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Am Dienstagabend hat Google seine neue Hardware-Offensive gestartet. Neben den hauseigenen Pixel-Smartphones schickt der Suchmaschinen-Gigant einen persönlichen Assistenten namens „Home“ und das Router-System Google WiFi ins Rennen. Zudem unterstützt die Streaming-Box Chromecast Ultra künftig 4K-Inhalte. Den Abend dominiert hat allerdings ein ganz anderes Thema: Das neue Premium-Image von Google und die damit verbundene Preispolitik.

Ende September schrieb Hiroshi Lockheimer, Googles Senior Vice President von Android und Chrome OS, in einem Tweet: „We announced the 1st version of Android 8 years ago today. I have a feeling 8 years from now we’ll be talking about Oct 4, 2016.“ In den kommenden Wochen wurde viel darüber spekuliert, welche revolutionäre Hard- beziehungsweise Software Google am 4. Oktober vorstellen wird. Doch dann passierte etwas, mit dem nur wenige gerechnet hatten: Anstatt substanzielle Innovationen zu präsentieren, verpasste sich Google mal eben ein neues Image. Das Image einer Premium-Marke.

Der Wegbereiter für Googles neue Premium-Strategie ist das hauseigene Pixel-Smartphone, das die bei Android-Nutzern doch recht beliebte Nexus-Reihe ablöst. Letztere hatte stets den Anspruch, Preis und Leistung in Einklang zu bringen. Es ging darum, sich vom Konkurrenten Apple abzuheben, dessen Preispolitik aus Sicht vieler Android-Fans schlichtweg absurd ist. 1000 Euro für ein Smartphone? Völlig irre! Umso schockierter zeigten sich Fans von Googles mobilem Betriebssystem, als das Unternehmen die Preise für die Pixel-Smartphones an die Wand projizierte:

  • 759 Euro kostet das Google Pixel mit 5-Zoll-Bildschirm und 32 GB – genauso viel wie das iPhone 7.
  • 899 Euro legt man für das Google Pixel XL mit 5,5-Zoll-Bildschirm und 32 GB auf den Tisch – genauso viel wie für das iPhone 7 Plus.
  • wer 128 GB möchte, bezahlt sogar bis zu 1009 Euro.
Google Pixel Smarthone
Das neue Pixel-Smartphone von Google macht sich auf, das Premium Segment zu erobern (Bild: Google).

Das Statement ist unmissverständlich: Google spielt in einer Liga mit Apple. Google baut Premium-Hardware. Letzteres bezweifelt auch niemand, denn das Google Pixel kann sich Hardware-technisch wirklich sehen lassen. Das Problem ist nur, dass die Leute von Google ganz andere Dinge erwarten.

Google hat jahrelang sein Kostenlos-Image kultiviert

Google besitzt die beste Suchmaschine, die jeder von uns kostenlos nutzen kann. Google Maps stellt alle anderen Kartendienste in den Schatten. Preis? Kostenlos. Google Chrome hat binnen kürzester Zeit allen anderen Browsern den Rang abgelaufen und kann von jedem kostenlos heruntergeladen werden. Von Google Mail, YouTube und Google Drive fange ich jetzt gar nicht erst an.

Irgendwann erschien dann das mobile Betriebssystem Google Android, das es laut Gartner inzwischen auf einen weltweiten Marktanteil von unglaublichen 84,1 Prozent bringt. Apples iOS liegt gerade mal noch bei 14,8 Prozent, alle anderen mobilen Betriebssystem sind bedeutungslos.

Google hat von Anfang an großen Wert darauf gelegt, Android als offenes Betriebssystem für die breite Masse zu positionieren. Im hauseigenen App Store, dem Google Play Store, sind Bezahl-Apps die Ausnahme. Die meisten Anwendungen sind werbefinanziert. In-App-Käufe trifft man zwar immer häufiger an, aber die Apps als solche sind meist kostenlos.

Lediglich die Hardware, die war noch nie kostenlos – und dennoch bewegt sich die Mehrheit der Android-Smartphones irgendwo zwischen 90 und 400 Euro. Selbst die Spitzenmodelle von Samsung, die meist mit einer UVP von über 700 Euro versehen werden, sind in der Regel nach ein paar Wochen für unter 600 Euro zu haben. Ein paar Monate später dann für unter 500 Euro. Das ist immer noch viel Geld, aber nichts im Vergleich zu Apples iPhone, dessen Preis (759 bis 1119 Euro) sich bis zur Vorstellung der jeweils neuen Generation nicht ändert.

Und jetzt kommt ausgerechnet Google selbst um die Ecke und verpasst den von Android-Fans so heiß erwarteten Pixel-Smartphones die identischen Preise wie Apple dem iPhone 7. Die Reaktionen in den sozialen Netzwerken, Blogs und Foren sind eindeutig: Es herrschen Verständnislosigkeit, Frust und Enttäuschung. Selbst hartgesottene Google-Anhänger erklären, dass sie nicht bereit dazu sind, so viel Geld für ein Android-Smartphone auszugeben. „Wer so viel Geld in ein Smartphone investieren will, der kauft sich ein iPhone!“ – das ist eine der Aussagen, die man vielerorts liest. Niemand versteht so richtig, was Google sich bei den Pixel-Preisen gedacht hat.

Mit dem Google Pixel auf dem Weg zur Premium-Marke

Und dabei liegt die Antwort doch auf der Hand: Google will die Kontrolle über sein Ökosystem zurückgewinnen und in einem Atemzug mit Apple genannt werden, wenn das Stichwort „Premium“ fällt.

Google hat gestern ja nicht nur die Pixel-Smartphones vorgestellt, sondern auch den Assistenten „Home“ (Konkurrenz zu Amazon Echo), Google WiFi (Konkurrenz zu Apples AirPort Extreme), Google Chromecast Ultra (Konkurrenz zu Amazone Fire TV und Apple TV) und die VR-Brille Google Daydream. Der Suchmaschinen-Gigant baut sich ein Hardware-Imperium auf. Um den Nutzern allerdings denselben Komfort wie Apple zu bieten, muss Google die Kontrolle über sein Ökosystem übernehmen und das Feld nicht Smartphone-Herstellern überlassen, die alle ihr eigenes Süppchen kochen. Das Google Pixel ist der erste Schritt in diese Richtung. Das Google Pixel ist das iPhone von Google.

Diese Strategie kann langfristig durchaus von Erfolg geprägt sein, allerdings muss Google dann knallhart an den Preisen festhalten und das Google Pixel bis zur Vorstellung des Pixel 2 für 759 Euro beziehungsweise 899 Euro anbieten. Sobald die Preise fallen, hat sich die Sache erledigt, denn dann ist das Google Pixel nur ein weiteres Android-Smartphone, das schon nach einigen Monaten massiv an Wert verliert.

Ohnehin hat Google schon einen Fehler gemacht: Updates für das Google Pixel werden nur für zwei Jahre garantiert. Bei Apple hingegen bekommen auch vier Jahre alte Geräte noch Updates, was einer der Gründe für die Wertstabilität des iPhones ist.

Eines steht jedenfalls jetzt schon: Google wird einen langen (finanziellen) Atem brauchen, um die neue Premium-Strategie salonfähig zu machen.