Er ist rund, schlicht und ungefähr so groß wie ein Fußball: CIMON ist der erste autonome Assistenz-Roboter, der kürzlich mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation (ISS) geflogen ist.
Die Karlsruher Agentur Helden & Mayglöckchen unterstützte AIRBUS bei der Entwicklung des Designs. Dabei kam unter anderem die Frage auf, wie viel Gesicht ein Roboter braucht. Wir haben mit Agenturgründer Ralf Christe über die Entstehung des Designs und die Zusammenarbeit mit AIRBUS und IBM gesprochen.
Guten Tag Herr Christe, Sie sind Gründer der Karlsruher Agentur Helden & Mayglöckchen. Erklären Sie mir doch bitte in ein paar Sätzen, was Ihre Arbeit in der Agentur ausmacht.
Helden & Mayglöckchen ist eine Agentur für Strategie und Design aus Karlsruhe. Seit 2007 entwickeln wir Marken und Kommunikationsstrategien für Unternehmen mit komplexen Produkten. Seit 2014 beschäftigen wir uns zunehmend mit UX Design, Webdesign mit animierten Grafiken und digitalen Oberflächen.
Eines Ihrer aktuellen Projekte, ist das Entwickeln des Designs von CIMON. Dies ist ein Assistenz-Roboter, der kürzlich mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst zur internationalen Raumstation (ISS) geflogen ist. Was sind bei diesem Projekt die Aufgaben von Helden & Mayglöckchen? Wie eng wurde mit AIRBUS und IBM zusammengearbeitet?
Unsere Aufgabe bestand darin, die visuelle Interaktion von Alexander Gerst mit CIMON zu gestalten. Die Aufgabe war dreigeteilt: Der erste Teil bestand darin, eine umfangreiche Recherche zu Robotergesichtern und deren Verbreitung durchzuführen. Die Ergebnisse dieser Recherche wurden dann mit AIRBUS und IBM besprochen und angepasst. Der zweite Teil bestand aus der Gestaltung eines Gesichts und die Testanimation der Mimik. Der dritte Teil bestand darin, die wissenschaftliche Oberfläche zu gestalten. Diese erinnert am meisten an eine Website und dient dazu, den Astronauten bei der Durchführung von Experimenten zu unterstützen.
In allen Phasen gab es regelmäßig Meetings mit dem Entwickler-Team von AIRBUS und IBM. Hier flossen alle neueren Erkenntnisse aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz von IBM und die Tests von AIRBUS mit A.Gerst in die Gestaltung mit ein.
Was kann CIMON bisher?
Der Roboter kann in der Schwerelosigkeit selbständig seine Lage halten, sich drehen und zu bestimmten Orten fliegen und auf der ISS schweben. Zudem kann er mit Herrn Gerst sprechen, Fragen beantworten und Problemlösungen vorschlagen. Ferner kann CIMON Unterstützung bei bestimmten wissenschaftlichen Experimenten geben. Zur Unterhaltung hat er die Playlists des Astronauten gespeichert und kann eine Internetverbindung ins Web öffnen.
CIMON ist weiß, rund und in etwa so groß wie ein Fußball. Damit sieht er nicht so aus, wie wir uns einen „typischen“ Roboter vorstellen. Wie fiel die Wahl auf ein eher schlichtes Design?
Die Frage stellt sich, was ein typisches Roboter-Design ist. In der Schwerelosigkeit entfällt die Anforderung zu gehen. Die Kugel ist eine optimale Form, um mit geringem Widerstand zu schweben. Die Idee zur schlichten Form begründete Prof. Gerhard Reichert – der Industriedesigner, der die Hülle entworfen hat. Er hatte zusammen mit Helden & Mayglöckchen das Innere der ISS analysiert und festgestellt, dass die Raumstation eine sehr unruhige Optik hat.
In der gesamten Station sind kleinteilige technische Geräte montiert, Kabel und Schläuche sind an den Wänden befestigt, Transportkisten montiert. Dies führt zu einer optischen Überfrachtung. CIMON soll durch seine schlichte Form Ruhe und Kompetenz ausstrahlen, die weiß lackierte Kugel wirkt beruhigend und kompetent. Wir wollten ein Gerät entwickeln, mit dem der Astronaut monatelang arbeiten kann, ohne sich satt zu sehen. Man darf nicht vergessen, dass die Astronauten einer sehr hohen psychischen Belastung ausgesetzt sind, auf engem Raum arbeiten und wenig Rückzugsmöglichkeiten haben. Daher darf CIMON keineswegs Unruhe oder Stress verbreiten, weder durch seine Handlung noch durch sein Aussehen.
Laut „Uncanny Valley“-Effekt werden Maschinen, die menschliche Züge aufweisen schnell als befremdlich wahrgenommen. Welche Herausforderungen ergaben sich bei der Entwicklung eines freundlichen Gesichts? Auf was wurde bei der Entwicklung besonders geachtet?
Das spannende an der Entwicklung war, dass wir ein sehr schlichtes Gesicht haben wollten, das aber nicht comic-mäßig wirken sollte. Erste Vorschläge von AIRBUS war ein Gesicht in Form eines Smileys. Das haben wir aber abgelehnt, da es im Widerspruch zum seriösen und wissenschaftlichen Charakter des Projektes stand. Die Herausforderung war, ein möglichst schlichtes Design zu entwickeln, das aber wiederum menschliche Gesichtszüge darstellen kann. Wir haben dann das menschliche Gesicht als Vorlage genommen und Stück für Stück abstrahiert und getestet und abstrahiert.
Wir mussten zudem auf die Rechenleistung des Roboters achten. Ein sehr komplexes, menschenähnliches Gesicht in voller Auslösung benötigt deutlich mehr Rechenleistung. Diese wird aber für die KI und den wissenschaftlichen Betrieb benötigt.
Wie lange hat die Entwicklung des Gesichtes für CIMON gedauert?
Wir haben mit dem Projekt 2015 angefangen. Ein großer Teil nahm anfänglich die Recherche und die Testreihen zum Gesicht in Anspruch. Parallel dazu hat das AIRBUS Hardware-Team den Antrieb und die Sensorik entwickelt und IBM hat sich auf die KI konzentriert. Der Zeitraum dafür ist eigentlich sehr kurz, wenn man bedenkt, dass der Bau eines Satelliten oft 5-7 Jahre dauert. Zusätzlich muss jedes Bauteil durch verschiedene Testreihen. Auch. müssen ggf. Konstruktionen überarbeitet oder verbessert werden. Allein für die Abdeckung der Antriebsdüsen gab es zwischen 40 und 50 Varianten, die getestet und verbessert wurden.
Für das Gesicht mit allen Bewegungssequenzen an sich haben wir etwa ein Jahr gebraucht, was auch an den wechselnden Anforderungen lag. Zudem musste jede Bewegung oder Änderung zusätzlich zum AIRBUS/IBM Team noch mit einem ISS-Sicherungsteam abgestimmt werden. Dieses prüft alle Vorgänge nochmals auf Sicherheitsrisiken. Wir haben zum Beispiel mitten im Projekt erfahren, dass bestimmte Farben wie Rot und Orange offiziellen Warnmeldungen auf der ISS vorbehalten sind – CIMON warnt nun über seine Mimik, indem er das Gesicht verzieht oder erstaunt blickt.
Kann CIMON auch auf optische Reize, wie Gestik oder Mimik reagieren?
CIMON reagiert bisher nur auf Sprachbefehle, wobei er weiß, wo der Astronaut in der ISS steht. Die Gestensteuerung wurde ausgeschlossen, da es in der Schwerelosigkeit sehr schwierig für den Astronauten ist, sich ruhig auszurichten und der Astronaut die Hände entweder zum Arbeiten oder zum Festhalten benötigt. Da es sich um ein erstes Projekt handelt, wurde auf Anforderungen wie Mimik oder Gestik verzichtet. Nur so können die Grundanforderungen erfolgreich getestet werden.
Gibt es weitere geplante Eigenschaften, die CIMON künftig beherrschen soll?
In den folgenden Versionen ist eine Verbesserung der KI geplant: CIMON soll mit mehr Humor ausgestattet werden. Er soll Geräte wie Werkzeug oder Laptops automatisch erkennen und dieses Wissen bei Bedarf an die Astronauten weitergeben (Z.B. CIMON: „Den Schraubenschlüssel, den du jetzt benötigst, schwebt in Modul 3, Segment A“). Mit mehr Sensorik soll er die Station automatisch überwachen (Rauchmelder, CO2-Warnung) und Probleme frühzeitig an die Crew und Ground Control melden.