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Am 3. August 1984 um 10.14 Uhr mitteleuropäischer Zeit landete die erste direkte E-Mail Deutschlands in den Postfächern von Werner Zorn, dem damaligen Leiter der Informatik-Rechnerabteilung an der Universität Karlsruhe. Und noch heute spielt die Fächerstadt dank WEB.DE und GMX eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung des elektronischen Postversands.

karlsruhe.digital hat sich mit Jan Oetjen, Geschäftsführer von WEB.DE und GMX, über die Rolle der E-Mail in einer digitalisierten und globalisierten Welt unterhalten.

Vor 35 Jahren wurde die erste E-Mail nach Deutschland versandt. Wie hat sich diese Technologie seither weiterentwickelt?

Oetjen: Anfangs war die E-Mail nur an Universitäten verbreitet. Kein Wunder, denn zu der Zeit brauchte man noch Computer von der Größe einer Waschmaschine und Experten nutzten die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, um Wissen auszutauschen. Für den Durchbruch sorgte das Aufkommen kostenloser Angebote in den 1990er Jahren. In Karlsruhe trug WEB.DE mit dem Start des kostenlosen E-Mail-Angebots FreeMail 1998 maßgeblich dazu bei. Am Anfang gingen viele Nutzerinnen und Nutzer noch sehr spielerisch und mit einer Portion Skepsis mit dem neuen Medium um.

35 Jahre E-Mail
Jan Oetjen ist Geschäftsführer von WEB.DE und GMX.

Zunächst waren deswegen überwiegend anonyme Absender-Adressen wie Supermikey@web.de im Trend. Mit der Jahrtausendwende änderte sich das: Bei Bewerbungen, in der Kommunikation am Arbeitsplatz mit Kunden und Kollegen oder auch im Freundeskreis setzten sich immer mehr der eigene Name als Zeichen der Nutzeridentität durch. Die E-Mail hat sich seither zum persönlichen Tor ins Internet entwickelt: Bei nahezu jedem Dienst vom Online-Shop bis zum Sozialen Netzwerk erfolgt die Anmeldung mit der E-Mail-Adresse.

Wie wichtig sind E-Mails heute für die Kommunikation in Unternehmen?

Oetjen: Die E-Mail hat die Kommunikation in der Geschäftswelt revolutioniert. Sie ist schnell, günstig und jeder ist damit zu erreichen. Mehr als zwei Drittel der deutschen Arbeitnehmer nutzen sie regelmäßig wie eine Studie von United Internet Media zeigt. Weltweit wächst die geschäftliche E-Mail-Nutzung laut Radicati seit Jahren konstant und erreicht zum Jahresende 2019 einen neuen Höchstwert von 130 Milliarden Mails täglich.

Wie viele Mails werden mittlerweile eigentlich in Deutschland versandt und wie schätzen Sie die Entwicklung in den kommenden Jahren ein?

Oetjen: Im Jahr 2018 wurde in Deutschland mit 848,4 Milliarden ein neuer Rekord für das E-Mail-Volumen aufgestellt. Damit ist das E-Mail-Volumen in deutschen Postfächern um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Für 2019 erwarten die Datenanalysten von WEB.DE und GMX einen erneuten Anstieg des E-Mail-Volumens in Deutschland. Dies liegt am ungebrochenen E-Commerce-Boom. Hinzu kommt der Langfristtrend zur Digitalisierung des Briefmarkts, der aktuell durch steigende Portokosten einen neuen Impuls bekommen hat.

Gerade die jüngere Generation kommuniziert heute vor allem über Messenger-Dienste wie WhatsApp. Ist die E-Mail deshalb schon ein Auslaufmodell?

Oetjen: Mobile Messenger haben die SMS und vor allem die klassischen Messenger wie ICQ weitgehend ersetzt, nicht aber die E-Mail. Für beide gibt es unterschiedliche Nutzungsanlässe.

Mit einer Messenger-App wird man eher mal einen spontanen Gruß versenden oder sich zum Essen verabreden. Für offiziellere Kommunikation ist sie aber keine Alternative. Dafür wird nach wie vor die E-Mail verwendet. Hierbei spielt insbesondere die zunehmende Kommunikation mit Behörden oder Firmen eine große Rolle.

Wo liegen auch heute noch die Vorteile einer E-Mail?

Oetjen: E-Mail ist einer der wenigen verbliebenen offenen Standards – egal bei welchem Anbieter man seine E-Mail-Adresse hat, man kann immer untereinander kommunizieren. Das ist bei sozialen Netzwerken oder Messenger-Diensten anders. Wer nicht beim gleichen Anbieter ist, kann keine Nachrichten austauschen, was einen Anbieterwechsel schwer bis unmöglich macht, auch wenn man sich noch so sehr ärgert oder misstraut. Das wird zunehmend zum Problem, weil die Skepsis gegenüber den großen US-Playern durch die Datenschutzsskandale – z.B. rund um Cambridge Analytica – gestiegen ist.

Wenn Nutzer auf europäische Alternativen ausweichen, erreichen sie dort aber nicht mehr alle Kontakte. Außerdem ist E-Mail zur Zentrale des digitalen Lebens geworden. Hier laufen alle Informationen von Newslettern und Angeboten über Rechnungen bis hin zu Bestellbestätigungen zusammen. Sie fungiert sozusagen als digitales Gedächtnis.

Gibt es bei der E-Mail eigentlich noch Entwicklungspotenzial oder ist das Konzept bereits ausgereift?

Oetjen: Im IT-Bereich finden permanent Veränderungen statt. In den vergangen Jahren haben wir mit den Themen Verschlüsselung für E-Mail und Cloud Entwicklungen im Bereich Sicherheit vorangetrieben. Bei der Spam-Bekämpfung nutzen wir immer mehr die Möglichkeiten durch künstliche Intelligenz. Aktuell sind wir außerdem dabei, neue Tools zu entwickeln, um Nutzern bei der Organisation des Online-Alltags zu helfen. Das reicht von Assistenzfunktionen zum Sortieren von Mails bis hin zu Office-Anwendungen. WEB.DE und GMX bieten schon jetzt Services zur automatischen Paketverfolgung und Newsletter-Verwaltung an – weitere werden folgen.

Und wird es in 35 Jahren immer noch E-Mails geben?

Oetjen: 35 Jahre sind in der digitalen Welt natürlich eine Ewigkeit. Aber ich bin sicher: Die Digitalisierung wird weiter voranschreiten und die E-Mail wird dabei weiterhin eine zentrale Rolle spielen.

Ekart arbeitet seit 2003 als freiberuflicher Journalist, PR-Berater und Dozent in Karlsruhe. Vorher hat er an der Universität Karlsruhe Maschinenbau studiert. Sein dadurch erlangtes technisches Rüstzeug lässt er heute in zahlreiche Veröffentlichungen über die boomende Karlsruher IT-Branche im Wirtschafts- und Wissenschaftsteil der Tageszeitung BNN mit einfließen. Seine Freizeit verbringt er aber hauptsächlich in der analogen Welt, nämlich auf dem Tennisplatz, in der Handballhalle oder beim Wandern mit der Familie im Pfälzerwald.