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Die Digitalisierung verändert Wirtschaft und Gesellschaft in gewaltigem Ausmaß. Es fallen immer größere Datenmengen bzw. -ströme bei den Unternehmen an, die größtenteils bei bzw. von Kunden (aber auch von Geschäftspartnern) generiert werden (z. B. Klickverhalten auf Internetseiten, Beschwerdeinformationen, Feedback zu Produkten oder Dienstleistungen) und den Firmen die Chance bieten, den Kunden mit seinen Bedürfnissen besser zu verstehen.

Im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung verlieren dadurch viele etablierte Geschäftsmodelle, die bisher den Erfolg des Unternehmens gewährleistet haben, an Profitabilität. Langfristig müssen etablierte Unternehmen zunehmend in innovative, digitale Geschäftsmodelle investieren. Viele Unternehmen stellen sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie sie aus intern und extern verfügbaren Daten Mehrwerte generieren und neue oder veränderte Geschäftsmodelle entwickeln können. Um eine Abgrenzung gegenüber Wettbewerbern zu erreichen, sind datenbasierte Geschäftsmodelle eine der wichtigsten Entwicklungen der vergangenen Jahre. Potenziale hierfür werden besonders durch neue Möglichkeiten der Technologieentwicklung, Datenauswertung (Data Analytics) und der Verwendung großer Datenmengen (Big Data) erzeugt.

Die Märkte für datenbasierte Dienstleistungsangebote sind noch vergleichsweise jung. Dies ist ein Hauptgrund, weshalb derartige Geschäftsmodelle bisher nur selten und in wenigen Ausprägungen bei Unternehmen zu beobachten sind. Zudem stellt das Arbeiten mit Daten und Analytics für den deutschen Mittelstand schon jetzt eine besondere Herausforderung dar: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) können sich meist operativ nicht mit Vorrang mit dem Potenzial datenbasierter Geschäftsmodelle beschäftigen, da diese Unternehmen oft keine eigenen Abteilungen für Dienstleistungsinnovation besitzen, welche sich mit diesen strategischen Themen auseinandersetzen. Zudem verfügen KMU mitunter auch gar nicht über entsprechende Experten für die aufkommenden, relevanten Digitalthemen sowie über weniger gut ausgebaute Schnittstellen zu Forschungseinrichtungen und Universitäten, als dies Großunternehmen und Konzerne tun. So herrscht bezüglich des Potenzials und des Einsatzes von Daten in Geschäftsmodellen großer Wissensbedarf. Das Ziel des Projektes „BigDieMo – Big Data Dienstleistungsgeschäftsmodelle“ war in diesem Zusammenhang die Entwicklung eines Werkzeugkastens zur Gestaltung von datenbasierten Dienstleistungen für KMU.

Daten in Geschäftsmodellen

Ein Geschäftsmodell kann durch die drei Dimensionen Werterzeugung, Wertversprechen und Werterfassung beschrieben werden:

• Die Werterzeugung (value creation) zeigt auf, wie die Ressourcen des Unternehmens verteilt und eingesetzt werden.
• Das Wertversprechen (value proposition) definiert, welchen übergeordneten Mehrwert und Nutzen der Kunde durch die Interaktion mit dem Unternehmen erhält.
• Die Werterfassung (value capturing) legt fest, wie das Unternehmen aus dem Wertversprechen an den Kunden eine funktionierende Ertragsmechanik etabliert bzw. auf welche Art ein Unternehmen in Interaktion mit dem Kunden tritt.

Datenbasierte Innovationen können auf unterschiedliche Art und Weise auf ein Geschäftsmodell und seine drei zentralen Komponenten einwirken. Auf Basis von über 100 verschiedenen Praxisbeispielen wurde im Rahmen von BigDieMo die Transformation von Geschäftsmodellen durch datenbasierte Innovationen untersucht. Dabei wurden spezifische Transformationsmuster identifiziert:

Datenbasierte Werterzeugung: Analyse von Kunden- und Unternehmensdaten, um die Effizienz von Unternehmensprozessen zu verbessern. Dabei betreffen die Veränderungen der Werterzeugung den Kunden nicht direkt, da diese nur innerhalb der Unternehmensgrenzen vorgenommen werden.
Datenbasierte Werterfassung: Datennutzung, um neue Kunden oder Märkte für bestehende Angebote zu identifizieren, ansprechende Ertragsmodelle für den Kunden zur Verfügung zu stellen (bspw. Flatrate-, Nutzungsgebühr) oder eine Individualisierung der Preissetzung vorzunehmen.
Datenbasiertes Wertversprechen: Existierende Produkte oder Services können mithilfe von Daten um ein erweitertes Wertversprechen verbessert werden.
Neue datenbasierte Geschäftsmodelle: Unternehmen nutzen Daten und deren Auswertung, um die Werterzeugung, das Wertversprechen und die Werterfassung für ihre Kunden neu zu gestalten. Dies kann auf verschiedene Arten geschehen. Zum einem kann das Unternehmen an seinem Kerngeschäftsmodell festhalten und dieses mithilfe von Daten und Analytics in allen Bereichen verbessern. Zum anderen können Unternehmen ein ganz neues Geschäftsmodell etablieren, welches unabhängig von ihrem existierenden Geschäftsmodell besteht. Einige Daten, welche in ihrem existierenden Kerngeschäft entstehen, könnten etwa für andere Unternehmen von Interesse sein oder dazu genutzt werden ein völlig neuartiges datenbasiertes Geschäftsmodell zu etablieren. Dieses muss nicht zwingend Überschneidungen zu ihrem bestehenden Kerngeschäft aufweisen. In diesem Zusammenhang spricht man auch oft von „Data-as-a-Service (DaaS)“.

Herausforderungen für die Unternehmen

Die Innovation von datenbasierten Dienstleistungen konfrontiert Unternehmen mit unterschiedlichen Herausforderungen denen diese sich stellen müssen. Diese Herausforderungen betreffen die Bereiche Daten (Fähigkeiten zur Analyse und Interpretation von Daten, rechtliche Rahmenbedingungen etc.), Geschäftsmodell (geeignete Geschäftsmodelle für datenbasierte Dienstleistungen, Preismodelle für Daten etc.), interne Prozesse (Entwicklung geeigneter Prozesse für die Innovation datengetriebener Dienste und Geschäftsmodelle etc.) sowie externe Partner (Klare Regelungen für die organisationsübergreifende Zusammenarbeit etc.).

Einordnung in den Innovationsprozess

Um eine Geschäftsmodellinnovation möglichst systematisch und strukturiert anzugehen, kann die Entwicklung, Einführung und Administration eines Geschäftsmodells in sechs unterschiedliche Phasen eingeteilt werden.

BigDieMo
(Bild: BigDieMo)

Innerhalb dieses Innovationsprozesses leistet der BigDieMo-Baukasten vor allem in den frühen Phasen (Initiierung & Ideenfindung) einen Beitrag für die Entwicklung von datenbasierten Geschäftsmodellen. Mithilfe des methodischen Baukastens soll hierbei die iterative Entwicklung von Dienstleistungsangeboten auf Basis von Workshops unterstützt werden. Die verschiedenen bereitgestellten Werkzeuge adressieren dabei jeweils unterschiedliche Aspekte eines Geschäftsmodells.

Werkzeuge zur Entwicklung datenbasierter Geschäftsmodelle

Für die Arbeit an datenbasierten Geschäftsmodellen wurde mit dem BigDieMo-Baukasten ein Vorschlag für eine Abfolge und Auswahl von Werkzeugen entwickelt. Der Werkzeugbaukasten soll dabei eine Hilfestellung sein, von Ideen zu datenbasierten Dienstleistungen oder von vorliegenden Daten zu einem stimmigen Geschäftsmodell zu kommen.

Der BigDieMo-Baukasten umfasst insgesamt sechs Tools:
• Data Canvas – zur Erfassung und Strukturierung der vorhandenen und zugreifbaren Daten
• Value Proposition Canvas – Werkzeug zur Beschreibung eines Wertversprechens und seiner Komponenten
• Key Activity Canvas – Identifikation und Beschreibung der spezifischen Schlüsselaktivitäten
• Channels – Bestimmung der Angebotskanäle
• Revenue Model – Erarbeitung und Auswahl von Erlösmodellen
• Cost Structure – Erarbeitung von fixen, variablen, einmaligen und wiederkehrend anfallenden Kosten

Key Activity Canvas – die wichtigsten Fakten

Welches Ziel wird verfolgt?
Die Schlüsselaktivitäten beschreiben die wichtigsten Dinge, die ein Unternehmen durchführen muss, um ein Geschäftsmodell erfolgreich umzusetzen. Zusammen mit den Schlüsselressourcen bilden sie die werterzeugende Komponente des Geschäftsmodells, die es letztendlich dem Unternehmen ermöglicht, seinen Kunden ein spezifisches Wertversprechen anzubieten. Es gibt dabei jedoch nicht die eine richtige Kombination von Schlüsselaktivitäten für ein Unternehmen. Vielmehr sind meist diverse Varianten denkbar. Das Tool hilft Unternehmen während ihres Innovationsprozesses dabei, die notwendigen Aktivitäten für ihr datenbasiertes Geschäftsmodell zu identifizieren und unterstützt dabei, verschiedene Kombinationsvarianten an Aktivitäten herauszuarbeiten und so unterschiedliche Geschäftsmodell-Konzepte zu entwickeln.

Wie lese ich das Tool?

Das Key Activity Canvas Tool stellt sicher, dass die notwendigen Handlungen innerhalb der fünf elementaren Phasen (Spalten) der datenbasierten Aktivitäten identifiziert werden:

1. Datensammlung: Wo liegen die Datenquellen für das Geschäftsmodell?
2. Datenorganisation: Wo werden die Daten für das Geschäftsmodell zusammengeführt und organisiert?
3. Datenvorbereitung: Daten müssen häufig erst aufbereitet werden, damit sie verwendet werden können.
4. Data Mining: Daten alleine bringen in der Regel keinen Mehrwert. Erst die Verknüpfung von Datenpunkten, eine technische Auswertung, liefert neue Erkenntnisse.
5. Interpretation: Welches Wissen kann man aus den Ergebnissen ableiten, die Data Mining Verfahren liefern? Dieses Wissen wird durch die Interpretation der Ergebnisse erlangt.
In jeder Phase wird zusätzlich unterschieden, wer diese Aktivität bereitstellen kann. Grundsätzlich kann zwischen intern und extern unterscheiden werden. Diese Unterscheidung kommt hier auch zum Einsatz. Zusätzlich wird extern nun durch Geschäftspartner oder Kunden konkretisiert.

Was wird an Material benötigt?
Im Vorfeld wird das Key Activity Canvas Tool als Ausdruck im DIN A0 oder DIN A1 Format benötigt. Zusätzlich hierzu werden Post-its sowie Marker benötigt.

Wie setzt man das Tool ein?
Füllen Sie das Key Activity Canvas Tool im Team aus. Jede Gruppe hängt eine Vorlage des Tools an eine Wand, so dass alle Teilnehmer gut daran arbeiten können. Das Tool wird nun phasenweise, von links nach rechts mit möglichen Aktivitäten gefüllt. Wichtig ist dabei: Der Fokus liegt darauf, möglichst viele potenzielle Aktivitäten in jeder Phase zu finden, die durch das Unternehmen selbst, Unternehmenspartner oder aber auch den Kunden ausgeführt werden können. Alle Ideen werden im Tool gesammelt. So entsteht eine Sammlung aller potenziell denkbaren Schlüsselaktivitäten. Nun wird das Tool noch einmal ab Phase 1 beginnend betrachtet und es wird für jede Phase ausgewählt, welche Aktivitäten hier innerhalb eines Geschäftsmodell-Konzepts durchgeführt werden können. Dieser Vorgang kann mehrfach ausgeführt werden, um unterschiedliche Geschäftsmodell-Ansätze zu entwickeln.

BigDieMo
(Bild: BigDieMo)

Das BigDieMo-Handbuch beschreibt die weiteren Werkzeuge des Baukastens und deren Nutzung. Ebenso werden im Handbuch die Geschäftsmodell-Transformationsmuster, der Innovationsprozess und die Herausforderungen für Unternehmen detaillierter erläutert und Fallbeispiele aus der Praxis beschrieben. Das Handbuch und der dazugehörige Werkzeugkasten werden Ende September 2018 innerhalb der BigDieMo Roadshows vorgestellt (nähere Informationen: www.bigdiemo.de ) und stehen im Anschluss kostenlos zur Verfügung.