Lesedauer ca. 5 Minuten

Auf dem Sofa sitzend Achterbahn fahren, fremde Planeten besuchen oder eigene digitale Welten aus quadratischen Klötzchen erschaffen: Virtual Reality (VR) kann das – und noch vieles mehr. Auch in der Unternehmenspraxis wird Virtuelle Realität gewinnbringend eingesetzt. Dieser Beitrag zeigt ihre Anwendungsgebiete, Technologien und Potenziale auf.

Wer in der letzten Zeit die Nachrichten verfolgt hat, der kam am Thema Virtual Reality kaum vorbei. Über die Spielemesse E3 in Los Angeles und die Gamescom in Köln wurde viel berichtet und es gab ausführliche Beiträge in den Nachrichtensendungen. Das Thema scheint im Mainstream angekommen zu sein. In der Berichterstattung wird der Fokus dabei meist auf die Gaming-Szene gelegt und auf die Frage, ob sich Headsets wie Oculus Rift, HTC Vive und Co künftig auf dem Markt durchsetzen werden. Unerwähnt bleibt leider oft, dass Virtuelle Realität, Echtzeit-Simulation und 3D-Konstruktion in Unternehmen bereits seit den frühen neunziger Jahren eingesetzt werden. Und mit den jüngsten technischen Innovationen kommen immer mehr Anwendungen hinzu. Auch die Tagesthemen befassen sich inzwischen mit dem Thema Virtuelle Realität (ab Minute 23:47).

Tagesschau vom 2. September 2015: Beitrag Virtual Reality (ab Minute 23:47)

Vorreiterbranchen beim Einsatz von Virtueller Realität waren insbesondere die Wehrtechnik, die Luftfahrt und die Automobilwirtschaft. Zu Beginn ging es noch schwerpunktmäßig darum, realitätsgetreue Visualisierungen digitaler Prototypen zu erzeugen. Heute werden VR-Headsets, Projektionssysteme, Powerwalls, Displays und Caves in Forschung und Entwicklung, im Design, bei der Planung von Fabriken und Fertigungsverfahren, in der Logistik, im Marketing, in der Fortbildung sowie in der Wartung und Instandhaltung eingesetzt – entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Unternehmen. Virtual Reality ist zum neuen User Interface für 3D-Daten avanciert.

Kosten sparen, Wettbewerbsfähigkeit sichern und Entwicklungszyklen verkürzen

Das Manager Magazin widmete in seiner August-Ausgabe einen Artikel dem Einsatz von Virtual Reality im Unternehmenskontext und veranschaulichte, wie virtuelle Techniken helfen, Zeit und Geld zu sparen und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben. So werden beispielsweise bei der Firma Kärcher in Winnenden die Prototypen neuer Reinigungsgeräte zunächst als 3D-Modelle (Digital Mock-Up) entworfen und in einem Design-Review virtuell begutachtet, bevor reale Prototypen erstellt werden. Unternehmen können also die Kosten und die Zeit für die Entwicklung eines Teils der realen Prototypen einsparen. Beim Einsatz von Virtueller Realität ergeben sich umso mehr Nutzenpotenziale, je eher im Prozess mit „echten“ 3D-Konstruktionsdaten vernetzt gearbeitet wird. So lassen sich virtuelle Crashtests, Usability-Optimierungen und die Produktionsplanung durchführen und potenzielle Fehlerquellen frühzeitig ausmerzen.

Übersicht über Anwendungsgebiete, Branchen und Technologien von VR
Virtuelle Realität im Unternehmenskontext (Grafik: VDC Fellbach)

Der Einsatz virtueller Techniken erlebt derzeit auch im Anlagen- und Sondermaschinenbau einen Aufschwung. Dort geht man davon aus, dass der Einsatz von Virtual Reality nicht notwendigerweise eine Produktion großer Stückzahlen mit Skaleneffekten voraussetzt, sondern sich bei komplexen Projekten bereits ab „Losgröße 1“ auszahlt. Indem bereits vor der Inbetriebnahme und dem Ramp-Up von Anlagen wichtige Prozesse virtuell simuliert und durchgespielt werden, lassen sich beispielsweise Fehlerquellen abschalten und kostenintensive Nachrüstungen von vorn herein vermeiden. „Mit Hilfe virtueller Prozess-Simulationen können im Vorfeld der Inbetriebnahme mögliche Probleme erkannt und entsprechend behoben werden. So können hohe potenzielle Fehlerfolgekosten vermieden werden“, so Dr. Christoph Runde, Leiter des Virtual Dimension Center VDC in Fellbach.

Zur Wartung und Instandhaltung können sogenannte Augmented-Reality-Anwendungen genutzt werden (augmented von englisch „erweitert“, kurz: AR). Hier verwenden die Servicetechniker Tablets, Smartphones oder auch Datenbrillen, auf denen die benötigten Informationen entweder auf dem Display mit der Realität verschmelzen oder ihnen direkt vor dem Auge auf das Brillenglas eingespielt werden. So sind benötigte Informationen schnell und vollständig vorhanden, wenn sie gebraucht werden. Gegenüber dem analogen Verfahren wird auch hier gespart – beispielsweise an aufwendigen Dokumentationen, Personal- und Fahrtkosten. Das Münchener Unternehmen RE’FLEKT, das sich auf AR-Anwendungen für Automotive, Industrie und Immobilien spezialisiert hat, ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das derzeit erfolgreich mit der Technologie arbeitet.

Zahlreiche Branchen können von Virtueller Realität profitieren

Auch in weiteren Branchen nimmt der Einsatz von Virtual Reality zu: Durch die Verfügbarkeit anspruchsvoller Simulationssoftware ist es möglich, nicht-starre Materialien wie Textilien zu simulieren und zu visualisieren. Textilhersteller setzen zunehmend auf digitale Verfahren wie 3D-Scanning und – wie es Autobauer bereits seit längerem tun – auf Computer Generated Imagery (CGI), am Rechner erzeugte, realistische Visualisierungen. Im Baugewerbe und in der Architektur führt der Bedeutungsgewinn von Building Information Modeling gleichzeitig zu einer verstärkten Nutzung von 3D-Daten (aus der Konstruktion, Geodaten, Laserscanning) und verbundenen virtuellen Techniken. In der Medizin sorgen virtuelle Techniken einerseits für sicherere medizintechnische Produkte, andererseits ermöglichen Sie eine bessere vorbereitende Operationsplanung und haben natürlich auch in der Forschung einen hohen Stellenwert. Indes setzen die Hersteller von VR-Headsets (wie beispielsweise Oculus Rift, HTC Vive oder die Smartphone-Halterung Samsung Gear VR) und AR-Datenbrillen (wie Microsoft HoloLens und Google Glass) auch auf den Gebrauch der Technologie durch Privatleute. Im Januar 2015 präsentierte Microsoft seine Vision vom Leben mit Hologrammen.

Laut verschiedener Marktstudien steht Virtual Reality und Augmented Reality ein stetiges Wachstum bevor. Das Marktforschungsunternehmen Digi-Capital prognostiziert für das Jahr 2020 einen Marktumsatz von insgesamt 150 Milliarden US-Dollar. Experten des Beratungsunternehmens Deloitte schätzen, dass in der nahen Zukunft ein Drittel der deutschen Industrieunternehmen virtuelle Techniken nutzen wird. Eines ist klar: 2016 wird ein wichtiges Jahr für Virtual Reality und Augmented Reality. Mit zahlreichen Hardware-Neuerscheinungen im Bereich der Headsets bleibt abzuwarten, ob die Entwicklung hochwertiger Inhalte genauso schnell voran kommt. Für das professionelle Umfeld könnte der aktuelle Boom jedenfalls zahlreiche weitere Neuerungen bringen.