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Gastbeitrag für das Webmagazin „Techtag“ von Gerd Meyer-Philippi, Co-Founder und Geschäftsführender Gesellschafter des Healthtech-Start-Ups Tantum Sana

Ärzte, Rezepte, Medikamente, Medikamenteneinnahmeplan, Medikamente vorrichten, Medikamente einnehmen – und dann oftmals noch unerwünschte, teils dramatische Wechselwirkungen zwischen einzelnen Präparaten. Da kann man als Patient schnell durcheinander kommen. Hinzu kommt, dass niemand wirklich die Übersicht hat, welche Medikamente zu welchem Zeitpunkt und in welcher Kombination eingenommen werden müssen. Ein großes gesellschaftliches und gesundheitliches Problem, das immer mehr an Relevanz gewinnt. Nicht zuletzt deshalb, da die verschiedenen behandelnden Ärzte der betroffenen Patienten nichts voneinander wissen und keinen Überblick darüber haben, welche Medikamente sie noch von anderen Medizinern verschrieben bekommen haben und einnehmen – denn jeder Arzt ist nur auf sein Fachgebiet spezialisiert.

Doch auch der Apotheker – der eigentliche Fachmann mit pharmakologischer und pharmazeutischer Fachausbildung – hat die Übersicht üblicherweise nicht. Oftmals gibt es nämlich nicht den einen Apotheker, bei dem alle Fäden und Rezepte gebündelt zusammenlaufen – und somit wissen auch die Apotheken nicht, was alles eingenommen wird. Eine gefährliche Gemengelage mit oftmals dramatischen gesundheitlichen Folgen.

Entwicklung eines digitalen Medikamentenmanagement-Systems

Vor diesem Hintergrund wurde 2021 das Healthtech-Start-Up Tantum Sana gegründet, das bereits in den vorangegangenen Jahren ein digitales Medikamentenmanagement- und -Vergabesystem für zuhause entwickelt hatte. Die technische Lösung besteht dabei aus einer Cloud, einem intelligenten Medikamentenspender, mehreren Apps sowie einem Front End für die Apotheke. Der Ursprung der Idee entstand im privaten Umfeld des Teams von Tantum Sana, nachdem damals bei Angehörigen Probleme aufkamen, die viele Medikamente täglich einnehmen müssen.

Dadurch kam die Frage auf, welche Lösung es für die oben beschriebenen Probleme geben kann. Dabei wurde schnell klar, dass die Unterstützung digitaler Technik zielführend sein wird. So wurde dann maja sana entwickelt, das digitale Medikamentenmanagement- und -Ausgabesystem. Das gesamte Medikamentenmanagement läuft über eine zertifizierte Vor-Ort-Apotheke, bei der alle Rezepte des Patienten eingehen. Sie übernimmt auch die Erstellung eines Gesamtmedikationsplan, bei dem alle Medikamente aufeinander abgestimmt bzw. auf Wechselwirkungen geprüft wurden. Im Zweifelsfall stimmt sich die Apotheke auch mit den behandelnden Ärzten ab.

Wie digitale Gesundheitslösungen und Medizintechnik die Pflege entlasten können

Danach werden die Medikamente automatisiert maschinell für 7 oder 14 Tage vorgerichtet. Dabei können beliebig viele Einnahmezeitpunkte je Tag berücksichtigt werden. Gleichzeitig wird der Gesamtmedikationsplan direkt in die Cloud und von dort in den Medikamentenspender zuhause beim Patienten oder älteren Menschen übertragen. Die in kleinen Tütchen vorgerichteten Medikamente können in der Apotheke abgeholt werden, der Fahrdienst der Apotheke liefert sie nach Hause oder die Post liefert sie. Der Medikamentenspender ist seniorengerecht gestaltet und mit einer One-Touch-Bedienung völlig einfach und intuitiv bedienbar. Zu jedem Einnahmezeitpunkt des Tages meldet er sich akustisch und optisch. Übersieht der Mensch dies, so wird direkt zeitnah ein Angehöriger, der Pflegedienst oder Notdienst per App oder SMS informiert.

Durch diesen in sich konsistenten Gesamtprozess wird erkennbar Zeit und auch Pflegepersonal gespart. Das ist allerdings auch notwendig, denn die Zahlen sind alarmierend: Bald werden gut 500 000 ausgebildete Pflegekräfte fehlen. Pflegende Angehörige werden somit erkennbar zeitlich und auch mental entlastet. Von ihnen fühlen sich aktuellen Studien zufolge nämlich über 70 Prozent mit dem Vorrichten der Medikamente überfordert. Zudem werden rund eine Million jährlicher Krankenhauseinweisungen aufgrund von unnötigen Medikationsproblemen oder vergessene Einnahmen drastisch reduziert. Nicht außer Acht gelassen werden dürfen in diesem Zusammenhang die Krankenkassen, denen aktuell durch die Problematik Kosten in Höhe von mehr als 10 Milliarden Euro entstehen.

Mehr Zeit für Zwischenmenschliches und für Pflegende

Der gezielte Einsatz von digitaler Technologie und Medizintechnik im Gesundheitswesen kann all dem entgegenwirken. Neben den oben geschilderten Vorteilen kommt hinzu, dass auch wieder mehr Zeit für Zwischenmenschliches entsteht. Das ist gerade für ältere Menschen sehr wichtig, die länger selbstbestimmt zuhause leben wollen – und vielleicht auch müssen. Bald werden es 6 Millionen Senioren sein, die mit einem Pflegegrad zuhause leben. Sinnvolle digitale Lösungen erleichtern diesen Menschen eine Menge im Alltag.

Der digitale Medikamentenspender kann deswegen auf Dauer auch mehr. Er wird zum zentralen Gesundheitshub weiterentwickelt. Sein Herzstück ist das integrierte Tablet, welches stets alle aktuellen Kommunikationsmöglichkeiten bietet. So können medizinische Wearables per Bluetooth die Vitaldaten in den Hub übertragen, der dem Menschen mitteilt, wenn sich negative Veränderungen zeigen. Der Hub unterstützt den Patienten also aktiv in seinem Bemühen, möglichst gesund zu bleiben. Sucht der Patient einen Arzt auf, so sind seine medizinischen Daten auf seiner App automatisch abgespeichert und er kann sie dem behandelnden Arzt zeigen. Ein weiterer Vorteil ist die Daten- und IT-Sicherheit. Kein Arzt oder Krankenhaus benötigt somit einen direkten Zugang zur Cloud.

Auf der einen Seite ist die Gesundheitsbranche zwar zweifellos ein tolles Einsatzfeld für ein Start-Up, auf der anderen Seite aber auch ein hohes Risiko. Denn es reicht nicht, eine sinnvolle digitale Lösung zu bieten. Um im deutschen Gesundheitswesen auf Dauer erfolgreich zu sein, benötigt es tiefgehende Kenntnisse, viel Erfahrung – und vor allem viel Optimismus.