Klaas Kersting lebt seit 2005 ganz in Karlsruhe und hat hier nach Gameforge mit flaregames bereits die zweite Spielefirma gegründet. Er spricht über die Notwendigkeit von Transparenz, die Härte des Games-Business und über die Strategie, für sein Unternehmen auf internationale Mitarbeiter zu setzen.
techtag: Erst kürzlich ging die Meldung rum, flaregames habe ein finnisches Entwicklerstudio als dritten Standort der Firma gekauft, nach Karlsruhe und Frankfurt. Wie kam es dazu?
Klaas Kersting: Wir hatten mit Kopla Games aus Tampere bereits gearbeitet und gemeinsam mit ihnen unseren aktuellen Hit entwickelt: Nonstop Knight. Der Titel hatte nach wenigen Tagen zwei Millionen Downloads, hat die Entwicklungskosten längst wieder eingespielt. Die Zusammenarbeit war so fruchtbar, dass wir die Jungs komplett an uns binden wollten. Unsere Strategie…
Warte, zur Strategie kommen wir noch. Lass uns mal kurz noch im Jetzt bleiben. Wo steht die flaregames heute?
Wir sind im fünften Jahr nach Gründung, haben gut Hundert Mitarbeiter. Wir machen achtstellig Umsatz, sind profitabel und wachsen deutlich.
Aber 2015 stand es mal eine Weile nicht so gut?
Games sind ein hartes Business. Wir haben bereits zwei Mal den Bedarf gesehen, einen Pivot zu machen, also die Ausrichtung der Firma wesentlich zu ändern. Gleich 2012, nicht mal ein Jahr nach Gründung, haben wir die Entwicklung des Location-based-Games eingestellt, für das wir die Firma eigentlich gegründet hatten, und uns breiter mit Free-to-Play-Spielen aufgestellt. 2015 haben wir die interne Entwicklung in Karlsruhe komplett eingestellt, um uns voll auf die Tätigkeit als Publisher zu konzentrieren. Das war eine harte Zeit, wir mussten kurzzeitig schrumpfen. Aber es war notwendig, und jetzt sind wir über den Berg.
Vom Spieleentwickler zum Publisher. Erklär mal rasch, was ein Publisher ist und was der bei der Games-Entwicklung mit an den Tisch bringt.
Der Publisher ist quasi der Verleger im Games-Geschäft, wir suchen gute Entwicklerstudios mit unfertigen Produkten und entwickeln diese gemeinsam zur Marktreife. Als Expertise bringen wir vor allem die technische Infrastruktur des Livebetriebs, die Monetarisierung der Spiele und Marketing/PR ein. Wir finanzieren auch die Entwicklung und schicken schon mal eine Entwicklertruppe zur Hilfe, wenn beim Partner die Ressourcen knapp werden. Das ist ein bewegliches Modell, jeder Entwickler hat andere Stärken und braucht an anderen Stellen Unterstützung. Unsere Vergangenheit als Entwicklungsstudio hilft uns da sehr, diese Bedürfnisse zu verstehen.
Jetzt wäre ein guter Moment, um den Faden zur flaregames-Strategie von weiter oben wieder aufzunehmen.
Klar. Also, unsere Ansatz ist es, mit den besten Entwicklerstudios der Welt zu arbeiten. Wir suchen Partner, die etwas vom Spielemachen verstehen und die Verständnis für die Märkte haben. Erfahrene Entwickler, die wissen, was sie wollen. Wir nehmen nur die Besten, bringen dafür aber auch viel ein. Wir bauen mit ihnen ein Portfolio von Games, die sich dann durch Crosspromotion unterstützen können. Wir zielen auf Spiele im Bereich Rollenspiel und Strategie, die sich idealerweise leicht auf andere Themen anpassen lassen. Zudem versuchen wir, einen universellen weitweiten Geschmack zu treffen, um sowohl im Westen als auch in den gigantischen Märkten Asiens erfolgreich sein zu können. Das ist uns bisher ganz gut gelungen, mit Royal Revolt 2 hatten wir einen starken Auftritt in Südkorea; unser jüngster Titel Nonstop Knight macht gerade sehr guten Umsatz in China.
In euren ersten Jahres hörte man oft von der „arschlochfreien Firma“. Ein mutiges Motto, das in der erste Phase vermutlich auf viele Startups zutrifft, aber lässt sich das im Wachstum durchhalten?
Wir verwenden den Spruch nicht mehr so offensiv wie früher, aber in der Sache hat sich nichts geändert. Wir schleusen jeden Kandidaten durch einen sehr aufwändigen mehrstufigen Prozess, bei dem es neben der fachlichen Eignung auch sehr um das Menschliche geht. Wir wollen die Leute so gut kennen lernen, wie es irgend möglich ist. Das ist nicht einseitig: Die Kandidaten sollen auch uns gut kennen lernen und eine klare Vorstellung von dem Job entwickeln.
Jeder zukünftige Angestellte muss bei uns für wenigstens einen Tag Probe arbeiten und sich dabei mit den Kollegen auseinander setzen. Das Feedback der Mitarbeiter auf diese Probearbeit und die abschließende Präsentation vor der gesamten Belegschaft ist ein wichtiges Kriterium bei der Entscheidung, jemanden einzustellen. Ich bin auch sehr zufrieden mit unserer Trefferquote, ehrlich gesagt. Derzeit arbeiten Menschen aus knapp 30 Nationen für flaregames.
Wie würdest du eure Firmenkultur beschreiben?
Kooperativ, anpackend, unterstützend. Wir sind zudem sehr offen, was Zahlen angeht. Ich kann nicht verlangen, dass sich jeder mit meiner Firma identifiziert, möchte aber alles tun, um das zu fördern. Da gehören Fairness und Transparenz notwendig dazu. Das Wichtigste ist aber ein Gefühl von Selbstwirksamkeit: Wer das Gefühl hat, das seine Leistung nicht wertgeschätzt wird oder nichts zu Gelingen der Unternehmung beträgt, wird irgendwann unglücklich. Wir wollen allen die Chance geben, sich einzubringen, wir fördern die Diskussion und belohnen gute Ideen.
Karlsruhe ist kein ganz typischer Gamesfirmen-Standort, neben euch gibt es eigentlich nur noch die Gameforge als größeren Player. Wie bist du mit der Stadt zufrieden?
Ach, Karlsruhe hat Vor- und Nachteile, wie jede Stadt. Es gibt eine tolle Uni, so dass es nicht an Nachwuchs mangelt, das Leben hier ist halbwegs bezahlbar, die Verkehrsanbindung ist gut. Zuweilen kriegen wir mal eine Mitarbeiterin nicht, die wir gerne gehabt hätten, weil sie lieber nach London geht. Oder ein Kandidat sagt uns ab, weil er das Nachtleben in Berlin besser findet. Aber das ist selten, wir suchen vor allem erfahrene Mitarbeiter und stellen eher Leute ein, die die wilde Phase mit dem Nachleben schon hinter sich haben – und Karlsruhe explizit auch als guten Ort sehen, um eine Familie zu gründen.
Zudem haben wir einen starken internationalen Fokus, wir streben an, mehr ausländische als deutsche Kollegen zu beschäftigen, weil sich im Kulturenmix Produkte für internationale Märkte leichter entwickeln lassen. Und ehrlich, den Indern, Amerikanern, Chinesen, die zu uns kommen, ist egal, ob wir in Berlin, Frankfurt oder eben Karlsruhe sitzen. In der Firma sprechen wir ohnehin nur Englisch, da fällt die Umstellung leichter.
Vielen Dank für das Gespräch, Klaas.