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In der kleinen Hinterhof-Werkstatt des Karlsruher Startups robodev GmbH werden nicht nur Prototypen für die Produktion gebaut. Hier wird die Automatisierung der gesamten Maschinenbaubranche aktiv vorangetrieben. „In der Produktion vieler Firmen werden zahlreiche einfache Montagetätigkeiten noch in Handarbeit erledigt. Und das wollen wir mit unseren Produkten ändern“, sagt robodev-Geschäftsführer Andreas Bihlmaier. Für die Umsetzung dieses hehren Unterfangens har Bihlmaier mit seinem Team ein modulares System entwickelt. Sensoren, Motoren, Achsen und Greifer können innerhalb weniger Stunden zu einer individuellen, voll automatisierten Produktionseinheit zusammengebaut und anschließend sofort in Betrieb genommen werden.

Der Bedarf für ein solches System ist nach Bihlmaiers Einschätzung mehr als vorhanden. Laut einer aktuellen Studie des Fraunhofer Instituts für Arbeitswissenschaft und Organisation (IAO) sind drei Viertel aller Produktionsprozesse in Deutschland nur gering oder gar nicht automatisiert. Genauer gesagt: 43 Prozent der Wertschöpfungsprozesse im verarbeitenden Gewerbe sind rein oder vorwiegend manuell, 34 Prozent hybrid. „Spezialmaschinen sind für die Automatisierung von kleinen Stückzahlen schlichtweg zu teuer“, nennt Bihlmaier einen Grund für den hohen Anteil an Handarbeit. Und die Entwicklung von menschlichen Robotern für den flexiblen Einsatz in einer Produktionshalle stecke bekanntlich immer noch in den Kinderschuhen.

Lego-Kasten für das produzierende Gewerbe

Als größten Vorteil des robodev-Systems nennt Bihlmaier die Zeitersparnis. „Die meisten unserer Komponenten gibt es zu ähnlichen Preisen auch woanders zu kaufen. Aber dann müssen die Einzelteile mühsam zu einem Gesamtsystem zusammengebaut und in den restlichen Produktionsprozess implementiert werden“, sagt Bihlmaier. Die einzelnen robodev-Komponenten können dagegen mit standardisierten Aluminiumprofilen schnell in Position gebracht werden. Außerdem sorgen Hybrid-Kabel mit einheitlichen Steckern für die Versorgung mit elektrischer Energie und die Datenübertragung. Bislang haben nach Bihlmaiers Erfahrung vor allem noch kleinere Unternehmen Probleme mit der Automatisierung.

„Bei neuen Aufträgen werden deshalb meistens noch einige Schritte in der Produktion wie das Einziehen von Kabeln oder das Festschrauben von Deckeln manuell erledigt“, sagt Bihlmaier. Außerdem sei die größer werdende Produktvielfalt in einigen Sparten ein echter Hemmschuh für die Industrie 4.0. Durch das Modulsystem von robodev könnten die Unternehmen künftig auf Spezialaufträge mit kleineren Stückzahlen spontaner reagieren. „Idealerweise haben die Unternehmen einen ganzen Satz mit unseren Modulen auf Lager“, so Bihlmaier. Durch die standardisierten Module könnten nämlich wie mit Bausteinen aus einem Lego-Kasten immer wieder neue Speziallösungen aufgebaut werden. Dadurch könne auch das Prozesswissen der Mitarbeiter unmittelbar für die Erhöhung der Teilautomation genutzt werden.

Wurzeln lagen in der interdisziplinären Forschungsgruppe des KIT

Das Unternehmen robodev wurde 2016 von den damaligen Doktoranden Andreas Bihlmaier, Julien Mintenbeck und Jens Liedke aus der Taufe gehoben und schon wenig später als einer der 100 Orte für die Industrie 4.0 in Baden-Württemberg“ ausgezeichnet. Kennengelernt hatten sich die drei Wissenschaftler bereits einige Jahre davor in der Forschungsgruppe Prozessautomation und Robotik (IPR) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). „In unserer Freizeit haben wir uns immer wieder über mögliche Geschäftsideen unterhalten“, blickt Bihlmaier zurück in die Unternehmensgeschichte. Dank des interdisziplinären Austauschs – Bihlmaier studierte Informatik, Liedke Maschinenbau und Mintenbeck Elektrotechnik sowie Mechatronik – stand dabei stets die Entwicklung eines funktionierenden Gesamtsystems für die Industrie 4.0 im Fokus. Im ersten Jahr konnten die drei Tüftler dank eines EXIST-Gründerstipendiums einige Prototypen bauen und einen Investor für die Weiterentwicklung des Unternehmens gewinnen.

Ende 2018 arbeiteten bereits 15 Leute für robodev. Prototypen werden zwar immer noch in der Hinterhofwerkstatt in der Steinhäuserstraße gebaut, für die Serienproduktion ist jedoch das renommierte Maschinenbauunternehmen Heidelberger Druckmaschinen zuständig. „Die Zusammenarbeit mit einem kompetenten Partner in der Region ist für beide Seiten eine echte Win-Win-Situation“, betont Bihlmaier. Der Druckmaschinenspezialist aus der Kurpfalzmetropole könne durch externe Aufträge die Produktionsdellen aus dem rückläufigen Druckmaschinengeschäft abfedern und robodev profitiere von der langjährigen Erfahrung und der hohen Präzision des Traditionsunternehmens.

„Karlsruhe bietet beste Voraussetzungen für digitale Startups“

Über eine mangelnde Resonanz auf dem umkämpften Markt für Spezialmaschinen kann sich robodev laut Bihlmaier bislang nicht beklagen und bei öffentlichen Auftritten wie bei der Hannover Messe gab es zahlreiche positive Rückmeldungen. „Derzeit stellt sich eher die Frage, ob wir sämtliche Anfragen künftig zeitnah bedienen können“, sagt der Jungunternehmer. Bei der Unternehmensgründung erhielten Bihlmaier, Mintenbeck und Liedke in Karlsruhe sehr viel Unterstützung. Für den Bau der ersten Prototypen durften die drei Jungunternehmer eine Institutswerkstatt des KIT benutzen und bei betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Fragen stießen sie bei der Gründerberatung des IT-Unternehmernetzwerks CyberForum auf offene Ohren.

„Als innovative Hochburg in der deutschen IT-Branche bietet Karlsruhe beste Voraussetzungen für die Gründung eines digitalen Startups“, betont Bihlmaier. Allerdings gelangten Ausgründungen im Bereich der Produktionstechnik mit den derzeitigen Gründerstipendien sehr schnell an ihre finanziellen Grenzen. Mit der geplanten Gründung eines Smart Production Park für Startups aus der Produktionsbranche hätten die Stadt Karlsruhe und das CyberForum aber die Zeichen der Zeit erkannt und eine wichtige Weiche für den Ausbau der Gründerszene in Richtung Ingenieurswissenschaften gestellt. „In Stuttgart gibt es landesweit zwar noch die meisten Standorte im Bereich der produzierenden Industrie“, so Bihlmaier. Für Ausgründungen sei die Landeshauptstadt dagegen kein besonders gutes Pflaster.

Titelbildrobodev
Ekart Kinkel
Ekart arbeitet seit 2003 als freiberuflicher Journalist, PR-Berater und Dozent in Karlsruhe. Vorher hat er an der Universität Karlsruhe Maschinenbau studiert. Sein dadurch erlangtes technisches Rüstzeug lässt er heute in zahlreiche Veröffentlichungen über die boomende Karlsruher IT-Branche im Wirtschafts- und Wissenschaftsteil der Tageszeitung BNN mit einfließen. Seine Freizeit verbringt er aber hauptsächlich in der analogen Welt, nämlich auf dem Tennisplatz, in der Handballhalle oder beim Wandern mit der Familie im Pfälzerwald.