Blackpin will mit seinem DSGV-konformen Messenger die sicherste Transaktionsplattform Europas werden. Das klingt ziemlich ambitioniert. Doch das ehemalige CyberLab-Startup ist auf dem besten Weg dorthin.
Angesprochen sind alle Unternehmen, die sicher kommunizieren wollen. Besonders im medizinischen Bereich kommt der Messenger zum richtigen Zeitpunkt, denn wegen der neuen gematic-Standards dürfen viele B2B-Messenger in Zukunft, nicht mehr eingesetzt werden. Blackpin bricht mit der Transaktionsplattform speziell in der Pflege einen riesigen Markt auf. Im Rahmen eines Förderprogrammes mit der Europäischen Weltraumbehörde ESA wird gerade eine Bettsensorenmatte entwickelt.
CEO Sandra Jörg über den Stand der Dinge.
Sandra, ihr sagt, bei eurem Messenger liest keiner mit …
Das stimmt. Alle Nachrichten, die unsere App Blackpin verlassen, werden verschlüsselt versendet.
Ist das nicht bei WhatsApp genauso mit der Verschlüsselung?
Ja, aber bei anderen Messengern werden teilweise bis zu drei Schlüssel generiert. Dadurch werden Gespräche mit aufgezeichnet und an Dritte weitervermarktet. Wir generieren nur einen einzigen Sicherheitsschlüssel, nämlich für den Nutzer selbst. Das heißt, es lesen weder wir mit, noch der Chef, noch andere.
Das ist in der Tat für viele Unternehmen attraktiv …
In jedem Fall. Denn schon allein aufgrund der DSGVO dürfen die meisten Unternehmen offene und damit angreifbare Messenger, wie zum Beispiel WhatsApp, gar nicht nutzen. Sie brauchen eine sichere Lösung. Viele Unternehmen wissen das gar nicht.
Der Blackpin-Nutzer hat absolute Sicherheit, dass keine Daten nach außen dringen?
Das können wir garantieren. Denn jeder Nutzer bekommt sozusagen seinen eigenen Micro-Messenger, beziehungsweise sein eigenes Micro Community Modul. In diesem Modul ist er komplett safe. Viele Company Messenger werden aufgezeichnet und die Firmen sind Besitzer dieser Gespräche. Aber schließlich will ich auch nicht, wenn ich mit meiner Kollegin in einem geschlossenen Raum etwas bespreche, dass andere mithören. Wenn der Aufsichtsrat eine Sitzung hat, ist die Tür zu. Ebenso bei Gesprächen der Geschäftsleitung. Genauso ist es bei uns auch.
Viele denken bei Messenger noch an Nachrichten-Chats. Der Begriff hat bei euch allerdings eine ganz neue Dimension bekommen …
Agiles Arbeiten wird immer wichtiger. Wir wollen die Kommunikation zwischen Unternehmen vereinfachen. Der Messenger ist dafür unser Fundament. Wir entwickeln gerade eine digitale Transaktionsplattform für alle, die sicher, agil, mobil, ortsungebunden und zeitunabhängig arbeiten wollen. Hier geht es vor allem auch darum, Transaktionen von überall aus vornehmen zu können, wie zum Beispiel Smart Contracting, Bezahlfunktionen etc. Und das Wichtigste – das alles in einem absolut sicheren Raum.
Wollt ihr das dann auch auf den privaten Bereich ausdehnen?
Auf jeden Fall. In der Zusammenarbeit mit der IOTA-Foundation nutzen wir hierfür künftig die momentan sicherste Technologie, die Distributed-Ledger-Technologie, ähnlich wie Blockchain. Sie wird die Art und Weise der Kommunikation zwischen Menschen und Maschinen nachhaltig verändern. Nutzersicherheit und Privatsphäre stehen dabei im Vordergrund. Hier läuft gerade ein Pilotprojekt. Wir können diese Technologie allerdings noch nicht einsetzen, weil sie noch nicht in der DSGVO-Verordnung verankert ist.
Eigentlich kurios – die sicherste Technologie ist nicht DSGVO-konform …
Leider ja. Wir können nur hoffen, dass das bald angepasst wird.
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl hat euer Startup kürzlich als „Leuchtturm-Startup Baden-Württembergs“ bezeichnet. Er hat das enorme Potenzial erkannt ….
Wenn man den Gedanken der digitalen Transaktionsplattform weiterdenkt, ergeben sich daraus unendlich viele neue Möglichkeiten und innovative Geschäftsmodelle. Wir wollen mit unserer internationalen digitalen Transaktionsplattform in ein paar Jahren europäischer Marktführer sein.
Eine Branche rennt euch gerade die Türen ein – die Pflegebranche. Warum?
Mobile oder ambulante Pflege, Rettungskräfte, das sind einige unserer Zielgruppen. Sie sind alle agil unterwegs, ständig ändern sich Teams. Pflege und Notfalldienste sind sehr kommunikations- und planungsintensiv. Auch die Patienten müssen miteinbezogen werden. Für Pflegeheime und Betriebe im Medical-Bereich gelten höchste Sicherheitsanforderungen.
Wir sind einer der wenigen Anbieter, der die neue Matrix-Chat-Technologie nutzt. Diese ist laut gematic-Verordnung vom 1. Januar 2022 im medizinischen Bereich demnächst bindend. Messenger, die diese Technologie nicht nutzen, dürfen in Zukunft nicht mehr eingesetzt werden.
Wo macht die App in der Pflege Sinn?
Hier kommt eine weitere wichtige Säule von Blackpin ins Spiel: das Location Based Tracking. Mit dieser Funktion können sich Patienten in Pflegeeinrichtungen zum Beispiel freier bewegen. Sie können je nach Gesundheitszustand allein einkaufen gehen, Spaziergänge machen, weil ihre Route, bzw. ihr Standort getrackt werden. Das Team kann in Sekundenschnelle informiert werden und kann entsprechend reagieren. Das ist besonders für Menschen, die noch relativ selbständig sind, eine sehr hilfreiche Funktion für Situationen, in denen man normalerweise einen Pfleger mitschicken müsste. Ein wichtiger Vorteil für die Einrichtung bei Personalmangel.
Ihr arbeitet mit der europäischen Weltraumorganisation ESA zusammen an einem Produkt, das ebenfalls in der Pflege eingesetzt werden soll …
Da wir auch zahlreiche IoT-Produkte entwickeln, um beispielsweise Medical Devices oder Industriegeräte an den Messenger anzubinden, nutzen wir die Weltraumtechnologie der ESA, die mittels Sensoren das Verhalten der Astronauten trackt. Wir bauen gerade eine Bettsensorenmatte, die das Verhalten der Menschen, bzw. der Patienten, die im Bett liegen, trackt. Bei Menschen, die das Bett nicht verlassen, kommt dann eine Warnung, wenn sie aufstehen. Umgekehrt wird das Pflegeteam informiert, wenn Frau Meier zum Beispiel um zehn Uhr immer noch nicht aufgestanden ist. Ebenso kann das Schlafverhalten getrackt werden. Das Reporting bei Pflegebehandlungen eines Patienten, wie zum Beispiel Umlagern oder Trinkkontrolle, wird momentan alles händisch in Listen eingetragen. Das ist nicht zeiteffektiv und birgt auch Sicherheitslücken. Die Sensorenmatte misst das alles mit. Diese Daten können dann auch zur Vorlage bei Krankenkassen oder Versicherungen genutzt werden.
Könnte das auch für den Bereich Teletherapie interessant sein?
Absolut, denn gerade hier spielt es ja keine Rolle, wo der Therapeut oder Arzt sich befindet. Mit Blackpin kann er seine Community auf ganz Deutschland ausdehnen. Gerade, wenn er ein Spezialgebiet hat, muss er nicht mehr in seinem regionalen Raum bleiben.
Wie kann man sich das dann vorstellen?
Auch das funktioniert mit Anbindung zu einer IoT-Schnittstelle. Nehmen wir einen Patienten mit einer Handverletzung. Ihm könnte man an die IoT-Schnittstelle angeschlossene Therapie-Werkzeuge, wie zum Beispiel Hand-Trainingsbälle schicken und seine Übungen tracken. Gleichzeitig kann das mit der Krankenkasse über das Tool gleich abgerechnet werden. Darüber sind wir mit den Kassen gerade im Gespräch.
Auch Coachings und psychologische Beratungsstunden müssen nicht mehr vor Ort stattfinden …
Das ist ein richtig spannendes Thema! Ein Coach oder ein Psychologe kann mit Blackpin eine Micro-Community aufbauen für seine Klienten oder Patienten. Hier findet die gesamte Kommunikation statt. Terminvereinbarungen, Gruppengespräche, Abrechnungen. Mit Time-Tracking, Smart Contracts wird über virtuelle Konten abgerechnet.
Das ist ja eine ganz neue Art, Geschäfte zu betreiben …
Richtig. Daraus erschließen sich unzählige komplett neue Geschäftsmodelle.
Ihr seid CyberLab-Alumni. 2019 habt ihr am Accelerator Programm des Landes Baden-Württemberg im CyberLab teilgenommen. Was hat es euch gebracht?
Wir wurden im Accelerator-Programm ganz schön unter die Lupe genommen. Die Arbeit mit den Mentoren war sehr wertvoll für uns, weil sie bei vielen Themen, die wichtig waren, einfach nicht lockergelassen haben. Auch die Cybersessions, an denen auch andere Startups teilnehmen, waren für uns eine wichtige Erfahrung. Wie geht Pitchen, wie gehe ich an den Markt, wie internationalisiere ich, wie kriege ich Pilotkunden, welche Förderprogramme gibt es? Das und vieles mehr haben wir hier gelernt. Wir haben die Angebote voll ausgeschöpft und haben darüber auch unsere Kontakte zum KIT ausgebaut. Das CyberLab ist schon sehr professionell organisiert.
Sandra Jörg
gründete mit 18 ihre erste Agentur mit fünf Mitarbeitern im Digitalbereich, leitet später den Standort Berlin von ID Media, eine der drei größten Media Agenturen Deutschlands. Nach 12 Jahren ID Media wandert sie nach Israel aus, wo ihre Idee, angeheizt durch den dortigen hohen innovationsgrad in Sachen IT, für einen sicheren B2B-Messenger entsteht. Sie gründet die Neon Agentur, rutscht in die Startup-Branche rein, kommt (mit zwei Babies im Gepäck) nach sieben Jahren wieder zurück nach Deutschland und gründet Blackpin. „Den Mut zu gründen und den Innovationsspirit habe ich aus Israel mitgenommen“, sagt sie. Im CyberLab waren sie noch zu dritt. Blackpin hat heute 17 Mitarbeiter.