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Der Onlinehandel belastet das Klima nicht mehr als der stationäre Handel. Das belegen zumindest die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Clean Tech Instituts (DCTI). Geht es nach den Autoren der Studie, werden bei den Ergebnissen sogar das massenhafte Aufkommen der Retouren berücksichtigt.

Eine Studie wirbelt derzeit eine Menge Staub auf. Der Grund sind zweifelsohne Aussagen wie etwa „der Transport von Waren vom Händler zum Kunden ist effizienter und emittiert dadurch weniger klimaschädliche Gase – selbst unter Einbeziehung der Retouren, die beim Paketversand ein Massenphänomen darstellen.“

Warum mich diese Aussage persönlich irritiert? Nun, die Studie selbst wirft mit den zusammengetragenen Fakten Zweifel auf, ob nicht im Grunde beide Seiten, offline sowie online, im Einklang dem Klima schaden?

Das positive Studien-Ergebnis für den Online-Handel ergibt sich nach eigenen Angaben durch den verdichteten Transport der Sendungen durch die Paketdienste, die je Anfahrt immer mehrere Kunden beliefern. Die CO2-Bilanz dieser gebündelten Verkehre ist damit der individuellen Anfahrt vieler Kunden mit dem PKW in die Innenstadt deutlich überlegen.

Bei den Produkten des Großstückversands (Warenzustellung an den Kunden durch zwei Personen) ist dieses Ergebnis nicht ganz so eindeutig. Die CO2-Emissionen des Onlinehandels liegen dabei zwar ebenfalls unter den Werten des stationären Einzelhandels. Allerdings sind die Differenzen hier nicht so stark ausgeprägt wie bei den Produkten des Paketversands. Dies liegt daran, dass die Anzahl der je Teilstrecke transportierten Artikel geringer ist und sich somit die durch den Transport ausgelösten CO2-Emissionen auf weniger Artikel verteilen. Diese CO2-Trickserei lassen wir einfach mal so stehen.

So ist der E-Commerce auch gleichzeitig als Chance für den stationären Handel zu sehen – beide Hand in Hand. Dabei spielt natürlich auch die Strategie des jeweiligen Onlineshops eine Rolle.

Klimafreundlicher Online-Einkauf: es gibt noch viel zu tun

Vom klimafreundlichen Online-Einkauf kann meines Erachtens nicht die Rede sein. So ist der Onlinehandel seit vielen Jahren das am stärksten wachsende Handelssegment. Im Jahr 2014 wurden allein in Deutschland 41,7 Milliarden Euro online umgesetzt. 2013 waren es noch 34,3 Mrd. Euro.

Das entspricht zehn Prozent des deutschen Gesamthandelsvolumens – und bedeutet, dass heute mehr als jeder zweite Deutsche regelmäßig im Internet einkauft. Damit nimmt der Online-Kanal dem Nonfood-Einzelhandel inzwischen 15,3 Prozent der Einnahmen ab. Wir haben dazu kürzlich erst den Artikel Facts & Figures 2015: E-Commerce in Deutschland veröffentlicht.

Dennoch, die Studie sollte meines Erachtens Beachtung finden. Ist es doch meist der Mittelweg, der die Wahrheit, die Fakten deutet. Die vorliegende Studie untersuchte daher folgende Kernfragen:

  • Was ist klimaschädlicher: der Onlinekauf oder der Einkauf im stationären Einzelhandel? Und welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
  • Ob und in inwieweit gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Produktarten?
  • Welche spielt Rolle das individuelle Verhalten des Endkunden?

Sie betrachtet aber leider nur eine Seite der Medaille. Ich hätte mir gewünscht, dass nicht nur die Frage, „welche Form des Einkaufs unter Berücksichtigung unterschiedlichen Kundenverhaltens welche Emissions- und damit welche Klimaeffekte hat“, aufgeschlüsselt wird. Vielmehr hätte ich mir eine Verknüpfung beider Welten gewünscht und darauf hin den erwähnten Mittelweg.

So sagt die Studie zum einen aus, dass im Hinblick auf die Retourenquote sich zeigt, „dass die These, eine relativ hohe Retourenquote bedeute gleichzeitig eine starke Umweltbelastung, zumindest im Hinblick auf die CO2 -Emissionen gestützt werden kann.“ Zum anderen werden dem Onlinehandel dahingehend gegenüber dem stationären Einzelhandel nur Vorteile genannt (Kauf inklusive Retoure).

Insgesamt ist die Studie allerdings positiv zu sehen und kann als Gegenmittel beziehungsweise Argumentation „pro E-Commerce“ gezogen werden; auch wenn auf insgesamt 127 Seiten die Studien-Auftraggeber Otto Group und der zur Otto Group gehörende Versandspezialist Hermes immer wieder herausklingen.

Was gelungen ist, sind die einzelnen Zusammenfassungen der Hauptpunkte. Als Beispiel habe ich die im Detail identifizierten fünf Ansätze angehängt, die dem Ziel der Minderung von CO2 -Emissionen aus den Transportwegen von Produkten zuträglich sind. Andere Szenarien sind unter E-Commerce der Zukunft: vier Szenarios auf einen Blick aufgelistet.

  • Transparenz schaffen: Unternehmen können dafür sorgen, dass sich Standards (klimafreundlicher Versand, klimafreundliche Verpackungsmaterialien, Recycling) durchsetzen und diese vor allem auch dem Kunden verständlich zugänglich machen, um bewusstes Handeln zu lenken und Vorbehalte abzubauen.
  • Logistikketten optimieren: Um CO2-Emissionen signifikant zu reduzieren, müssen auf der einen Seite Strecken optimiert und auf der anderen Seite Verkehrsmittel ersetzt werden. Eine klimafreundlichere Alternative im Vergleich zu Lkws stellt bspw. der Eisenbahnverkehr dar. Dieser ist jedoch nur bedingt nutzbar, da erhebliche Vor- und Nachläufe auf dem Verkehrsträger Straße die mangelnde Flexibilität der Schiene ausgleichen müssen.
  • Verkehrsmittelwahl ändern: Die effiziente Verkehrsmittelwahl nimmt allerdings nicht nur die Logistikdienstleister und Handelsunternehmen in die Pflicht, sondern adressiert auch die Konsumenten. Können die Endkunden dazu animiert werden, weniger mit dem Pkw zu fahren und stattdessen zunehmend öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen oder auf das Fahrrad umzusteigen, würde dies ebenfalls erheblichen Einfluss auf den Klimaschutz haben. Dazu müssen Handelsunternehmen bspw. bei ihrer Standortwahl die Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln miteinbeziehen und ggfs. Konzepte entwickeln, wie die Kunden dazu bewegt werden können, diese entgegen ihren bisherigen Gewohnheiten zu nutzen.
  • Retouren reduzieren: Wenngleich auf Basis der Berechnungen gezeigt werden kann, dass der hohe Anteil an Rücksendungen im Onlinehandel die Nachteile des stationären Einzelhandels im Hinblick auf die Klimafreundlichkeit nicht übersteigt, besteht ein signifikanter Hebel darin, die CO2-Emissionen im Onlinehandel dadurch weiter zu senken, dass Retouren reduziert werden. Zentral sind dabei eine aussagekräftige Visualisierung des Produktes schon beim Kauf, wie etwa gute Fotos und Anwendervideos sowie realistische und hochpräzise Produktbeschreibungen.
  • Mehrfachanfahrten vermeiden: Um zusätzliche CO2-Emissionen zu reduzieren, können Konzepte entwickelt und angewandt werden, die Mehrfachanfahrten eines Kunden, wenn dieser nicht erreichbar ist, vermeiden. Ein Beispiel und eine zwischen Paketzustellern verbreitete Maßnahme ist die Abgabe des Pakets bei einem Nachbarn oder an einem vom Kunden angegebenen Wunschort. Weitere Möglichkeiten sind die Einrichtung von Paketstationen, an denen sich der Kunde sein Paket selbst zu einem beliebigen Zeitpunkt abholen kann, oder Paketkästen, die an dem Haus des Kunden angebracht sind. Zudem stellt eine weitere mögliche Maßnahme in diesem Bereich die Auslieferung gebündelter, größerer Sendungsmengen an die PaketShops, d.h. eine Verdichtung der Warenströme, dar.