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In dieser Woche präsentieren die Elektronikhersteller auf dem Mobile World Congress in Barcelona neue Smartphones, Tablets, Watches und andere Gadgets des digitalen Lifestyles. Auf der Liste der Verbraucher steht aber ein ganz grundsätzlicher Wunsch ganz oben: bessere Akkus.

Wer heute Anfang 20 ist, wird es vielleicht nicht anders kennen. Aber es gab mal Zeiten, da hielten Handy-Akkus problemlos eine Woche, im Standby-Modus auch noch länger. Heute ist es undenkbar, dass wir das Haus längere Zeit verlassen, ohne das Ladekabel im Gepäck zu haben oder zumindest sicher zu gehen, dass am Zielort passende Stecker für iPhone, Galaxy oder HTC One vorhanden sind.

Hochauflösende Touchscreens, Standortbestimmung und das mobile Datennetz fordern ihren Preis. Ein Blick in die Batterie-Analyse-App Normal zeigt für das iPhone 5S eine durchschnittliche Laufzeit von 15 Stunden und 53 Minuten. Auch die anderen Top-Smartphones halten unter Volllast kaum länger als einen Tag, obwohl die Geräte mit 3.000 Milliamperestunden (mAh) über ein Vielfaches der Akkukapazität der Millenium-Handys verfügen. Selbst die größeren Phablets haben Probleme, die 48-Stunden-Grenze zu knacken.

Mit neuen Funktionen und Geräteklassen kaschieren die Hersteller seit Jahren ihre Achillesverse. Auch auf dem Anfang März stattfindenden Mobile World Congress (2. bis 5. März 2015) in Barcelona stehen vor allem neue Smartphones, Tablets, Wearables und andere Produkte des digitalen Lifestyles im Fokus. Nach einer Umfrage des US-Magazins Fortune in Zusammenarbeit mit SurveyMonkey würden sich die Verbraucher lieber von etwas anderem beeindrucken lassen. 33 Prozent wollen weder schnellere Prozessoren noch Wearables, sie wollen mehr Power: bessere Akkus.

Frühere Zeiten wirken fortschrittlich

Fairerweise muss man sagen: Es gibt Fortschritte, allerdings nur sehr kleine. „Alles, was wir bekommen, und wenn es nur fünf Prozent sind, wird als Verbesserung verbucht“, sagt Ranveer Chandra, Leiter bei Microsoft Research. Diese zaghaften Verbesserungen stehen für den Nutzer in einem krassen Missverhältnis zu den offensichtlichen Fortschritten bei der Leistung, dem Einsatz von Sensoren und erweiterten Funktionen etwa durch Wearables. Die Technologie ist faszinierend, teilweise überfordernd, umso schwerer wiegt die Erkenntnis, dass beim Blick auf die Batterieanzeige frühere Zeiten fortschrittlich wirken.

Wer beispielsweise bei den letzten Keynotes von Apple auf ein „One More Thing“ gehofft hat, das einen Durchbruch bei der Stromversorgung verheißt, wurde enttäuscht. Stattdessen sagte CEO Tim Cook auch bei der Vorstellung der Apple Watch im September 2014 kein Wort zur Akkulaufzeit. Laut 9to5Mac plant Apple eine aktive Anwendungsbenutzung pro Ladezyklus zwischen zweieinhalb und vier Stunden. Für Nutzer, die Mobilität mit Freiheit und Fortschritt mit Power verbinden, ist diese Aussicht sowie eine kabellose Aufladestation mit Magnet kein Kaufargument. Noch weniger, wenn die Apple Watch mindestens 400 Euro kosten soll, nur bedingt ohne iPhone funktioniert und keine Innovation, sondern lediglich die Fortsetzung eines Trends darstellt.

Die Chemie spielt nicht mit

Eine Rolle für den Fortschritt im Schneckentempo spielt die Chemie: Aktuell kommen in Smartphones, Tablets, Laptops und anderen technischen Geräten überwiegend Lithiumionen-Akkus zum Einsatz. Sie basieren vereinfacht ausgedrückt auf dem Prinzip, dass Elektronen beim Ladevorgang als neutrales Lithium gespeichert werden. Beim Entladen wandern die Elektronen zurück zur Anode, die meist aus Kohlenstoff besteht. Besser wäre auch hier der Einsatz von Lithium.

Die Probleme und damit Grenzen des Verfahrens: Lithium entwickelt beim Laden Wärme und dehnt sich aus. Wissenschaftlern der Stanford Universität ist es jedoch gelungen, das Lithium mithilfe einer Schutzschicht aus Kohlenstoff-Waben zu stabilisieren. Im Labor erzielten die Forscher eine hohe Kapazität, längere Lebensdauer und entsprechende Sicherheit. Smartphones würden mit dem neuen Akku dreimal so lange laufen. Eine Marktreife ist jedoch nicht in Sicht. 

Einen anderen Ansatz verfolgt das israelische Start-up StoreDot. Mit Nanokristallen ist es den Entwicklern um Doron Myersdorf gelungen, die Elektronenbeweglichkeit in den Akkus so zu erhöhen, dass die Ladezeit sich deutlich reduziert. Für Akkus mit einem Ladespeichervermögen von 900 mAh – etwa ein Drittel der Kapazität des iPhone-6-Akkus – braucht die neue Technik genau eine Minute. Andererseits ist die Kapazität derzeit auch der Flaschenhals der Technologie. Auf der diesjährigen CES demonstrierte das Start-up zwar die Ladung eines Akkus mit 2.000 mAh in nur drei Minuten, allerdings war das Smartphone auch fünf Millimeter dicker als normal, um den Akku aufnehmen zu können. 2017 will das Unternehmen, das unter anderem von Samsung und dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch unterstützt wird, die Probleme gelöst haben. Bereits im kommenden Jahr will Myersdorf ein Elektroauto vorstellen, das sich in drei Minuten auflädt.

Große Sprünge erst in 10 bis 15 Jahren

Solche Berichte erhöhen natürlich die öffentliche Erwartung und setzen Hersteller und Forscher unter Druck. „So wird Fortschritt suggeriert, der nicht in der Form da ist. Derzeit müssen wir mit dem auskommen, was verfügbar ist“, erklärt Martin Wietschel, stellvertretender Leiter vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung. „Große Sprünge werden, was die Leistungsdaten angeht, erst mit kommenden Akku-Generationen möglich sein. Hier bewegen wir uns aber noch im Bereich der Grundlagenforschung. Lithium-Schwefel-Akkus, die in der Praxis etwa eine Verdoppelung der Energiedichte erlauben, werden noch 10 bis 15 Jahre auf sich warten lassen. Metall-Luft-Akkus, welche die Energiedichte sogar um den Faktor drei bis vier verbessern könnten, sind dann der nächste Schritt“, konkretisiert Wietschel.

Die Anwender müssen sich also in Geduld üben. Bis dahin helfen Backup Batterys in Notsituationen, Smartphones bis zu drei Mal wieder aufzuladen. Das Kickstarter-Projekt kraftwerk des Desdner Start-ups eZelleron bastelt sogar an einem Zusatz-Akku, der ein iPhone bis zu elfmal komplett aufladen soll. kraftwerk schöpft seine Energie aus Feuerzeuggas – eine Füllung soll nur drei Sekunden dauern. Im Innern sorgt eine Brennstoffzelle für die Umwandlung in Strom und Wasserdampf. Der Prozess, der auf den ersten Blick nur wenig hosentaschentauglich ist, ist so sicher, dass die US-amerikanische Flugsicherung FAA die Mitnahme im Handgepäck erlaubt. Das Ziel von 500.000 US-Dollar hat die Kampagne bereits weit überschritten. Läuft alles nach Plan, wird kraftwerk im Dezember 2015 für zirka 150 Dollar ausgeliefert.