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Der Anteil der weiblichen Beschäftigten in den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) liegt in Deutschland laut der aktuellen Statistik der Agentur für Arbeit gerade einmal bei 15 Prozent. Um künftig mehr Frauen für die technischen Berufe zu begeistern, wurde bereits 2001 der so genannte „Girls‘ Day“ ins Leben gerufen.

Bei dem jährlich stattfindenden Aktionstag können Mädchen in den teilnehmenden Betrieben einen Tag lang in die Arbeitswelt der von Männern dominierten Berufe hinein schnuppern. Etwa 100 000 Mädchen beteiligen sich in Deutschland jedes Jahr am „Girls‘ Day“. Auch in der TechnologieRegion Karlsruhe machten beim diesjährigen Aktionstag am 28. März wieder über 50 Firmen, Hochschulen und Institutionen mit Mitmachaktionen und Informationsveranstaltungen Lust auf eine Ausbildung in einem technischen Beruf oder ein naturwissenschaftliches Studium.

IT-Unternehmen IT-Additional-Services GmbH zum ersten Mal beim Aktionstag dabei

Beim IT-Unternehmen IT-Additional-Services GmbH (ITAS) durften 16 Mädchen aus der Region mobile Roboter programmieren und in einem Parcours gegeneinander antreten lassen. Der Clou an der Geschichte: Jedes der Roboterfahrzeuge hatte an der Vorderseite eine Nadel und am Heck einen aufgeblasenen Luftballon. Ziel des Wettbewerbs: Durch geschicktes Manövrieren den anderen Gefährten ausweichen und gleichzeitig die Luftballons der gegnerischen Teams zum Platzen zu bringen. „Das Programmieren ist super interessant. Und die Roboter dann auch fahren zu lassen, macht richtig viel Spaß“, sagten Amelie und Rkaya. Ob sie später einmal einen technischen Beruf ergreifen wollen, konnten die beiden Teilnehmerinnen des „Girls‘ Day“ allerdings noch nicht sagen. Rkaya interessiert sich außer für Informatik auch für Medizin. Und Amelie will eigentlich lieber Krankenschwester werden.

ITAS Girls Day
Bild: IT-Additional-Services GmbH / Christian Birnesser

„Wir wollen den Kindern zeigen, dass Leute in der IT nicht den ganzen Tag vor dem Rechner sitzen, sondern auch spannende Sachen machen“, erläutert ITAS-Personalmanagerin Xenia Weber den Grund für die Beteiligung des IT-Beratungshauses für den öffentlichen Dienst am Aktionstag. Bei dem Beratungsunternehmen mit Geschäftssitz im Steinbeis-Haus beträgt der Frauenanteil unter den 160 Beschäftigten derzeit lediglich 28 Prozent. „Der Anteil von Beraterinnen ist in den vergangenen Jahren zwar leicht gestiegen. Aber es bewerben sich immer noch deutlich mehr Männer auf offene Stellen als Frauen“, kennt Weber die Mechanismen der Branche. Dabei sei die Beratertätigkeit bei ITAS geradezu prädestiniert für weibliche Bewerberinnen.

„Man muss sehr viele Gespräche führen, flexibel sein und gut mit Menschen umgehen können“, betont Weber. Dies seien alles Eigenschaften, die Frauen bei der Arbeit besonders hoch einschätzen würden. Um künftig mehr Frauen für die Digitalbranche zu begeistern, müsste nach Webers Einschätzung die Begeisterung für die technischen Fächer bereits in der Schule geweckt werden. Aktionen wie die fischertechnik-AGs der Karlsruher Technik-Initiative seien deshalb ein Schritt in die richtige Richtung. Doch auch die Unternehmen seien gefordert. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss auf jeden Fall gewährleistet sein“, betont Weber. Deshalb biete ITAS seinen Mitarbeiterinnen flexible Arbeitszeiten sowie die Möglichkeit, nach einer Babypause zunächst wieder in Teilzeit in den Job zurückzukehren.

Girl's Day
Bild: IT-Additional-Services GmbH / Christian Birnesser

Anteil der weiblichen Studierenden an den technischen Hochschulen unter 30 Prozent

An den Karlsruher Hochschulen genießt der „Girls‘ Day“ seit einigen Jahren ebenfalls eine hohe Priorität. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gingen ein gutes Dutzend Veranstaltungen für Mädchen über die Bühne. Und an der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft konnten die jugendlichen Teilnehmerinnen bei praxisorientierten Experimenten ebenfalls ein anschauliches Bild vom Alltag in den Forschungsabteilungen zeichnen. Der Bedarf für solche Angebote ist laut den aktuellen Statistiken auf jeden Fall vorhanden.

Am KIT beträgt der Anteil der weiblichen Studierenden derzeit lediglich 29,6 Prozent. Das ist zwar deutlich mehr als vor 20 Jahren (22 Prozent) aber immer noch weit von einer 50-Prozent-Quote entfernt. Extrem unterrepräsentiert sind Studentinnen am KIT im Studiengang Elektrotechnik (12 Prozent). Die Elektrotechnik ist derzeit auch der einzige Studiengang an der Hochschule Karlsruhe, der zum Sommersemester 2019 nicht komplett ausgebucht ist. „Wer dieses Fach studiert, kann sich seinen Arbeitsplatz hinterher aussuchen“, sagt Hochschulrektor Frank Artinger. Bei der Hochschule hinkt der Anteil der Studentinnen ebenfalls noch ein Stück weit hinter den Erwartungen zurück und derzeit sind von den gut 7 500 Studierenden lediglich 25 Prozent weiblich.

Titelbildskynesher / iStock
Ekart Kinkel
Ekart arbeitet seit 2003 als freiberuflicher Journalist, PR-Berater und Dozent in Karlsruhe. Vorher hat er an der Universität Karlsruhe Maschinenbau studiert. Sein dadurch erlangtes technisches Rüstzeug lässt er heute in zahlreiche Veröffentlichungen über die boomende Karlsruher IT-Branche im Wirtschafts- und Wissenschaftsteil der Tageszeitung BNN mit einfließen. Seine Freizeit verbringt er aber hauptsächlich in der analogen Welt, nämlich auf dem Tennisplatz, in der Handballhalle oder beim Wandern mit der Familie im Pfälzerwald.