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In 4000 Metern Tiefe vermessen die futuristischen Tauchdrohen aus den Fraunhofer-Laboren in der Karlsruher Oststadt vollautomatisch den Meeresboden. Nun haben es die Entwickler vom Team ARGGONAUTS des Fraunhofer Instituts für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB) mit ihrem innovativen Konzept als einziger deutscher Teilnehmer sogar bis ins Finale des mit sieben Millionen Dollar dotierten Forschungswettbewerbs Shell Ocean Discovery X-Prize geschafft.

Im Herbst müssen die neun Endrundenteilnehmer ihre Prototypen unter realen Bedingungen einsetzen und innerhalb von 24 Stunden eine Fläche von 500 Quadratkilometern Tiefseeoberfläche möglichst präzise erfassen sowie einige hochauflösende Bilder vom Meeresgrund schießen. „Bis dahin haben wir noch jede Menge Arbeit vor uns“, betont Gunnar Brink vom IOSB. „Denn im Finale müssen die Drohnen ohne jegliche menschliche und technische Unterstützung zurechtkommen“. Trotzdem sieht der Projektleiter die Chancen der ARGGONAUTS auf ein gutes Abschneiden durchaus vorhanden. „Natürlich lässt sich die Konkurrenz noch nicht allzu sehr in die Karten blicken“, sagt Brink. „Aber ein Platz unter den ersten Vier ist sicherlich realistisch“.

Sieger winkt ein Preisgeld von vier Millionen US-Dollar

Im Halbfinale haben die Tauchdrohnen des Fraunhofer IOSB die gestellten Aufgaben bereits mit Bravour gemeistert. Die technischen Anforderungen wurden in sämtlichen Sparten ebenso erfüllt. Außerdem erbrachten die Prototypen den Nachweis, dass sie innerhalb von 16 Stunden eine Fläche von 100 Quadratkilometern Meeresgrund in 2.000 Metern Tiefe kartieren können. Zur Vorbereitung auf die Vorschlussrunde waren die Wissenschaftler des Team ARGGONAUTS im November 2017 extra nach Laredo an der nordspanischen Atlantikküste gefahren. „Das war unser einziger echter Tiefseetest. Deshalb waren wir auch extrem erleichtert, dass im Halbfinale alles so reibungslos geklappt hat“, berichtet Brink. Insgesamt 32 Teams hatten sich für den dreijährigen Wissenschaftswettbewerb beworben. Veranstalter ist die vom amerikanischen Luftfahrtingenieur Peter Diamonds gegründete X-Prize Foundation. Finanziert wird der Tauchdrohnenwettstreit vom britischen Ölkonzern Shell und der US-amerikanischen National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA). Dem Sieger winkt ein Preisgeld von vier Millionen US-Dollar.

Herzstück des ARGGNONAUTS-Konzepts sind die fünf elektrisch angetriebenen Tauchdrohnen mit dem klingenden Namen „Great Divers“. (Bild: Fraunhofer Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung (IOSB))

Autonome Tauchdrohnen werden von elektrisch angetriebenen Katamaranen zum Einsatzort geschleppt

Herzstück des ARGGNONAUTS-Konzepts sind die fünf elektrisch angetriebenen Tauchdrohnen mit dem klingenden Namen „Great Divers“. Diese selbst entwickelten, zweieinhalb Meter langen U-Boote werden von den ebenfalls elektrisch angetriebenen Katamaranen „Water Striders“ zum jeweiligen Einsatzort geschleppt und dann in Richtung Tiefsee verabschiedet. Weil unter Wasser keine GPS-Ortung möglich ist, setzen die IOSB-Experten bei der Positionsbestimmung auf den Einsatz von Schallwellen. Weil jede Drohne gleich mit mehreren Oberflächenfahrzeugen kommunizieren kann, ist laut Brink eine extrem präzise Positionsbestimmung möglich.

Für die Vermessung des Meeresgrunds hat jeder „Great Diver“ noch ein Sonarsystem, eine leistungsfähige LED-Blitzanlage sowie vier Spezialkameras mit Zeiss-Objektiven an Bord. Eine echte Herausforderung bedeutete nach Brinks Erfahrung auch die Entwicklung eines Systems zum automatischen Einsammeln der Drohnen an der Wasseroberfläche. „Bei hohem Wellengang sind die Drohnen schon nach wenigen Metern kaum zu erkennen. Die Bestimmung der exakten Position und das direkte Ansteuern sind deshalb ein überaus schwieriges Unterfangen“, beschreibt Brink das Problem. Die pfiffige Lösung der Karlsruher Wissenschaftler war in diesem Fall ein mehrere Meter langes Seil mit einem Haken. Jeder „Water Strider“ zieht ein solches Fangseil hinter sich her und umkreist damit nach der ersten groben Positionserfassung seinen „Great Diver“-Tandempartner. Weil der Katamaran die Tauchdrohne in immer enger werdenden Spiralen umkreist, wird der „Great Diver“ am Ende dieses Prozesses einfach eingehakt und anschließend zur Auswertung der gesammelten Daten an Land gezogen. Und auch eine weitere Wettbewerbsvorgabe, nämlich dass die gesamte Ausrüstung in einem Standard-Frachtcontainer transportiert werden könne, wurde von den Karlsruher Wissenschaftlern dank intensiver Tüftelarbeit mit Bravour gemeistert.

Kostengünstige Kartierung des Meeresgrunds

Mit dem Einsatz von autonomen Tauchdrohnen soll nach Brinks Einschätzung vor allem die Kartierung des Meeresgrunds in den kommenden Jahren vorangetrieben werden. „Die Vermessung der Welt wurde bekanntlich schon vor 200 Jahren durch Alexander Humboldt und Carl Friedrich Gauß vorangetrieben. Aber noch immer sind die über 70 Prozent der von Wasser bedeckten Erdoberfläche quasi unerforscht“, betont Brink. Bislang ist die detaillierte Kartierung des Meeresbodens nämlich noch mit extrem hohen Kosten verbunden.

„Der Einsatz eines Spezialbootes mit qualifizierter Besatzung schlägt schnell mit mehreren zehntausend Euro pro Tag zu Buche“, sagt Brink. Und dazu verfügten Organisationen wie die NOAA nur über einen Bruchteil des Budgets der Weltraumagentur NASA: „Die Erforschung des Weltraums genießt bislang offenbar höhere Priorität als die des Meeres“, so Brink. Laut der Wettbewerbsausschreibung ist mittlerweile sogar die Oberfläche des Planeten Mars besser kartiert als der Großteil der irdischen Tiefsee. Und in Europa gebe es noch nicht einmal ein entsprechendes Pendant zur Weltraumorganisation ESA.

„Konkrete Pläne für eine Ausgründung“

Beim Fraunhofer IOSB wird die Entwicklung der Tauchdrohnen übrigens unabhängig vom Ergebnis des X-Prize-Finales auf jeden Fall weitergeführt.

„Es gibt bereits sehr konkrete Pläne für eine Ausgründung“, sagt Brink. In einem entsprechenden Startup könnten Katamarane und U-Boote dann bis zur Serienproduktion gebracht und entsprechend vermarktet werden. „Das wirtschaftliche Interesse an solchen Systemen ist auf jeden Fall sehr hoch“, sagt Brink. Denn außer zur Kartierung des Meeresbodens könnten autonome Tauchdrohnen künftig auch Erfassung von Umweltschäden oder zur Suche nach wertvollen Rohstoffen eingesetzt werden. „Seltene Elemente wie Kobalt werden derzeit überall auf der Welt für die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus gesucht und über kurz oder lang werden solche Rohstoffe auch aus dem Meer gefördert„, prognostiziert Brink. Allerdings müssten vor einem industriellen Abbau von Rohstoffen noch zahlreiche umweltrechtliche Fragen geklärt werden.