Die Digitalisierung hat das Teilen zum Geschäftsmodell erklärt. Die Sharing Economy bringt vielfältige Vorteile für ihre Teilnehmer – und zwingt andere zur Veränderung.
Schon von klein auf erfahren wir, dass sich Teilen lohnt. Jedes Kind kennt die Legende von Martin von Tours, der eine Hälfte seines Mantels einem Bettler überlässt und später heilig gesprochen wird. Auch Sprüche wie „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ oder „Geteilte Freude ist doppelte Freude“ zeigen uns früh, dass solche Handlungen eine wichtige Rolle in zwischenmenschlichen Beziehungen spielen, auch wenn der Nutzen nicht sofort ersichtlich ist. „Irgendwann zahlt sich das schon aus“, heißt es deshalb.
Diese Prägung hat das Teilen beziehungsweise das gemeinsame Nutzen einer Sache in unserer Gesellschaft stark verwurzelt. Und es fällt uns umso leichter, wenn wir eine Sache im Überfluss haben und eine Gegenleistung erwarten können. Stehen Geben und Nehmen in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang, lässt sich leicht ein Geschäftsmodell daraus formen. Klassisches Beispiel für eine Sharing Economy ist das Teilen von Fahrzeugen:
Der eine hat ein Auto, das er nur gelegentlich nutzt. Überlässt er den Wagen gegen Gebühr einem anderen, haben beide etwas davon: der Besitzer Geld, der Mieter eine Fahrgelegenheit. Kommt noch eine Plattform ins Spiel, die die beiden zusammenbringt, kann sie noch eine Provision einstreichen. Eine Win-Win-Win-Situation.
Von diesem Beispiel lassen sich aber auch noch weitere Vorteile ableiten: Ein Auto zu besitzen, das statistisch gesehen 23 Stunden am Tag rumsteht, ist eine Verschwendung von Ressourcen. Ein geteiltes Auto kann bis zu zehn Privatwagen ersetzen, die nicht produziert werden müssten. Nach einer Studie für das Umweltbundesamt könnte ein koordinierter Ausbau von Carsharing und öffentlichem Nahverkehr die klimaschädlichen CO2-Emissionen um mehr als sechs Millionen Tonnen pro Jahr senken. In einer Gesellschaft, in der Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein eine Rolle spielen, ist der ökologische Aspekt eine zusätzliche Motivation für das Teilen.
Carsharing als Innovationstreiber
Noch ist fraglich, inwieweit die Rechnung auch für die Automobilhersteller aufgeht, die hinter den Carsharing-Firmen stehen oder diese initiieren, darunter BMW (Drive now), Volkswagen (Quicar). Mercedes (Car2go) und Opel (CarUnity). Verkauft sich auch nur ein Auto mehr, weil durch das Carsharing ein bisher autoloser Kunde auf den Geschmack kommt und nun Besitzer werden möchte? Vielmehr ist Carsharing für die Hersteller die Chance, sich vom klassischen Dreiklang – Verkauf, After Sales und Finanzdienstleistung – zum Anbieter umfassender Lösungen im Bereich Mobilität zu bewegen.
Vorteil der Automobilhersteller: Sie können durch die Beteiligung an den Plattformen das Tempo der Entwicklung mitbestimmen. Problematisch wird es für Branchen, in denen das Sharing-Modell so schnell skaliert, dass bisher etablierte Dienstleister (zunächst) auf der Strecke bleiben. Airbnb ist das klassische Beispiel für ein disruptives Unternehmen. „Privatunterkünfte sind die Gewinner der Reisesaison 2014“, bestätigt Martin Buck, Direktor des Kompetenz-Centers Travel & Logistics der Messe Berlin, den Trend weg von der Hotelbuchung. Der Marktanteil der privaten Zimmervermittlung sei in den vergangenen fünf Jahren um 35 Prozent gestiegen.
Disruption und Monopolisierung
Auch der Fahrdienst-Vermittler Uber zeigt weltweit, dass der Lohn der Sharing Economy sehr ungleich verteilt sein kann. Gewinner ist vor allem der Plattformbetreiber, der die Bedingungen des Teilens quasi willkürlich festsetzen kann. Das betrifft einerseits die eigene Marge, andererseits die Preise, mit denen das eigene Angebot am Markt etablierte Taxi-Dienstleister schlägt. Wie alle erfolgreichen Internetfirmen hat auch Uber eine Konzentrationstendenz mit Monopolwirkung. Kritiker sprechen vom Plattformkapitalismus und fordern stärkere Markteintrittsbarrieren, um etablierte Unternehmen zu schützen. „Die Politik ist gefordert, hier noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, damit es nicht aus dem Ruder läuft“, sagt Sharing-Economy-Experte Daniel Bartel im Interview mit techtag.
Anders in Ländern mit niedrigem Lohnniveau oder weniger gut ausgebauter Infrastruktur: Hier ist Uber für Arbeitssuchende oder an einem Nebenverdienst interessierte durchaus interessant. Nach einem Bericht von Bloomberg Business verdient ein indischer Uber-Fahrer rund 80.000 Rupien im Monat, das entspricht 1.080 Euro – mehr als doppelt so viel wie ein Junior Retail Banker.
Die Sharing Economy kann ihre Teilnehmer auf vielfältige Weise entlohnen. Der größte Nutzen aber sind die Chancen für Menschen, an Ressourcen – Wohnraum, Fahrzeugen oder auch Wissen – teilzuhaben, die ihnen zuvor verwehrt oder nur durch großem (finanziellen) Aufwand möglich gewesen sind. Nicht umsonst heißt es: Sharing is caring.