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von Ljubica Negovec

Seit den 1950er Jahren wird an der Entwicklung von Werkzeugen zur automatischen Übersetzung von Texten gearbeitet. Seitdem wird Übersetzer*innen gesagt, dass ihre Arbeit vom Aussterben bedroht sei. Aber stimmt das wirklich und was können moderne KI-Übersetzer tatsächlich leisten? Ein Bericht aus der Übersetzungspraxis.

Wer von uns hat sich noch nie beim Mailverkehr mit ausländischen Geschäftspartner*innen oder im Urlaub beim Übersetzen der Speisekarte von Google Translate und Co unter die Arme greifen lassen? Moderne KI-Übersetzungsdienste sind schnell, leicht zu bedienen und für kleine Textmengen gratis einsetzbar. Als Alternative zur Kommunikation mit Händen und Füßen oder in gebrochenem Englisch sind sie nicht mehr wegzudenken. Spätestens mit der explosiven Veröffentlichung von ChatGPT Anfang 2023 ist das Thema KI auch in den Köpfen der C-Suite angekommen, denn KI verspricht enorme Zeit- und Kostenersparnis. Der Einsatz von KI-Übersetzern birgt jedoch auch Risiken, die Fehlübersetzungen mit fatalen wirtschaftlichen Folgen nach sich ziehen können.

Wenn die KI eine Firma sterben lässt

„Die ABC-Gruppe ist eine unabhängige…“ Das scheint ein einfach zu übersetzender Satz zu sein. Doch für die ABC-Gruppe, einem großen österreichischen Unternehmen im Luxus-Segment, deren Name hier natürlich anonymisiert wurde, wurde daraus ein peinlicher Übersetzungsfehler in mehreren Sprachen, der wochenlang auf der Firmenwebsite zu sehen war. Schuld daran ist, dass der für die Übersetzung gewählte Dienst Englisch als Relaissprache verwendet (so wie es übrigens die meisten KI-Übersetzer machen). Der deutsche Text wurde also zuerst ins Englische übertragen und erst vom Englischen in die gewünschte Zielsprache. Das Problem: Die KI hat dabei den deutschen Artikel „die“ mit dem englischen Verb „die“ („sterben“) verwechselt. Dieser Fehler wurde in alle Zielsprachen übertragen. Das hatte zur Folge, dass französische, tschechische und niederländische Besucher*innen der Seite den Satz „Sterben ABC-Gruppe…“ lesen mussten. Das ist nicht nur grammatikalisch und inhaltlich falsch, sondern auch im wahrsten Sinne tödlich für die Marke und das Image des Unternehmens.

Ebenfalls auf der Website der ABC-Gruppe zu finden war die deutsche Überschrift „Gemeinsames Essen auf Hauben-Niveau“, welche die überdurchschnittliche Qualität der Mitarbeiter*innenkantine anpreist. Als „Haubenkoch“ oder „Haubenköchin“ wird vor allem in Österreich jemand bezeichnet, der vom Restaurantführer Gault-Millau ausgezeichnet wurde. Im englischen Sprachraum, wo Michelin-Sterne die gängige Auszeichnung für Restaurants sind, ist die wörtliche KI-Übersetzung „Eating together at toque level“ also komplett unverständlich. Noch dazu kommt, dass „toque“ nicht nur eine „Kochhaube“, sondern auch eine „Strickmütze“ bezeichnen kann, die in einer Küche ja nichts zu suchen hat. Für menschliche Übersetzer*innen ist klar, dass der Ausdruck „Hauben-Niveau“ in der englischen Übersetzung also umschrieben werden muss, etwa als „gourmet level“. Doch die KI kann nur übersetzen, was im Ausgangstext vorhanden ist. Sie hat keinerlei Möglichkeit, auf kulturelle Besonderheiten einzugehen und sie an die Erwartungen des Zielpublikums anzupassen.

Diese beiden Beispiele wurden gewählt, weil sie die Schwächen der KI besonders plakativ darstellen. Natürlich waren sie aber nicht die einzigen Fehler auf der automatisch übersetzten Firmenwebsite der ABC-Gruppe. Branchenspezifische Fachwörter wurden ungenau und uneinheitlich übersetzt, Anreden wechselten wiederholt mitten im Satz von „du“ auf „Sie“, Abkürzungen blieben unübersetzt stehen, bei komplexen Satzstrukturen wurden Bezüge falsch hergestellt und das Corporate Wording blieb in den Fremdsprachen gänzlich unbeachtet. Bei Anbietern von Billigwaren ist die schlechte Qualität der KI-übersetzten Produktbeschreibungen mittlerweile ebenso erwartet wie die schlechte Qualität der Produkte selbst – und ist für die meisten von uns auch kein Kaufhindernis mehr. Wenn jedoch ein Unternehmen, das sich als hochqualitativ oder sogar luxuriös positioniert, schon bei der Übersetzung der Firmenwebsite so offensichtlich an der falschen Stelle spart, wirken auch Versprechen über die Qualität seiner Produkte nicht mehr glaubwürdig.

Musst du also auf die Vorteile von Übersetzungs-KI gänzlich verzichten?

Nein, denn selbstverständlich gibt es in der Übersetzungsbranche Wege, sich die Vorteile der KI zunutze zu machen und ihre Schwächen abzumildern. KI können zum Beispiel für die Texte eines Unternehmens spezifisch trainiert werden. Das ist allerdings sehr ressourcenintensiv und meist erst in der Größenordnung von Amazon, Facebook oder Booking.com wirtschaftlich sinnvoll. Für alle anderen Unternehmen sowie Privatpersonen ist es die beste Lösung, auf die Kombination von KI und Mensch zu setzen. Beim sogenannten Post-Editing wird der Output der KI von einem*einer Übersetzer*in überprüft und nachbearbeitet. So wird er inhaltlich, sprachlich und stilistisch korrigiert und branchenspezifische Fachwörter oder Corporate Wording werden (sofern der*die Übersetzer*in extra dafür bezahlt wird) vereinheitlicht. Hier wird dann von einer KI-gestützten oder KI-basierten Übersetzung gesprochen.

Wo sind KI-gestützte Übersetzungen sinnvoll einsetzbar?

Bei weitverbreiteten Sprachen mit viel zweisprachigen Trainingsdaten, wie Englisch, Deutsch, Spanisch, Italienisch und Französisch, sind KI-Übersetzungen meist akzeptabel als Grundlage für ein Post-Editing. Sprachen mit komplexer Grammatik, wie Ungarisch oder Finnisch, sind nicht gut für KI-Übersetzung geeignet. Hier kann es leicht passieren, dass die KI die Bezüge zwischen Satzteilen nicht richtig erkennt und den Inhalt falsch wiedergibt. Auch Sprachen mit vielen Dialekten (zum Beispiel Arabisch oder Chinesisch) kann die KI nicht gut übersetzen, da die Bedeutung von Wörtern sich von Region zu Region stark unterscheidet.

Einen großen Unterschied macht auch der Fachbereich. Allgemein gilt: Je spezifischer der Fachbereich, desto weniger sinnvoll ist eine KI-gestützte Übersetzung. Die Sicherheitshinweise in einer Toaster-Gebrauchsanleitung sind ein super Anwendungsbeispiel für KI-Übersetzung mit Post-Editing. Die Wartungsanleitung einer kundenspezifisch angefertigten Schwermaschine hingegen muss unbedingt einem*einer Spezialist*in für diesen Fachbereich überlassen werden. Diese*r kann im Gegensatz zur KI technische Zusammenhänge verstehen, Illustrationen der Maschine als Hilfestellung verwenden und bei Unklarheiten einfach nachfragen.

Auch der Verwendungszweck eines Textes ist maßgeblich. Wo es rein darum geht, ganz sachlich Informationen in einer anderen Sprache bereitzustellen, kann die KI punkten. Wenn ein Text aber Menschen überzeugen oder berühren soll, ist das Einfühlvermögen eines Menschen auch bei der Übersetzung notwendig. Bei Werbung oder Literatur ist der Aufwand für ein hochwertiges Post-Editing oft größer, als wenn der*die Übersetzer*in selbst übersetzt und gleich währenddessen die für die Zielgruppe ansprechendsten und aussagekräftigsten Formulierungen wählt.

Es ist eine Kehrtwende spürbar

Nach einem Jahr voller Enthusiasmus für KI aller Art beginnt sich der Wind zu drehen. Neukunden berichten von gescheiterten Versuchen mit KI-Übersetzungstools, deren mangelhafte Ergebnisse zu Kritik aus den Zielgruppen sowie intern von muttersprachlichen Mitarbeiter*innen führten. Zumindest im Marketing kehrt der Trend also wieder zur Feinfühligkeit und Genauigkeit menschlicher Übersetzung zurück. Wegzudenken sind KI aber nicht mehr. Sie haben die Übersetzungsbranche revolutioniert wie zuvor nur die Erfindungen der Druckerpresse und des Internets. Aber, wie ChatGPT auch selbst warnt: „ChatGPT can make mistakes. Consider checking important information.“ Wer also auf die Zeit- und Kosteneinsparungen der KI nicht verzichten möchte, dem sei die Kombination von KI-Übersetzer und menschlicher, muttersprachlicher Expertise empfohlen.