Auf dem diesjährigen Materialflusskongress in München durfte ich einem Vortrag lauschen, der sich dem Projekt netkoPs, also den vernetzten kognitiven Produktionssystemen widmete. netkoPs versucht dabei, Produktionssysteme intelligent zu vernetzen, den Transport- und Handhabungssystemen die Selbstoptimierung beizubringen und bei der Gestaltung von cyberphysischen Systemmodulen behilflich zu sein. Die derzeit technischen Möglichkeiten lassen schon jetzt einen Blick in die Glaskugel zu: Das KIT ist als Förderer am Projekt beteiligt.
Der Saal war brechend voll und wir staunten nicht schlecht, als das Projekt netkoPs vorgestellt wurde. Einige Grafiken machten deutlich, welche Richtung die Industrie 4.0 einschlagen; welche Rolle dabei der Mensch spielen wird. So sprechen in der Fabrik der Zukunft Maschinen miteinander, Förderbänder denken mit und Produkte finden wie von selbst den besten Weg durch die Produktion. Und mittendrin bewegt sich der Mensch. Das Ziel: Produktionsprozesse flexibler machen und so die vierte industrielle Revolution entscheidend vorantreiben.
netkoPs: Die Maschinen übernehmen die Kontrolle
Die starre Produktion am Fließband könnte nach eigenen Angaben bald der Vergangenheit angehören. Künftig soll intelligente Fördertechnik darüber entscheiden, zu welcher Maschine ein Produkt gebracht wird. Förderbänder sprechen mit der Maschine und teilen ihr mit, welches Bauteil als nächstes festgeschraubt werden muss. Dieser Gedanke der Lean-Produktion funktioniert bereits in der Mensch-Maschine-Kommunikation hervorragend. Zudem werden Maschinen, die Hardware flexibler. Es gibt in Zukunft nicht mehr ein Förderlaufband, welches nur in eine Richtung fördert. In Zukunft werden Masken Installiert, die in der Lage sind, unterschiedliche Richtungen gleichzeitig anzusteuern.
[youtube video=Y0RSK5rXzik] Weitere Videos zum Forschungsprojekt CogniLog sind auf der offiziellen YouTube Seite zu finden (Video: CogniLog)
In Zukunft werden alle Beteiligten sogar flexibel auf Störungen reagieren. Warum letzteres enorm wichtig ist? Wenn heute eine einzige Maschine ausfällt, steht meist die ganze Produktion still. Schließlich ist genau festgelegt, auf welcher Route das Produkt die Fabrik durchläuft und in welcher Reihenfolge die einzelnen Produktionsschritte erledigt werden müssen. In der flexiblen Fabrik der Zukunft finden die Produkte wie von selbst den besten Weg. Ist eine Maschine durch einen anderen Auftrag belegt oder wird gerade gewartet, so bestimmt ein Verbund aus intelligenter Fördertechnik situationsabhängig eine neue Route zu einer alternativen Maschine. Staus und Produktionsausfälle könnten dadurch vermieden werden. Der Armeisenalgorithmus hat an der dahinter liegenden Funktionalität natürlich seinen Anteil. Ob auch das Cloudcomputing dabei eine Hauptrolle spielt, bleibt abzuwarten. Die Sicherheitsbedenken der Unternehmen, hinsichtlich offener Produktionswelten, sind „noch“ enorm.
Produktionskreislauf mit Informationsgehalt
Voraussetzung ist allerdings, dass alle Maschinen, Förderbänder und Flurförderzeuge miteinander vernetzt werden – und dass sie miteinander in einer Sprache kommunizieren können. Wenn beispielsweise der Gabelstapler ein Produkt an einen Gurtförderer übergibt, muss er ihm mitteilen können, um welches Produkt es sich handelt und zu welcher Maschine es gebracht werden soll. Das Förderband bringt das Produkt dann dorthin und gibt die Informationen wiederum an die Maschine weiter. Eine Art Kreislauf entsteht, eine Vision zur Wirklichkeit.
Nun kann man sich natürlich fragen, warum das alles? Warum müssen wir den Maschinen das „Denken“ beibringen? Der Ursprung der Überlegung liegt sicherlich in den zukunftsträchtigen Marktanforderungen, die mittlerweile auch vom Kunden mitbestimmt werden. Vom selbstgestalteten Turnschuh bis zur Sonderausstattung im Auto: Hersteller passen ihre Produkte immer stärker an individuelle Kundenwünsche an. So gibt es im Grunde nur noch individuelle Autos auf unseren Straßen – Standard war gestern. Das führt einerseits zu einer größeren Variantenvielfalt, also zu mehr Auswahl für den Kunden – und andererseits zu kleineren Losgrößen, also zu einer geringeren Zahl an baugleichen Produkten. Der Trend geht somit weg von der starren Massenproduktion am Fließband und hin zu flexiblen Fabriken, die schnell an Änderungen angepasst werden können – niedrige Rüstkosten verfolgen. Die Massen bleiben allerdings unberührt; und das ist dabei die eigentliche Herausforderung: individuell, flexibel aber in Massen.
Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung innerhalb des Rahmenkonzeptes Forschung für die Produktion von morgen gefördert und vom Projektträger Karlsruhe, Bereich Produktion und Fertigungstechnologien, betreut. Letzterer ist direkt am KIT untergebracht. Das Projekt läuft noch bis Oktober 2016 und dürfte, so zumindest meine Einschätzung, entweder verlängert werden oder in Teilstücken in die Wirtschaft fließen.