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Das kanadische Unternehmen BlackBerry erfährt derzeit eine Art Renaissance, zumindest gefühlt. Gefühlt, weil das Unternehmen lediglich bei ihren Smartphones den Trend verschlafen hat – jetzt aber langsam aus der wirtschaftlichen Starre erwacht. Denn neben den Smartphones Priv und dem Passport ist speziell das naheliegende Segment „Smart Car“ für die Kanadier eine altbekannte Spielwiese. Mehr noch: Mit ihrem QNX-System spielt das Urgestein mittlerweile in der Champions League der Car-Automatisierung und -Kommunikation.

Ich möchte dem Unternehmen BlackBerry meinen Respekt zollen. Eigentlich wirtschaftlich am Ende, kommen die Kanadier Schritt für Schritt aus der Krise und zaubern dabei, 2015, noch zwei innovative Smartphones aus dem Hut. Nebenbei hat das Unternehmen damit begonnen, sich ohne fremdes Geld selbst zu sanieren. Ein kurzer Rundumschlag in Richtung Smart Car zeigt auf, was in Zukunft von BlackBerry zu erwarten ist – einiges hat das Unternehmen 2014 bereits auf der O’Reillys-SOLID-Konferenz anklingen lassen, was letztlich bereits oder zum Teil umgesetzt worden ist.

Apple und Google brauchen BlackBerry & QNX-System

Als BlackBerry 2010 das QNX-System von Harman International aufkaufte, waren fahrerlose Transportsysteme noch recht unspektakuläre Fahrzeuge. Man fand diese in geschlossenen GRIDS vor, gesteuert von sogenannten Materialflusssteuerungen. Heutzutage sieht es zwar „noch“ unverändert aus, doch mittlerweile versuchen sich Unternehmen wie Google, Tesla und Apple daran, unsere Straßen zu erobern. Da sich die Eroberung der äußeren Infrastruktur (Straßenverkehrsordnung, Kataster) schwieriger als gedacht erweist, konzentrieren sich die Unternehmen (Apple, Google) auf das Innenleben. So ist das Interieur eines modernen Fahrzeugs mittlerweile vollgestopft mit Sensoren, Schnittstellen und Monitoren. Apple und Google beispielsweise wollen mit Biegen und Brechen ihre mobilen Betriebssysteme im Auto integrieren: Maps, Sprachsteuerungen wie Siri und Google Now oder die hauseigenen Musik-Streaming-Dienste sind nur die ersten Gehversuche, das Wageninnere zu digitalisieren.

Ohne Hilfe werden es die Unternehmen allerdings nicht schaffen. Denn was damals das Embedded-System von Microsoft übernommen hat, übernimmt in vielen Fällen bereits das QNX-System von BlackBerry. Auch Apple und Google setzen auf das QNX-System, notgedrungen. Ein eigenes System können beide nämlich nicht vorweisen. Auch Chip-Hersteller Intel will mehr Forschung, Zeit und Geld in die automatisierte Fahrzeugtechnologie investieren. Eine Kooperation mit QNX zeigt das Vertrauen in die Technologie – die mittlerweile auch außerhalb des Autos Früchte trägt.

In der Praxis: Wird ein Smartphone angeschlossen, egal welcher Hersteller oder Betriebssystem, übernimmt etwa Android Auto oder CarPlay das zentrale Display und ermöglicht die Navigation mit Google oder Apple Maps. Auch andere Funktionen des jeweiligen Smartphones werden automatisch integriert beziehungsweise auf das Auto-Display übertragen. Gekoppelt wird dabei klassisch per Bluetooth. Dabei agiert das QNX-System als ein klassisches proprietäres Betriebssystem – genauso wie Windows. Lediglich der Quellcode des Kernels ist einsehbar und für den privaten Gebrauch sogar kostenlos. Der Benutzer sieht im Auto vom BlackBerry-Betriebssystem allerdings nichts, auch kann er nicht auf Code oder anderen Software-Schnipseln zugreifen. Dass wollen die meisten Fahrer beziehungsweise Nutzer aber auch nicht.

„QNX hat als Anbieter von Automotive-Betriebssystemen und mit seinen über 30 Jahren Erfahrung mit sicherheitskritischen, lebenswichtigen und hochverfügbaren Systemen einen entscheidenden Vorteil, wenn es darum geht, den Automobilherstellern und ihren Zulieferern eine sichere Basis für den Übergang zum automatisierten Fahren zu bieten. Mit dem QNX-System und einem wachsenden Ökosystem von Partnern im Bereich ADAS (Fahrerassistenzsysteme) ist das Unternehmen bestens aufgestellt für die weitreichendste und aufregendste Umwälzung in der Geschichte der Automobilindustrie: das selbstfahrende Auto.“

John Wall, QNX Software Systems

QNX-System: Connected-Car-Services bestimmen die Zukunft des Autos

Grundsätzlich zeigt sich eine große Generationsübereinstimmung beim Thema Sicherheit im Straßenverkehr. Jeweils rund zwei Drittel würden Stau- und Spurwechselassistenten sowie Kollisionsschutzsysteme nutzen. Navigationsservices wie Routenplanung, Parkplatzsuche und Umgebungsinformationen sind für fast 50 Prozent der Jüngeren relevant. So zumindest eine groß angelegte Studie aus dem Hause Deloitte. Große Unterschiede gibt es hingegen bei Kommunikation, Entertainment und Fahrzeugmanagement. Zwischen 30 und 41 Prozent der 18- bis 29-Jährigen möchten diese Angebote nutzen. Mehr als 40 Prozent über 30 sehen im Unterhaltungsbereich hingegen keine sinnvollen Services.

Ausblick: mehr Datenschutz, mehr Sicherheit, mehr Glaubwürdigkeit

Egal, die Erfahrung des BlackBerry-Systems QNX spielt am Ende die entscheidende Rolle, beschreibt derzeit auch den Ist-Zustand. So wird es bei vielen Navigations- und Infotainment-Systemen bereits als Betriebssystem eingesetzt. Hersteller wie Volkswagen, Audi und BMW sowie Porsche und Ford nutzen bereits QNX. Alternativen gibt es bislang keine, zumindest sind mir keine nennenswerten bekannt. Eine interessante Herangehensweise zeigte Bosch auf der CES 2016. Das Unternehmen zeigte einen haptischen Touchscreen – welche Software dahinter agierte, ob es eine Eigenentwicklung ist, ist nicht bekannt. Wie sich die Systeme allerdings verändern werden, zeigte der Prototyp auf der Messe eindrucksvoll. Ein anderes Beispiel oder vielmehr die kommende Herausforderung kommentiert QNX selbst. „Autos werden mit immer mehr Sensoren ausgerüstet, und die digitalen Kombi-Instrumente der nächsten Generation müssen in der Lage sein, dem Fahrer die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt zu zeigen. Kombi-Instrumente, die Daten kontextabhängig bereitstellen können – etwa eine Geschwindigkeitswarnung, wenn sich der Fahrer einer scharfen Kurve nähert – steigern Sicherheit und Komfort beim Fahren“, so das Unternehmen.

Keine Frage, Connected-Car-Services bis hin zu autonomen Fahrzeugen sind die nächsten Evolutionsstufen der Automobilindustrie. Angesichts der IT-Konkurrenz erwarten die etablierten Hersteller große Aufgaben. Sie müssen sinnvolle Services sowie attraktive Preis- und Bezahlmodelle entwickeln und diese für Kunden erfahrbar machen. Sie können dabei auf ihre hohe Glaubwürdigkeit beim Thema Datenschutz bauen. Transparent sollten sie dennoch machen, wie und welche persönlichen Informationen sie nutzen. Ansonsten laufen sie Gefahr, zum Zulieferer oder ganz vom Markt verdrängt zu werden. BlackBerry wird meines Erachtens nicht zu diesen Unternehmen gehören.