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Die Planung und Realisierung eines Bauwerks ist hochkomplex. Problem: Durch heterogene Software und Hardware sind Daten oft schwer zugänglich. Schnittstellenverluste sind Alltag und als Folge ist die Bauwirtschaft vergleichsweise unterdigitalisiert.
Im KIT-Forschungsprojekt SDaC sollen in Zukunft gängige Datenformate mit KI so aufbereitet und strukturiert werden, dass sie einen einfachen Zugriff ermöglichen. Mehr noch: Mit SDaC profitieren Bauunternehmen außerdem künftig von intelligenten Apps, die viele Abläufe im Bau vereinfachen.

Ariane Lindemann im Gespräch mit Diego Cisterna über die Hintergründe von SDaC.

Wir sind der KI-Motor der Bauwirtschaft – so der Slogan von SDaC. Was erwartet die Unternehmen?

Wir wollen die Bauwirtschaft als Ganzes voranbringen. Das Forschungsprojekt SDaC (Smart Design and Construction) hat ein Projektvolumen von neun Millionen Euro und wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Viele kleinere und mittlere Unternehmen haben oft nicht die Möglichkeiten, neue Technologien zu implementieren. Dabei sind diese Unternehmen die Stütze der gesamten Baubranche. Und sie brauchen dringend intelligente Assistenzsysteme, um ihren Workflow zu optimieren. Mit unserer Plattform SDaC wollen wir ein Ökosystem etablieren, das die Unternehmen in die Lage versetzt, über eine niedrige Eintrittsschwelle innovative Technologien einzusetzen und neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Als Bauingenieur vermittelst du am KIT für SDaC zwischen der Bauwirtschaft und Tech-Unternehmen …

SDaC besteht aus einem großen Konsortium der Bauwirtschaft und Tech-Unternehmen. Wir als SDaC im KIT wollen diese zwei Welten kombinieren. Wir übernehmen einerseits die Technologie auf der Baustelle und versuchen andererseits, Künstliche Intelligenz in der Bauwirtschaft zu implementieren.

Warum Künstliche Intelligenz für die Bauwirtschaft?

Das Problem ist: Die Informationslandschaft der Bauwirtschaft ist zu heterogen. Bauprojekte sehr aufwendig und komplex. Sie bestehen aus vielen verschiedenen Phasen: von der Akquise und Planung, über die Ausführung bis hin zur Inbetriebnahme. Das heißt, viele verschiedene Stakeholder generieren Unmengen von Daten. Da die Datenformate jedoch sehr unterschiedlich sind, kommt es in vielen Fällen zu einem großen Informationsverlust. Wir wollen mit SDaC diese Information durch Künstliche Intelligenz aufbereiten und eine Plattform bauen, die die Informationen der Bauprojekte organisiert und strukturiert.

Und was macht die KI genau?

Durch die ständig wachsenden Datenmengen in der Bauwirtschaft können KI-Modelle trainiert und kontinuierlich verbessert werden. Aus strukturierten und standardisierten Daten können KI-Algorithmen lernen und Aufgaben für uns erledigen. Dies betrifft vor allem repetitive und monotone Aufgaben. Die Vielzahl der verfügbaren Datenquellen ermöglicht es auch, schwache Zusammenhänge in großen Datenbeständen zu finden. Datenbestände werden durch SDaC einfacher zugänglich gemacht, so dass auch kleine und mittelständische Unternehmen der Bauwirtschaft KI-Modelle effizient nutzen können.

Welche Aufgaben sind zum Beispiel monoton?

Nehmen wir die Grundrisse von Gebäuden in Projekten, die bei kleinen und mittelständischen Unternehmen noch häufig im PDF-Format vorliegen. Hier will der Bauleiter beispielsweise wissen, wie viele Steckdosen, Fenster oder WLAN-Router für ein Gebäude disponiert werden sollen und muss diese manuell im Bauplan zählen. Das ist eine sehr monotone, repetitive Aufgabe, die viel Zeit verbraucht. Einfacher ist es, diesen Vorgang zu automatisieren. Künstliche Intelligenz kann diese Elemente automatisch erkennen und einen Bericht erstellen. Dies ist nur ein Beispiel für einen KI-Anwendungsfall. Im Rahmen des SDaC-Projekts arbeiten wir parallel an acht weiteren Anwendungsfällen.

Wie lernt die KI?

Für KI-Modelle benötigt man tausende von gleichen Daten, die alle markiert sind. In diesem Fall muss zum Training der KI das Symbol der Steckdose im Plan markiert sein. Dies bedeutet häufig einen hohen Aufwand zur Datenvorbereitung. Zudem sind die Daten im Bau häufig nicht standardisiert. Architekten verwenden unterschiedliche Symbole für Fenster, Türen etc. Aus diesem Grund kombinieren wir in diesem Anwendungsfall zwei Themen: Gelabelte Daten werden künstlich generiert und die Legende des Plans wird intelligent mitgelesen.
So kann die KI sämtliche Varianten kennenlernen, entsprechend erkennen, beziehungsweise zuordnen. Das ist das grobe Konzept von SDaC – wir organisieren die unstrukturierten Daten.

Wie profitieren Unternehmen konkret von SDaC?

Für Bausoftwareunternehmen entwickeln wir über unsere Plattform Bausteine zur Aufbereitung von gängigen Datenformaten der Bauwirtschaft. So können beispielsweise Objekte in Bildern oder Grundrissen einfach gelabelt und erkannt werden oder auch Inhalte von Texten klassifiziert werden.
Für Bauunternehmen werden auf Basis der aufbereiteten Daten intelligente Anwendungen entwickelt. Diese reichen von der Bauwerksplanung, über die Bauausführungsplanung bis in die Baurealisierung. Diese Anwendungen sollen kontinuierlich um weitere Anwendungen von Bausoftwareunternehmen erweitert werden.

Können wir ein Beispiel einer solchen App herausgreifen?

Gerne. Neben der Erkennung von Grundrissen, über die wir gerade gesprochen haben, gibt es weitere für den Bau wichtige Apps. Zum Beispiel werden – durch repetitive Dokumentationstätigkeiten – Unmengen an analogen Lieferscheinen verbraucht und damit auch viel Arbeitszeit auf den Baustellen. Durch die Vielzahl an Schnittstellen und der Datenmenge sind die Lieferketten bei Bauprojekten dadurch sehr fragmentiert. Aufgrund dieser hohen Fragmentierung gibt es momentan keine digitale, allgemein formulierte Beschreibung der Lieferkette für Bauprodukte. Mit der Anwendung „Digitale Lieferkette für Bauprodukte“ wollen wir die heterogenen Lieferketten von Bauprodukten durch den Einsatz einer KI-getriebenen Plattform nicht nur digitalisieren, sondern auch in Form eines DIN-Standards vereinheitlichen.

Es gibt auch eine App, die vor Gefahren auf der Baustelle warnt …

Ja, die Identifikation von Gefahren ist eine weitere wichtige Anwendung auf der Plattform. Sie befindet sich gerade noch in der Entwicklung. Indem Kameras die gesamte Baustelle überwachen, wird durch KI ein Algorithmus erstellt, der jedes Bild aus diesen Videos analysiert. Bei einer möglichen Gefahr wird eine Warnung in Echtzeit verschickt. Zum Beispiel wenn Personen keine Sicherheitselemente tragen, wie Helme oder ähnliches. Läuft jemand ohne Helm über die Baustelle, ertönt sofort ein Alarm. Oder auch wenn sich unter einem Kran, der ein großes Gewicht trägt, Personen befinden. Solche Gefahren rechtzeitig zu erkennen, können wir durch KI unterstützen. Das wäre normalerweise nur möglich, wenn eine Person den ganzen Tag die Videos sichtet. Eine repetitive und langweilige Aufgabe.

Ist KI zu 1000 Prozent sicher?

Nein. Auch mit KI sind wir auf die Bestätigung von Menschen angewiesen. Deshalb brauchen wir die Kooperation zwischen Mensch und Maschine. Menschliche Denkprozesse unterscheiden sich von KI-Modellen vor allem durch die gezielte Nutzung von Intuition und implizitem Wissen. Erst durch die gezielte Nutzung von Mensch-Maschinen-Interaktion können komplexe Sachverhalte verstanden und gelöst werden.

Im CyberLab Accelerator habt ihr euer anfängliches Konzept noch mal komplett auf den Kopf gestellt …

Vor dem Accelerator hatten wir eine ganz andere Vorstellung von der Zukunft von SDaC. Dort haben wir neue Ansätze und Werkzeuge für die Befragung potenzieller Produzenten und Konsumenten der Plattform kennengelernt. Das Feedback der Interviews war sehr aufschlussreich. Unser Plan war, im ersten Schritt auf einer Plattform sämtliche Daten zu strukturieren und alle Anwendungen untereinander zu vernetzen. Im Accelerator hat sich herausgestellt: Wir starten mit kleinen ‚Helferchen‘ für Bauunternehmen und weiten diese dann je nach Feedback durch den Markt schrittweise aus.
Im Accelerator haben wir unser Vorgehen kritisch hinterfragt und tolle Kontakte knüpfen können.

Die Idee eines Kompetenzzentrums kam ebenfalls aus dem Accelerator …

Das war ein sehr wichtiger Aspekt. Denn wir müssen Menschen auch für die Nutzung von KI befähigen. SDaC besteht aus namhaften Forschungseinrichtungen, wie dem KIT, dem Fraunhofer Institut und zahlreichen anderen. Wir haben ein großes Netzwerk aus KI-Experten, Tech-Unternehmen und Unternehmen der Bauwirtschaft, die Interesse an der Technologie haben. Mit dem Kompetenzzentrum könnten wir zum Beispiel Beratungen zum Thema KI im Bauwesen anbieten oder Schulungen durchführen, damit die Menschen auch verstehen, warum es wichtig ist, die Daten zu strukturieren. Nur wenn sie den Mehrwert darin erkennen, werden sie in der Lage sein, KI in ihrem großen Potenzial zu nutzen.

Also heißt es jetzt: durchstarten!?

Die Webseite ist online. Wir laden hier Drittentwickler auf die Plattform ein, Partner von SDaC zu werden und ihre Softwarelösung anzubieten.
Jetzt wollen wir den Prototypen auf der Baustelle in realem Kontext testen und auf der Plattform integrieren. Nur so können wir entscheiden, welches Geschäftsmodell für uns letztlich in Frage kommt. Das Konsortium hat die Umsetzung der Plattform sehr positiv aufgenommen und auch das Feedback aus unserem Netzwerk zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

 

Diego Cisterna
Ist Bauingenieur und hat viele Jahre in der Beratung von Bauprojekten gearbeitet (Lean Construction, Prozessoptimierung von Bauprozessen und Digitalisierung). Er war Productmanager von Impera, einer Planungssoftware für Bauprojekte, und Lean-Berater bei der Staufen AG in Köngen. Seit zwei Jahren ist er am KIT als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand im Forschungsprojekt SDaC tätig.

Das CyberForum ist Partner von SDaC.