der unbedenklichen Auswirkung auf die Gesundheit – bringt das Verfahren auch eine psychologische Entlastung, die Patientinnen den Gang zur Vorsorgeuntersuchung ein Stück weit erleichtert?

Das ist unser festes Ziel. Die Patientinnen brauchen keine Angst mehr vor potentiellen negativen Auswirkungen auf den Körper durch Röntgenstrahlungen haben. Das 3D-USCT ist beliebig oft und bedenkenlos anwendbar und ermöglicht ein effektives feingranulares Screening. Auch ist die Messung an sich sehr angenehm, die Brustkompression entfällt und es existieren keine lärmenden oder bedrängenden Magnetspulen wie beim MRT.

Welche Unterschiede bestehen zu den bisherigen Anwendungen, wie Röntgenmammographie und Magnetresonanztomographie?

3D-USCT basiert auf einer völlig anderen physikalischen Modalität, dem Ultraschall. Diese ist durch die konventionelle Sonographie als sichere und kostengünstige Modalität wohlbekannt und vielverwendet (z.B. in der Schwangerschaftsvorsorge). Was der Sonographie aber für die Brustkrebsbildgebung fehlt, ist die Reproduzierbarkeit der Aufnahme, die 3D-Bildgebung des MRT und die gute Auflösung der Mammographie. Wir zielen darauf ab, alle Vorteile von Sonographie, Mammographie und MRT zu vereinigen und die spezifischen Nachteile zu vermeiden: So sicher wie Sonographie, so kostengünstig wie Mammographie und so 3D wie MRT.

Ultraschall ist ein in der Medizin schon etabliertes Verfahren. Warum löst das USCT-Verfahren erst in jüngster Zeit den überholten Röntgenschall ab?

Der technologische Fortschritt, genauer die digitale Revolution, macht 3D-Ultraschall-Computertomographie nun realisierbar. Unsere Bildgebung hängt stark von aufwändiger digitaler Signal- und Bildverarbeitung ab. Wir setzen nun auch auf Bildgebung durch parallele GPUs (Grafikprozessoren), günstig verfügbare Standard-PC-Technik. Diese ermöglicht nun Bilder in Minuten, was noch vor wenigen Jahren undenkbar war, als unsere ersten hochaufgelösten 3D-Bilder noch Tage bis Wochen rechneten.

Im Brustkrebsmonat Oktober haben Sie eine Crowdfunding Kampagne gestartet. Das Projekt „Früher erkennen, was wichtig ist – 3-D-Ultraschall-Computertomographie“ wird nun der Öffentlichkeit vorgestellt, Bürger, Firmen und Unternehmen haben die Möglichkeit, Mittel zum Projekt beizusteuern. Was erhoffen Sie sich von der Kampagne?

Wir erhoffen uns Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit für unsere in Deutschland entwickelte Methode. Langfristig ist es unser Ziel das Verfahren in Kliniken zum Einsatz zu bringen und ganz konkret für den nächsten Schritt: das Voranbringen und erfolgreiche Durchführen der Studie in Mannheim, welche mit 200 Patienten angesetzt ist und für die wir uns noch ein paar Anpassungen und Optimierungen wünschen.

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Das Projekt „Früher erkennen, was wichtig ist – 3-D-Ultraschall-Computertomographie“ können alle unterstützen. (Bild: 3D-USCT KIT)

Zunächst gab es eine Vorstudie zusammen mit der Universität Jena in der erste Patientinnen erfolgreich vermessen wurden. Zurzeit wird, wie Sie es eben ansprachen, eine Studie zum Nachweis der Wirksamkeit und Reproduzierbarkeit des neuen Verfahrens mit 200 Patientinnen am Universitätsklinikum Mannheim durchgeführt. Wie ist so eine Studie normalerweise aufgebaut?

Hierzu wird eine Hypothese aufgestellt, die überprüft werden soll. Festgelegt wird der dazu benötigte Studienablauf in einem Prüfplan, welcher von einer Ethikkommission und einer Bundesbehörde (BfArM) begutachtet wird. Um fundierte Aussagen treffen zu können wird eine ausreichende Kohortengröße (also die Größe einer spezifischen Probandinnengruppe zu einer medizinischen Fragestellung) benötigt. Daher unser Studienansatz für Mannheim viele Probandinnen, ca. 200, über 2 Jahre zu vermessen. Mit dieser breiten Datenbasis werden wir statistisch fundiert die Effektivität unserer innovativen Methode überzeugend darstellen können.

Wie lange dauert es, bis ein solches medizinisches Verfahren zugelassen werden kann und der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht?

Dies ist keine eindeutig zu beantwortende Frage. Wenn man zum Vergleich in die Medizingeräte-Historie zurückblickt, z.B. die des MRT, sieht man, dass es häufig von ersten Ideen, über Prototypen zu kliniktauglichen Geräte und Akzeptanz häufig Jahrzehnte benötigte. Ist die Zeit nun reif, um mit der 3D-Ultraschall-Computertomographie Gesellschaft und Radiologen eine Alternative für die Brustkrebsfrühdiagnose zu bieten? Wir denken ja, und treiben deswegen 3D-USCT fokussiert voran, um das Ziel der breiten klinischen Verfügbarkeit einer zuverlässigen ultraschallbasierten Brustkrebsfrüherkennungsmethode so schnell wie möglich zu erreichen.

3D-Ultraschall-Computertomographie (3D-USCT) des KIT

Das Team des 3D-USCT, bestehend aus Projektleiterin Nicole Ruiter, Projektinitiator Prof. Hartmut Gemmeke, Torsten Hopp und Michael Zapf und vielen Studenten, entwickelt ein Verfahren der Ultraschall-Computertomographie (USCT), welches 3D-Daten liefert. Das Ziel ist es, genaue und sichere Brustkrebsvorsorge bei gleichzeitig geringer Belastung für die Patientin zu ermöglichen.