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Bei der allgegenwärtigen Berichterstattung über die Kursschwankungen von Bitcoin, spektakulären ICOs und den neuesten Hacks von Börsen für Kryptowährungen besteht die Gefahr, dass das zentrale Versprechen der Blockchain-Technologie übersehen wird. Die Revolution in der Art und Weise, wie wir Werte im Internet transferieren.

Blockchain ist nicht gleich Bitcoin

Vor einigen Wochen lud die Karlsruher IT-Sicherheitsinitiative  zu einem Vortrag zum Thema Blockchain ein. Wie so oft bei öffentlichen Vorträgen zu diesem Thema wurde das Phänomen der Blockchain-Technologie vor allem an dem Beispiel von Kryptowährungen wie Bitcoin erklärt. Das ist einerseits verständlich, da Kryptowährungen wie Bitcoin der, mit Abstand, bekannteste Anwendungsfall dieser Technologie sind und sich viele Grundlagen der Technologie damit gut darstellen lassen. Andererseits ist jedoch schade, dass sich die Diskussionen im Anschluss der Vorträge sehr stark auf die Bewertung dieser alternativen Währungsform fokussieren. Oft entsteht die Gleichung Blockchain = Bitcoin und damit wird das zentrale Versprechen der Blockchain oft nicht verstanden.

Dezentral versus Plattform

Blockchain lässt sich als nächster evolutionärer Schritt der Internettechnologie verstehen. Die erste Generation des Internets hat den Informationsaustausch revolutioniert. Mit Web 2.0 zogen internetbasierte Anwendungen und soziale Netzwerke in unseren Alltag ein. Das zentrale Versprechen der Blockchain ist es nun, den Wertetransfer über das Internet zu revolutionieren. Die Grenze zwischen Konsumenten und Produzenten ist bereits heute fließend. Jeder kann seine Güter und Dienstleistungen online anbieten, Filme oder Musik vertreiben oder gar seine Wohnung tageweise vermieten. Zur Abwicklung dieser Transaktionen brauchen wir jedoch immer einen Vermittler. Das ist einerseits mit Kosten verbunden und hat andererseits dazu geführt, dass relativ wenige Plattformbetreiber Unmengen an Daten über uns in ihren Rechenzentren ansammeln. Die oftmals kostenlos angebotenen Dienstleistungen zahlen wir damit, dass wir unsere Daten der Werbebranche zur Verfügung stellen. Hinzu kommt die Macht, über die Inhalte auf den Plattformen zu entscheiden.

Wertetransfer ohne Intermediäre

Die Blockchain-Technologie macht diese zentralen Vermittler überflüssig, indem Transaktionen direkt zwischen den Teilnehmern (Peer-to-Peer) in einem dezentralen Netz ermöglicht werden. Die Teilnehmer eines Blockchain-Netzwerkes sind über ein dezentrales, verteiltes Netzwerk miteinander verbunden. Jeder Teilnehmer ist im Besitz eines Kontobuches, welches alle Transaktionen zwischen den Teilnehmern enthält. Transaktionen werden blockweise gespeichert und unveränderbar aneinandergereiht. Dadurch erhält jede Transaktion einen eindeutigen Zeitstempel. Starke kryptografische Verfahren und die dezentral gehaltenen Kopien stellen die Unveränderbarkeit der Transaktionen sicher. Auf dieser Datenbasis können alle Teilnehmer des Netzwerks neue Transaktionen validieren und so Missbrauch verhindern. Transaktionen in einem solchen Netzwerk sind nachvollziehbar und beweisbar, ohne dass ein zentraler Intermediär darüber wacht. Man kann die Blockchain-Technologie als ein Transaktionsprotokoll sehen, mit dem Vertrauen technisch hergestellt wird. Die Teilnehmer können daher mit völlig unbekannten oder gar anonymen Akteuren Transaktionen abwickeln.

Smart Contract – der programmierte Vertrag

Komplexe Regelwerke können in Blockchain-Netzwerken durch sogenannte Smart Contracts abgebildet werden. Ein Smart Contract ist im Grunde genommen ein Computerprogramm, welches die Logik für die Abwicklung einer Transaktion enthält. In einem Smart Contract werden vordefinierte Transaktionsspielregeln automatisch überwacht und definierte Aktionen automatisch ausgeführt, wenn ein bestimmtes Ereignis eintritt. So gibt es beispielsweise schon die Möglichkeit sich gegen Flugausfälle oder Verspätungen zu versichern. Wenn der Fluggast eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat, prüft der Smart Contract automatisch den Anspruch auf eine Entschädigung, indem er verifizierte Flugdaten auswertet.

Mehrwerte für Unternehmen

Aus unternehmerischer Sicht bedeutet dies, dass man bereit sein muss, Geschäftsprozesse oder auch komplette Geschäftsmodelle völlig neu zu denken. Viele Unternehmen untersuchen bereits mögliche Anwendungsfälle. Mögliche Mehrwerte der Blockchain-Technologie im Unternehmenseinsatz sind unter anderem:

• Geringere Transaktionskosten, da klassische Vermittler wie Banken wegfallen
• Höhere Transaktionsgeschwindigkeiten durch peer-to-peer Abwicklung
• Höhere Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Transaktionen durch das zentrale Kontobuch
• Verteilte Datenkontrolle. Da alle Teilnehmer des Netzwerks Zugriff auf dieselben Daten haben und diese auch nach vorher vereinbarten Regeln ändern dürfen
• Höhere Transaktionssicherheit durch starke kryptografische Verfahren und den Wegfall eines „Single Point of Failure“

Technologie noch am Anfang

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele Bestandteile dieser Technologie noch in einem relativ frühen Entwicklungsstadium stecken. Produktive Anwendungen sind abseits der Kryptowährungen heute noch rar.

Im Gegensatz zu den großen Trends der letzten Jahre wie Cloud oder Big Data schreitet die Entwicklung der Blockchain-Technologie jedoch sehr schnell voran. Die früheren Evolutionsschritte des Internets wurden in Deutschland verpasst. Das lässt sich daran erkennen, dass keiner der aktuellen Global Player aus Deutschland kommt. Blockchain bietet nun eine weitere Chance und glücklicherweise gibt es bereits ein aktives Blockchain-Ökosystem in Deutschland. Dieses Momentum gilt es nun zu nutzen. Neben den Unternehmen ist aber auch der Staat gefordert, Rechtssicherheit für dezentrale Blockchain-Anwendungen zu schaffen und beim Setzen internationaler Standards eine Vorreiterrolle einzunehmen. Immerhin taucht der Begriff ‚Blockchain‘ schon sechs Mal im aktuellen Koalitionsvertrag auf. Bleibt zu hoffen, dass wir bald eine handlungsfähige Regierung haben, um Taten folgen zu lassen.