Seien es der blühende Onlinehandel oder die anscheinend analogen Einkaufsmöglichkeiten in der Innenstadt, klar ist: Ohne Logistik würde es in unserer Welt ganz schön leer aussehen. In Lagern werden in kürzester Zeit Millionen Produkte sortiert und verpackt, um danach rund um den Globus transportiert zu werden. Auch wenn die Welt durch die Globalisierung ein Stück weit zusammengerückt ist, die Wege sind dennoch die gleichen geblieben. Wie hat sich Logistik gewandelt und was muss sie in der heutigen Zeit leisten? Diese Fragen nahm ich zum Anlass, um dem Karlsruher Logistikunternehmen Dr. Thomas + Partner einen Besuch im neu gebauten Passivhaus-Campus abzustatten. Mit den Geschäftsführern Mathias Thomas und Simon Thomas habe ich mich dabei über die urbane Logistik sowie den boomenden E-Commerce ausgetauscht und bekam Einblicke in die Unternehmenskultur.
1980 von Prof. Dr. Frank Thomas als kleines Ingenieur-Büro gegründet, entwickelt Dr. Thomas + Partner (TUP) heute individuelle und modulare Softwarelösungen für die Intralogistik. Zum Portfolio der Softwaremanufaktur gehören unter anderem ein Warehouse -Management-System, die Materialflusssteuerung, ein Logistik-Leitstand sowie Branchenlösungen für Automotive und Aviation. Das Mehrgenerationen-Team der Softwareschmiede besteht inzwischen aus über 130 Mitarbeitern, die Lösungen für die Zukunft der Intralogistik konzipieren, entwickeln und diese stetig optimieren.
Logistik – ein stetig wachsender Wirtschaftszweig
Die Brüder Simon und Mathias Thomas übernahmen 2008 das Unternehmen ihres Vaters, das seit nicht weniger als 37 Jahren einen Namen in der Intralogistik hat. In dieser Zeit ist viel passiert: Digitalisierung, Automatisierung, E-Commerce… Aber wir wollen zunächst noch einen Schritt zurückgehen: Was leistet Logistik überhaupt und wie ist sie entstanden?
Logistik ist überall, wo Menschen oder Güter von A nach B bewegt werden. So legten schon die Ägypter für den Bau ihrer Pyramiden eigene Häfen an . Schiffe ermöglichten den weiten Transportweg der tonnenschweren Granitblöcke, die dafür benötigt wurden. Auch in der Strategie der römischen Legion war die Logistik fest verankert, denn die Verfügbarkeit von Kriegsmaterial und die Versorgung des Heeres mussten sichergestellt sein. Später war es der florierende Handel, der die Logistik stets vorantrieb. Gemessen an ihrer Beschäftigungszahl ist die Logistik heute der drittgrößte Wirtschaftszweig in Deutschland – Tendenz steigend.
Das Familienunternehmen TUP hat sich auf den Bereich Intralogistik, also auf Waren- und Materialflüsse, die sich innerhalb eines Betriebsgeländes abspielen, spezialisiert. Um Lager intern zu steuern und zu verwalten, werden heutzutage sogenannte Warehouse-Management-Systeme (WMS) eingesetzt . „Als TUP 1980 gegründet wurde, da gab es Warehouse-Management-Systeme als solche noch nicht“, blickt Mathias Thomas zurück. „Es wurde mit Lochkarten gearbeitet, in die Informationen wie Lagerzugänge und Lagerabgänge gestanzt wurden.“
Erst Mitte der 1980er- Jahre erfasste die Informationstechnik auch die Intralogistik und das Geschäft von TUP wandelte sich von der Materialflussplanung und Automatisierungstechnik hin zur IT-Dienstleistung. „Der Trend der Digitalisierung ist in der Logistik schon seit über 25 Jahren zu erkennen und gerade in den letzten Jahren hat sich in Sachen Automatisierung sehr viel getan“, erläutert Mathias Thomas. „Es begann damit, dass Stapler durch eine Fördertechnik, mit der Pakete von A nach B fahren, ersetzt wurden. Inzwischen gibt es voll automatisierte Lager, in denen alles komplett autonom funktioniert.“
Der Mensch werde aber in den kommenden Jahren nicht von der Logistik-Bildfläche verschwinden, vielmehr werden eintönige und körperlich schwere Arbeiten von Maschinen übernommen, betont Simon Thomas. „Lagerverwaltungssysteme sind ebenso große Datenerzeugungssysteme. Dafür braucht es Menschen, die strategische Entscheidungen und Rückschlüsse, aus den anfallenden Datensätzen ziehen. So haben wir bei TUP beispielsweise Kunden, die mehr Menschen für die Datenauswertung, als für die Lagerarbeit einsetzen“, ergänzt er.
Urbane Logistik: Herausforderung mit viel Potenzial
Individualisierung ist generell ein Thema, welches die Logistik antreibt: „Anfang der 1980er-Jahre hatte der Sportartikelhersteller adidas 16 verschiedene Schuhmodelle, heute sind es weltweit über 11.000 Varianten. Eine Multioptionsgesellschaft ist entstanden“, erklärt Mathias Thomas. „Der Kunde will individualisierte Ware. Produktionsanlagen müssen daher so flexibel sein, dass für den Kundenwunsch sogar eine ‚Losgröße 1‘ realisiert werden kann.“
Konsumenten haben also die Qual der Wahl: Welche der 2.000 Ausführungen eines Artikels kaufe ich in welcher Farbe und in welchem Shop? Da kann man schnell einmal überfordert sein. Aber nicht nur die Kunden sind es: Der Straßenverkehr wird durch die Vielzahl von Kurierdiensten (in einer Stadt wie Berlin sind es täglich zirka 2.000) strapaziert – von der Umweltbelastung durch den anfallenden CO²-Ausstoß gar nicht erst zu sprechen!
Hinzu kommen die Ausmaße des Onlinehandels – er ist mittlerweile Alltag. Und aktuelle Zahlen bestätigen, dass der E-Commerce durchaus ‚positiv’ in die Zukunft blicken kann und die Menge der auszuliefernden Pakete künftig keineswegs rückläufig sein wird. Besonders im B2C-Bereich wird mit einem jährlichen Wachstum von zehn bis zwölf Prozent gerechnet.
Intelligente Logistik?
Neben den oftmals zu groß dimensionierten Verpackungsmaterialien, den Retouren, sind vor allem die zurückgelegten Wege der Kurierdienste ein Thema, das dringend angepackt werden muss. Allem voran gilt die letzte Meile als erheblicher Kostenfaktor: „Die Verkürzung der Wege im E-Commerce funktioniert nur mit der Mitnahme lokaler Händler “, betont Mathias Thomas. Die sogenannte Händlerintegration wollen die Brüder Thomas mit der eigens gegründeten Tochterfirma gaxsys vorantreiben.
Die Ideen zu einer urbanen Logistik der Zukunft reichen aber viel weiter: Mit RULS (Realtime Urban Logistics Solution) soll die Logistik revolutioniert werden. Die cloudbasierte Lösung könne man sich als eine Art Materialflussrechner vorstellen, der in Echtzeit Beladungszustände erkennt, Transportwege optimiert und den gesamten Lieferprozess innerhalb einer städtischen Infrastruktur dynamisch werden lässt. Auch sollen weitere Aufträge in laufende Lieferprozesse eingeschleust werden können. Sogar Berufspendler, der ÖPNV und Taxifahrer sollen in Zukunft ihre Transportkapazität zusätzlich anbieten können. „Nur so wird man es schaffen, den E-Commerce nachhaltiger zu gestalten“, schließt Mathias Thomas ab.
Dr. Thomas + Partner: Unternehmenskultur wird generationenübergreifend gelebt
Bei der Frage nach den Beweggründen zur Firmenübername sind sich Mathias und Simon Thomas einig: Es ist das Unternehmertum mit seinen täglichen Herausforderungen, das sie antreibt. „In das Thema Logistik bin ich reingewachsen – schon mit fünf Jahren durfte ich meinem Vater über die Schultern blicken. Letztendlich sind wir beide mit vielen Menschen, die hier arbeiten, aufgewachsen“, blickt Mathias Thomas zurück. „Für uns ist der Begriff Familienunternehmen nicht irgendeine Floskel, da wir uns im Unternehmen als Familie sehen. Es ist manchmal genauso schwierig, wie es auch Spaß machen kann“, ergänzt Simon Thomas.
So seien in den 37 Jahren Unternehmensgeschichte Freundschaften entstanden, die weit über die tägliche gemeinsame Arbeit hinausreichen. Gerade diese seien neben der Kommunikation auf Augenhöhe wichtig für die gut funktionierende Zusammenarbeit im Team, betonen die Brüder. Und das scheint zu funktionieren: Erst vor kurzem ging TUP beim CyberChampions Award als einer der Preisträger der Kategorie ‘Best Corporate‘ hervor. Doch wie schafft man es, bei 130 Mitarbeitern die Unternehmenskultur aufrecht zu erhalten? „Man kann Unternehmenskultur bis zu einem gewissen Punkt vorleben, aber vieles liegt selbst an den Menschen, die hier arbeiten“, erklärt Mathias Thomas. „Inzwischen haben wir hier Kochgruppen, Laufgruppen und gemeinschaftliche Events – es sind die Mitarbeiter, die sich zusammenfinden und diese Kultur aktiv gestalten.“
Aber nicht nur die freie Zeit zwischen Kundenprojekten und dem täglichen
Doing wird geteilt, auch der Wissenstransfer macht ein dynamisches Unternehmen aus. Dazu hat TUP kürzlich das erste teaminterne ‚TUP-Campus-BarCamp‘ organisiert. „Der Vormittag stand ganz im Zeichen der Intralogistik. Am Nachmittag war jeder dazu aufgerufen, sich sein eigenes Thema, fernab der Intralogistik, auszudenken“, erklärt Mathias Thomas. Die Begeisterung für dieses Format blieb nicht aus: So hätten sich über 20 Speaker in drei verschiedenen Vortragsblöcken zusammengefunden. Auch planen die Brüder Thomas jetzt schon ein zweites Barcamp.
Die Logistik bleibt in Bewegung – und das ist gut so
Der Tag bei der Softwaremanufaktur hat mir gezeigt, welchen Stellenwert die Logistik für die Umwelt, aber auch für jeden einzelnen von uns hat. Wir Kunden, mit unseren individuellen Wünschen und dem damit verbundenen Handeln treiben die Logistik an und bringen sie nicht zum Stillstand. Auch hat der Tag mir gezeigt, wie wichtig es ist, Logistik neu zu denken. Lösungen, die noch vor 25 Jahren funktioniert haben, funktionieren heute nicht mehr ohne erhebliche Beeinträchtigung von Umwelt und Lebensqualität.
Das Unternehmen TUP ist aktiv daran beteiligt, diese neuen Wege in der Logistik zu gehen. Sei es nun das Projekt RULS, das die urbane Logistik umkrempeln soll oder das Bestreben, die Händlerintegration weiter voranzutreiben – von der Softwaremanufaktur werden wir sicherlich noch viel zu hören bekommen.