Vor fünf Monaten ist die EU-Schlichtungsplattform, auch Online-Streitbeilegung genannt, an den Start gegangen. Meines Erachtens noch mit mäßigem Erfolg. Onlinehändler kommen ihrer Verpflichtung nicht wirklich nach, auf die Seite „leicht zugänglich“ zu verlinken; die EU betreibt kaum Werbung und einige Länder haben den eh verspäteten Start verschlafen: eine Vorstellungsrunde.
Am 12. Februar 2016 wurde offiziell auf die Seite hingewiesen, am 1. April 2016 steht sie funktional in ganz Europa online. Mitbekommen hat den Start meines Erachtens kaum jemand. Dabei war es doch eine gute Nachricht für den Verbraucher.
Seit Februar haben Bürger in der Europäischen Union die Möglichkeit, Streitigkeiten mit Unternehmen nach grenzübergreifenden Online-Geschäften auch direkt im Netz zu klären. Dafür hat sich die EU mächtig ins Zeug gelegt und fast alle EU-Mitglieder ins Boot geholt; ein paar wenige Schlafmützen ausgenommen. Auf Online-Streitbeilegung können Nutzer beziehungsweise Kunden kostenlos Reklamationen anmelden, Firmen können kostengünstig einen Streit vor dem Gang zum Gericht vorzeitig beenden. Wie ich finde eine tolle Sache. Die außergerichtliche Streitbeilegung bietet dem Verbraucher grundsätzlich eine zusätzliche Möglichkeit, Rechte bei Streitigkeiten mit Unternehmen durchzusetzen – oder zumindest anzuzeigen. Das ZDF hat dazu ein tolles Beispiel veröffentlicht: „Das Geld ist überwiesen, nur die Ware kommt nicht, ist beschädigt oder sieht ganz anders aus als auf den Fotos im Internet – ärgerlich für den Kunden. Auf Nachfrage reagiert der Händler nicht, auch nicht auf Mails in Englisch. Der Kunde guckt da blöd aus der Wäsche. Die 100 Euro für die portugiesischen Herrenschuhe sind futsch. Aber: lohnt es sich bei diesem Streitwert einen Anwalt einzuschalten?“
Dazu vielleicht folgende Information (Quelle: IT-Recht Kanzlei München) :
- Mit der ODR-Verordnung Nr. 524/2013 trat am 09.01.2016 eine neue EU-Verordnung in Kraft.
- Diese sieht unter anderem vor, dass Online-Händler zwingend ab dem 09.01.2016 auf die neue „Online-Schlichtungsplattform“ der EU-Kommission (eine Plattform zur Online-Streitbeilegung bei Verbraucherbeschwerden, kurz „OS-Plattform“), zu verlinken haben. Dieser Link muss für den Verbraucher „leicht zugänglich“ sein. Zudem ist in dem Zusammenhang zwingend eine Email-Adresse des Unternehmers anzugeben. Auch wird in den Rechtstexten auf die neue Online-Schlichtungsplattform einzugehen sein.
Schlichtungsstelle: Baden-Württemberg macht es vor
Nach einer ersten Stichprobe, konnte ich den leicht zugänglichen Link unter anderem nicht oder erschwert auf Redcoon, MediaMarkt, Saturn, Amazon und Zalando finden beziehungsweise nicht finden. Amazon beispielsweise versteckt den Link unter den eigenen AGB unter „Anwendbares Recht“. Klar, die Konzerne haben in der Regel eine eigene Schlichtungsstelle. Aber was bringt dann die EU-Verpflichtung, wenn die Händler sich nicht daran halten?
Dass es funktioniert zeigt Baden-Württemberg mit der Förderung des Pilotprojekts „Der Online-Schlichter„. Die beim Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. in Kehl angesiedelte Schlichtungsstelle gilt bundes- und europaweit als Erfolgsprojekt. Mittlerweile haben sich die Bundesländer Bayern, Hessen, Berlin, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz sowie Wirtschaftsunternehmen und -verbände als Finanzierungspartner dem Online-Schlichter angeschlossen.