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Connected Cars sind auf unseren Straßen noch immer die Ausnahme und nicht die Regel. Dazu tragen unter anderem eine schlecht ausgebaute Infrastruktur sowie fehlende Standards bei. Doch bald schon könnte sich das ändern, wie derzeit die Bestrebungen zahlreicher Automobilhersteller zeigen.

Vor einigen Wochen sorgte der chinesische Internet-Riese Alibaba mit einem Auto für Aufsehen. Ja richtig, mit einem Auto. Zusammen mit dem ebenfalls aus China stammenden Fahrzeughersteller SAIC Motor hat die Alibaba-Gruppe den Roewe RX5 entwickelt, der nach eigenen Angaben das erste serienreife Smart Car der Welt sein soll. Das Statement der Chinesen ist eindeutig: Seht her, während andere Technologiekonzerne wie Google und Apple noch mit Prototypen arbeiten, haben wir schon ein serienreifes vernetztes Auto im Angebot.

Alibaba hat im Prinzip nichts anderes gemacht, als sein bestehendes Linux-Betriebssystem YunOS in einen Kompakt-SUV zu integrieren. Durch YunOS erhält jeder Roewe RX5 eine eigene ID und kann so Zahlungen (Tank-, Park- oder Mautgebühren) vornehmen – bislang allerdings nur über den Alibaba-eigenen Bezahldienst AliPay. Außerdem kann das Auto Tickets für Veranstaltungen buchen und unterschiedliche Fahrer erkennen, wodurch beispielsweise personalisierte Musik- und Restaurant-Empfehlungen möglich werden.

YunOS soll beim Roewe RX5 als offene Plattform gestaltet werden, so dass Entwickler die Möglichkeit haben, die Fähigkeiten des Connected Cars nach und nach zu erweitern. Der Marktstart ist für August 2016 geplant, dann wird der smarte Kompakt-SUV für 20.200 Euro auf den heimischen Markt kommen.

Noch fehlt die Infrastruktur

Die Alibaba-Gruppe zeigt mit dem Roewe RX5, was im Connected Car-Bereich theoretisch heute schon möglich ist. Zugleich macht dieses Beispiel aber auch deutlich, welche Hürden die Fahrzeugvernetzung noch zu nehmen hat.

Mit dem Begriff Connected Cars werden Fahrzeuge bezeichnet, die mit einem Internetzugang ausgestattet und zum Informations- und Datenaustausch mit Smartphones, Tablets oder auch Drittanbietern von Soft- und Hardware fähig sind. Fahrer von Connected Cars können in Echtzeit Daten über Unfälle, Geschwindigkeitsübertretungen oder auch den Zustand ihres Fahrzeugs erhalten, aber auch Entertainmentangebote für ihre Mitfahrer herunterladen. (STATISTA)

Die Grundvoraussetzung für ein Conntected Car ist also die dauerhafte Verbindung zum Internet – und da gehen die Probleme schon los. Kaum ein Auto ist derzeit mit einem LTE-Modul ausgestattet. Einige Premium-Hersteller bieten diese Option zwar an, aber es bleibt eben eine Option. Hat man sich für diese entschieden, muss man im nächsten Schritt noch einen Mobilfunkvertrag für sein Fahrzeug abschließen, denn ohne mobile Daten – die in Deutschland verglichen mit anderen Ländern sehr teuer sind – geht gar nichts. Allerdings sind nur wenige Autokäufer bereit, im Monat zusätzlich 30 Euro zu bezahlen, nur um während der Fahrt Musik streamen oder einen Video-Anruf tätigen zu können.

Ganz davon abgesehen: Auf vielen deutsche Autobahnen erinnert das mobile Internet eher an einen verkehrsberuhigten Bereich. Man könnte auch von EDGE-Land sprechen. Immerhin testen die Deutschen Telekom, Audi, Huawei, Toyota und weitere Automobilhersteller momentan auf der A9 den LTE-Vehicular-Standard, eine LTE-Variante, die für Connected Cars entwickelt wurde.

Um die Akzeptanz von vernetzten Autos zu steigern, müssen somit erst einmal zwei Dinge gewährleistet sein: ein flächendeckendes LTE-Netz und Fahrzeuge, bei denen ein LTE-Modul inklusive Daten-Flatrate zur Serienausstattung gehören. Von beidem sind wir derzeit in Deutschland noch weit entfernt.

Einheitliche Standards müssen geschaffen werden

Nun sind also alle Autos mit dem Internet verbunden – und dann? Dann müssen erst einmal entsprechende Standards geschaffen werden. Der Roewe RX5 etwa nutzt für sämtliche Bezahlvorgänge das Alibaba-eigene Alipay. Wer dort nicht angemeldet ist, kann mit seinem Auto auch nichts bezahlen. Selbiges gilt, wenn man dort zwar registriert ist, aber beispielsweise ein Parkhausbetreiber diese Bezahlmethode nicht unterstützt.

PayPal, Apple Pay, Google Wallet – es gibt unzählige Online-Bezahldienste und es wird schwierig, die Autofahrer von dem Nutzen eines smarten Autos zu überzeugen, solange man sich noch darüber Gedanken machen muss, welches Auto welchen Bezahldienst nutzt und unklar ist, wo dieser überhaupt akzeptiert wird. Gerade in Deutschland, wo vielerorts selbst die Bezahlung mit der EC-Karte unmöglich ist, dürfte das die Hersteller vor eine ganz besondere Herausforderung stellen.

Das Beispiel der Bezahldienste macht indirekt auch das Dilemma deutlich, in dem die Automobilhersteller stecken: Jahrelang hat jeder sein eignes Süppchen gekocht. Anstatt auf Open Source hat man beim Infotainment auf proprietäre Plattformen gesetzt. Jeder hat seine eigenen Dienste entwickelt. Nun gewinnt allerdings das autonome Fahren zunehmend an Bedeutung – und jedem ist klar, dass selbstfahrende Autos nur dann zur Realität werden können, wenn alle Fahrzeuge miteinander kommunizieren können und nicht nur die derselben Marke.

Das hat nun erste Konsequenzen:

  • 2015 haben Audi, BMW und Daimler gemeinsame Sache gemacht und von Nokia den Kartendienst HERE gekauft.
  • Volkswagen arbeitet zusammen mit LG an einer Connected Car-Plattform
  • BMW kooperiert mit Intel und Mobileye.
  • Fiat Chrysler zahlt Hacker-Prämien, um Sicherheitslücken frühzeitig ausmerzen zu können, da gerade in Ländern wie Deutschland das Thema Datenschutz eine echte Hürde für Connected Cars darstellt.

Freilich kooperieren die Autohersteller noch immer nicht in dem Maße, wie es vielleicht wünschenswert wäre, aber immerhin scheint man sich langsam bewusst zu werden, dass die Vernetzung des Individualverkehrs nur gemeinsam und vor allem auch in Kooperation mit den Technologiekonzernen gelingen kann.