Der Dieselskandal schlägt hohe Wellen. Fahrverbote werden angemahnt. Eine Quote für Elektroautos steht im Raum. Ob die mediale Zerlegung des Diesels die Elektromobilität aber tatsächlich voranbringt, ist fraglich.
Wer dieser Tage die mediale Berichterstattung rund um den Dieselskandal verfolgt, stellt schnell fest, dass die Debatte hochemotional geführt wird. „Experten“ und „Sachverständige“ überschlagen sich mit wilden Forderungen. Manch einer wusste schon immer, dass der Diesel die Reinkarnation des puren Bösen ist, was nun endlich aufgedeckt wurde. Es sei an der Zeit, die steuerlichen Subventionen für den Diesel aus der Zapfsäule zu streichen und Fahrverbote für ältere Autos zu verhängen. Oder noch besser: Dieselfahrzeuge gleich ganz verbieten! Ohnehin lohne sich ein Diesel ja nur für Leute, die mehr als 30.000 Kilometer im Jahr fahren. Oder schon ab 15.000 Kilometern? Die „Experten“ sind sich da nicht so ganz einig.
Gleichzeitig befeuert die Debatte rund um den Diesel das Thema Elektromobilität. Die einen sehen sich darin bestätigt, dass nur die Elektromobilität uns alle retten kann. Politiker stellen Quoten in den Raum und wollen möglichst zügig den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorantreiben. Auch der ÖPNV soll nach Möglichkeit elektrifiziert werden. Derweil bemühen sich andere redlich darum, darzulegen, dass die Elektromobilität doch keine Alternative darstellt. Mal mangelt es am Strom, um so viele Fahrzeuge mit Energie zu versorgen, mal werden Elektroautos selbst zu Umweltsündern stilisiert.
Irgendwo dazwischen findet sich der Otto Normalverbraucher wieder, dessen Realität ganz anders aussieht.
Pragmatismus schlägt Idealismus
Es gibt in Deutschland unzählige Handwerksbetriebe, Vertriebler und Transportdienstleister, die täglich mit – teils auch älteren – Dieselfahrzeugen unterwegs sind. Sie sehen sich durch Fahrverbote und die Aussicht auf teurere Dieselpreise in erster Linie in ihrer Existenz bedroht. Und was machen Menschen, wenn sie sich bedroht fühlen? Sie nehmen eine Abwehrhaltung ein, wollen am Altbewährten festhalten und lehnen das neue (die Elektromobilität) ab.
Selbiges gilt für Millionen privater Dieselfahrer in Deutschland. Wer zur Arbeit pendelt, ohnehin knapp bei Kasse ist und sich täglich freut, dass sein Auto noch läuft, der will alles hören, nur nicht, dass er künftig nicht mehr mit seinem Auto fahren darf und sich doch bitte für viel Geld ein Elektroauto kaufen soll.
Während die digitale Avantgarde das Model 3 von Tesla mit Lob überschüttet und zum „Volksstromer“ verklärt, sieht das „Volk“ die Sache ganz anders. Um das herauszufinden, muss man keine groß angelegten Umfragen starten, es reicht schon, einen Blick in die Kommentarspalten des Internets zu werfen:
- „Sobald es E-autos gibt die 1000 km/h Reichweite haben, der Strompreis um 80% reduziert wird, die E-Fahrzeuge im Verkauf billiger als Benziner werden, die Aufladezeit auf 3 Minuten reduziert wird und ich von Südafrika bis ans Nordkap problemlos laden kann steige ich garantiert um!“
- „Es ist nicht nur das. Es gibt verschiedene Bezahlkartensysteme bzw. Karten (nämlich die vom jeweiligen Anbieter, keine normalen EC-, Visa- oder Mastercards). Die Steckeranschlüsse sind zum Teil verschieden. Das alles ist viel zu kompliziert.“
- „Das E-Auto wird von der Politik maßlos propagiert, obwohl die Umweltbilanz bei weitem schlechter aussieht, als bei einem konventionellen Antrieb. Im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotoren fallen bei der Produktion von Elektroautos 60 Prozent mehr CO₂-Emissionen an (Frauenhofer Inst.).“
- „Ich kaufe ein Elektroauto, wenn die reale Reichweite bei über 400 Kilometer liegt und der Preis bei unter 20.000 Euro.“
- „Mein Pkw-Tank (Opel Meriva Euro-6 110 PS) faßt 56 Liter (Diesel), bei 48 Liter geht die Warnlampe an. Ein Tankfüllung für 40 – 45 € reicht je nach Fahrweise 1150 – 1350 km weit. Für den gleichen €-Betrag lade ich die E-Auto Batterie 3 – 4 Mal und fahre total 400 km, einschließlch 3 Tage Wartezeiten im Nirgendwo mit Hotelübernachtung jeweils 50 – 90 €. Das ist dann der Fortschritt wie es die Polit-Phantasten sehen.“
Ob all diese Aussagen der Realität entsprechen oder bewusst überspitzt sind, sei an dieser Stelle dahingestellt. Fakt ist, dass diese und ähnliche Ansichten in den Köpfen der Leute verankert sind und jede „Diesel ist böse, Elektromobilität ist gut“-Meldung zur Verfestigung selbiger beiträgt.
Während eine technisch interessierte Minderheit ein 40.000 Euro teures Auto feiert, das unter Idealbedingungen 400 Kilometer weit kommt, denkt die breite Masse erst gar nicht über ein Elektroauto nach, solange man für die Hälfte dieses Preises nicht doppelt so weit kommt. Die Kluft könnte größer kaum sein. Von Problematiken, wie der fehlenden Ladeinfrastruktur, fange ich gar nicht erst an.
Ich selbst bin ein großer Fan der Elektromobilität. Mein nächstes Auto wird definitiv ein Elektroauto sein. Dennoch halte ich nichts davon, die Argumente der E-Mobility-Gegner als unsinnig abzutun. Ob wir täglich im Schnitt nur 30 Kilometer fahren, spielt keine Rolle, wenn die Leute daran gewöhnt sind, mit einer Tankfüllung 700 Kilometer weit zu kommen. Ihnen das ausreden zu wollen, bringt die Elektromobilität nicht voran, sondern bewirkt eher das Gegenteil. Genau wie mediale Zerlegung des Diesels.