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Das Fraunhofer IML hat eine Whitepaper-Reihe veröffentlicht, die ein mögliches Zukunftsbild der Logistik-Branche zeichnet. Neben klassischen Themen rund um die Digitalisierung werden auch die Schwerpunkte ‚Social Networked Industry‘, ‚Circular Economy Logistics‘ sowie ‚Kognitive Ergonomie in der Logistik‘ ausführlich behandelt. Interessant dabei sind vor allem die Trends aus der aktuellen Logistik-Forschung. Sie werden von den Autoren bewusst mit heutigen technologischen Standards verknüpft.

Wie sieht die Zukunft der Logistik aus? Keine Frage, sie wird auch weiterhin ein wesentlicher Treiber der Digitalisierung sein. Doch muss auch die Logistik, samt der dazugehören Teilbereiche, sich technologisch immer wieder neu erfinden; auch um auf nicht kalkulierbare Marktanforderungen wirtschaftlich reagieren zu können. Die als Whitepaper angelegten Veröffentlichungen des Fraunhofer IML greifen aktuelle Herausforderungen für die Logistik auf, beleuchten Trends sowie neue Technologien und Geschäftsmodelle. Im Folgenden geben wir einen kleinen Überblick und beleuchten drei Whitepaper-Ausgaben etwas genauer. Die gesamten Ausgaben, insgesamt sieben Whitepaper, haben wir am Ende des Artikels verlinkt.

Prozesse durch Digitalisierung nachhaltig optimieren

Fahrerlose Transportmittel, Smart/Mobile Logistic (Datenbrille, Smartphone), temperaturgeführte Transporte (Umweltvermessung/Sensorik) – die Logistik hat in den letzten 30 Jahren unzählige Technologien aus dem Consumer-Bereich auf die professionelle Ebene gehievt. Dennoch versuchen Forscher und Industrie immer wieder neue Mehrwerte zu schaffen, für die es sich lohnt, bereits etablierte Prozesse beziehungsweise das bisherige Geschäftsmodell den neuen Anforderungen anzupassen. „Dazu müssen Digitalisierung und Unternehmensstrategie Hand in Hand betrachtet und weiterentwickelt werden.

Die Digitalisierung wird so zum Vehikel der Erreichung von Unternehmenszielen“, so die Kernaussage des ersten Whitepapers ‚Prozesse durch Digitalisierung nachhaltig optimieren‘. Zudem sind sich die Autoren einig, dass klassische Insellösungen für einzelne Prozesse und Funktionsbereiche das Silo-Denken verstärken und dazu führen, dass die angestrebte Echtzeit-Fähigkeit verpasst wird. So wird die interne Vernetzung tendenziell vernachlässigt und vielfach noch papierbasiert und manuell gearbeitet, obwohl es bereits geeignete Lösungen zur Digitalisierung gibt. Dabei sei erwähnt, dass es speziell in der Intralogistik immer wieder Prozessschritte von Nöten sind, die bewusst manuell ausgelegt und im Vergleich oftmals sogar schneller sind. Als Beispiel sei die ‚manuelle Sortier-Kommissionierung’ genannt.

Die moderne Logistik muss sich als ein offenes Ökosystem verstehen, in dem alle Akteure, Produkte und Dienstleistungen miteinander vernetzt sind – in der realen und in der digitalen Welt.

Prof. Michael ten Hompel, geschäftsführender Institutsleiter des Fraunhofer IML

Relevanz der Kognitiven Ergonomie

Das zweite Whitepaper beschäftigt sich mit der kognitiven Ergonomie in der Logistik. „Produkte weisen eine immer kürzere Lebensdauer auf und ihre Vertriebsstrukturen unterliegen in der Regel schon während ihres Lebenszyklus starken Veränderungen. Auf diese Veränderungen muss die Logistik reagieren können, was eine immer stärkere Informationsdurchdringung und Digitalisierung der Prozesse erfordert“, schreiben die Autoren zur Relevanz der Kognitiven Ergonomie für die Logistik.

Die Herausforderung: Die lokale sowie die virtuelle Welt müssen menschengerecht vernetzt sowie organisiert werden. So ermöglicht die Verknüpfung der virtuellen und physischen Welt „neue Formen der Kooperation zwischen Menschen und Systemen, sowie die Integration intelligenter Assistenzsysteme in die Arbeitsprozesse“. Das Problem: „Dieser technische Fortschritt kann dazu führen, dass Beschäftigte neuen oder veränderten Belastungen ausgesetzt sind, da die Arbeitsabläufe durch zunehmende Informations- und Kommunikationsanforderungen tendenziell komplexer werden und einen größeren Zeitdruck erzeugen. Auf der anderen Seite können durch die Automatisierung bestimmte Tätigkeiten so vereinfacht werden, dass der Mensch nur noch einfache Tätigkeiten ausübt; bei dauerhaften monotonen Arbeitstätigkeiten besteht dann aber die Gefahr, dass der Mensch schnell unzufrieden wird oder gar langfristig abstumpft“, so das Paper. Zudem vermehren sich Hinweise darauf, dass eine Zunahme an Informationen, Veränderungen der Informationsstrukturen sowie die Menge und Geschwindigkeit der Entscheidungen auf Basis dieser Informationen zu psychischen Fehlbelastungen des Menschen führen.

Geht es nach dem IML in München wird die Zukunft der Logistik mittel sozialen Netzwerken bestimmt.

Zukunft der Logistik: Social Networked Industry

Wir überspringen nun einige Ausgaben und schließen den Artikel mit dem sechsten Whitepaper ‚Social Networked Industry‘ ab. Meiner Meinung nach eines der spannendsten Themenfelder hinsichtlich der industriellen Digitalisierung. Klar, die anderen Bereiche sind ebenfalls spannend; doch kristallisiert sich die Vision, den hohen Vernetzungsgrad von sozialen Medien mit der Industrie zu verknüpfen, als die kommende Königsdisziplin.

Die Autoren Prof. Michael ten Hompel, Prof. Matthias Putz sowie Andreas Nettsträter, ebenfalls vom Fraunhofer IML, bringen es dabei auf den Punkt: Als wichtiges Vorbild für eine Fabrik, in der Menschen und Maschinen im Team zusammenarbeiten, dienen die heutigen sozialen Netzwerke mit ihrem hohen Grad an Vernetzung und der Möglichkeit, sich zu organisieren und zielgerichtetes Handeln abzustimmen. „Die ‚Social Networked Industry‘ rückt den Menschen wieder stärker ins Zentrum von Produktion und Logistik und antizipiert seine spezifischen Fähigkeiten und Bedürfnisse – insbesondere in der Kommunikation und Interaktion mit den autonom interagierenden cyberphysischen Systemen einer Industrie 4.0. Eine ‚Social Networked Industry‘ steht für industriell ausgerichtete Formen sozialer Netzwerke, in denen Menschen und cyberphysische Systeme im Unternehmen miteinander kooperieren (vertikale Vernetzung), aber auch für neue Formen der Vernetzung, in denen Unternehmen weitreichend miteinander kooperieren (horizontale Vernetzung).“

Im Folgenden haben wir die Whitepapers aufgelistet und verlinkt. Wer sich für Industrie und Digitalisierung interessiert, sollte sich die einzelnen Veröffentlichungen genauer anschauen. Speziell die unterschiedlichen Technologiefelder werden immer wieder kombiniert und lassen so neue industrielle Innovationen zu.

Ausgabe 1: Prozesse durch Digitalisierung nachhaltig optimieren
Ausgabe 2: Kognitive Ergonomie in der Logistik
Ausgabe 3: Herausforderungen der Mensch-Technik-Interaktion in der Intralogistik
Ausgabe 4: Bedeutung von Daten im Zeitalter der Digitalisierung
Ausgabe 5: Paradigmenwechsel der Planung und Steuerung von Wertschöpfungsnetzen
Ausgabe 6: Social Networked Industry ganzheitlich gestalten
Ausgabe 7: Circular Economy Logistics: Für eine Kreislaufwirtschaft 4.0

Redaktionshinweis: Auch andere Zukunftsideen werden die Logistik von morgen bestimmen. Zuletzt berichteten wir über das Cargo-Sous-Terrain-Projekt sowie über die RULS.