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Findige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen haben für die sichere Übertragung von Passwörtern synthetische Moleküle zum Speichern von Daten entwickelt. Diese können mit herkömmlicher Tinte vermischt auf Briefpapier aufgetragen und dadurch quasi unsichtbar um die ganze Welt geschickt werden. Was sich anhört wie eine Passage aus einem Agententhriller, ist in den Chemie-Laboren des KIT Realität geworden.

„Ganz so abenteuerlich ist die ganze Geschichte allerdings nicht“, wiegelt Michael Meier vom Institut für Organische Chemie allerdings ab. „Der Aufwand für das Verschicken von Informationen in Molekülen ist nämlich immer noch immens hoch und deshalb wird solch ein System wohl nur in absoluten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen“.

Großes Medieninteresse überrascht die Wissenschaftler

Von der Wirksamkeit des Verschlüsselungssystems sind Meier und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Andreas Boukis allerdings felsenfest überzeugt und deshalb haben sie in Zusammenarbeit mit den Experten des Instituts für Technische Informatik bereits einen entsprechenden Fachartikel auf der Internetseite des offen zugänglichen Wissenschaftsportals Nature Communications veröffentlicht. „Wir sind immer noch synthetische Chemiker, aber wir schlagen die Brücke von der Chemie zur Informatik. Und Passwörter sind nun einmal die Achillesferse vieler Systeme, die wegen ihrer kryptografischen Verschlüsselung ansonsten kaum zu knacken sind“, sagt Meier. Vom großen Medieninteresse wurden die KIT-Forscher allerdings komplett überrascht.

In den ersten Tagen nach der Veröffentlichung einer Pressemitteilung mit dem klingenden Titel „Agent 007: Organische Moleküle als Geheimnisträger“ stand Meiers Telefon nicht mehr still und mittlerweile haben bereits mehrere Zeitungen und Wissenschaftsjournale das Thema bearbeitet. „Über das plötzliche Interesse haben wir uns natürlich sehr gefreut“, Meier. „Aber teilweise wurde unsere eigentliche Arbeit von der Passwortgeschichte fast schon an den Rand gedrängt“.

Moleküle aus 130 Grundbausteinen liefern eine halbe Million chemischer Schlüssel

Basis für die innovative Passwortverschlüsselung ist die Herstellung von Molekülen aus 130 verschiedenen Grundbausteinen. Weil jeder dieser Bausteine für eine bestimmte Ziffer steht, können durch die unterschiedliche Kombination der Einzelkomponenten eine halbe Million chemische Schlüssel hergestellt werden. Und in jedem dieser Schlüssel können 18 Bit an Informationen gespeichert werden.

„Für ein Passwort ist das völlig ausreichend“, sagt Meier. Und der spannende Teil beginnt seiner Ansicht auch ohnehin erst nach der Codierung der Moleküle. Um ein Passwort sicher weiterzuleiten, müsste nämlich zunächst einmal ein Teil des Codes auf Briefpapier gebannt und an den Empfänger verschickt werden. „Erst wenn der Adressat den Empfang bestätigt, wird das restliche Passwort verschickt. Denn so kann man sicherstellen, dass niemals das gesamte Passwort von fremden Geheimdiensten abgefangen wird“, betont Meier. Eine Entschlüsselung der versteckten Passwörter hält Meier wegen der hohen Komplexität allerdings für unmöglich, schließlich können die Moleküle in Tinte, auf Briefpapier oder sogar in Blut transportiert werden. „Deshalb weiß auch niemand, wo er eigentlich nach den synthetischen Molekülen suchen muss“, sagt Meier. „Und selbst wenn sie gefunden werden, fehlt immer noch der Schlüssel zum Dechiffrieren“.

Bei den Informatikern und Kryptografen des KIT stieß das Konzept bislang bereits auf Interesse. „Die Idee, Informationen über geheime Kanäle zu schicken, ist nicht neu. Unser Verfahren zeichnet aber dadurch aus, dass wir einen besonders robusten geheimen Kanal zur Verfügung stellen, welcher mit minimalen Mengen an Schlüsselmolekül auskommt,“ fasst Professor Dennis Hofheinz vom Institut für Theoretische Informatik die Vorteile der chemischen Passwörter zusammen

Moleküle können zum Kampf gegen Produktpiraterie eingesetzt werden

Das eigentliche Ziel des Projekts war allerdings die von Boukis initiierte Entwicklung eines sicheren Schlüssels für die Datenübertragung mit Molekülen. „Damit haben wir die Grundlage für weitere Forschungen geschaffen“; betont Meier. Seiner Ansicht nach können synthetische Moleküle künftig zum Schutz gegen Plagiate und Produktpiraterie als Echtheitszertifikat in die Bauteile von hochwertigen Elektronikprodukten eingebracht werden. „Noch steckt die Forschung aber noch in den Kinderschuhen“, stellt Meier klar. Prognosen zur künftigen Speicherkapazität von künstlichen Molekülen will er deshalb nicht stellen, auch wenn er den Bau eines Computers mit molekularen Speichern derzeit für eher unwahrscheinlich hält.

Falls sich tatsächlich Geheimdienste für die Passwortverschlüsselung interessieren, können die synthetischen Moleküle nach Meiers Ansicht aber mit relativ wenig Aufwand noch sicherer gemacht werden. „Eine Möglichkeit wäre, dass sich die Moleküle wenige Minuten nach dem Öffnen des Briefs durch den Kontakt mit Sauerstoff verflüchtigen“, betont der Chemieprofessor. „Und eine andere, dass sie im Sonnenlicht einfach verdampfen“.