Volocopter gilt nicht nur als Flugtaxi-Pionier, sondern auch als Vorreiter der gesamten Urban Air Mobility. Wir haben mit Volocopter Mitgründer Alexander Zosel über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Technologie gesprochen.
Lieber Alexander, sogenannte „Flugtaxis“ sind heute in aller Munde, aber eure Geschichte reicht bis ins Jahr 2011 zurück. Damals habt ihr den ersten bemannten Flug mit einem rein elektrisch angetriebenen Luftfahrzeug bei Karlsruhe absolviert. Wie entstand denn überhaupt diese Idee?
Die Idee hatte mein Mitgründer Stephan Wolf, als er damals seinem Sohn eine Spielzeugdrohne kaufte. Ihn faszinierte, dass die Drohnentechnologie so einfach ist, dass sogar Kinder sie fliegen können. Also setzte er sich hin, um auszurechnen, ob und wie es möglich wäre, Drohnen so groß zu bauen, dass ein Mensch damit fliegen könnte. Das stellten wir Ende 2011 unter Beweis.
Seither ist viel passiert. Erst vor einigen Monaten gab es erste Testflüge des Volocopters über Singapur und Stuttgart. Warum gerade diese beiden Städte?
Die meisten Testflüge des Volocopters haben hier in Bruchsal stattgefunden. Stuttgart war ein besonderer Moment für uns, da wir die Technologie so direkt vor unserer Haustür zeigen konnten. Das bedeutete eine enge Zusammenarbeit mit den Behörden und der Stadt Stuttgart, zeigte aber auch, dass Deutschland hier sehr fortschrittlich ist.
Der erste Kontakt mit Singapur kam bereits 2017 zustande. Als eine der innovativsten Städte weltweit beim Thema Mobilität und Smart City, ist Singapur ein perfekter Ort um unsere Flugtaxi-Technologie zu zeigen.
Aus euren bisherigen Erfahrungen: Stehen unterschiedliche Länder dieser neuen Form der Mobilität unterschiedlich offen gegenüber?
Tatsächlich bekommen wir von Städten aus allen Ecken der Welt Anfragen unsere Volocopter Flugtaxi-Technologie einzusetzen. Das Interesse ist also gleichermaßen groß. Nichtsdestotrotz gibt es einige Länder und Städte, die sich das Thema Smart City auf die Fahnen geschrieben haben. Sie wollen Innovationstreiber sein. Bekannt sind hier Singapur und Dubai, mit denen wir zusammenarbeiten. Wichtig zu beachten ist, dass die Regulierung und Zulassung von Flugtaxis eine internationale Angelegenheit ist.
Das heißt, egal wie groß die Offenheit einer Stadt für das Thema Urban Air Mobility ist, die Zulassung der Flugtaxis ist Voraussetzung. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit legte den Standard erstmals fest und fordert, dass Flugtaxis genauso sicher sind wie Airliner heutzutage. Das ist der Sicherheitsstandard auf den unser Produkt ausgerichtet ist.
Auf eurer Website legt ihr euren Schwerpunkt auf das urbane Umfeld. Aber könnte der Volocopter nicht gerade auch im ländlichen Raum Mobilitätsprobleme lösen?
Der Volocopter basiert auf Multikopter-Technologie und ist radikal auf den Einsatz auf kurzen innerstädtischen Strecken optimiert. Das heißt: ein extrem stabiler Flug und ein möglichst leises Sound-Profil, denn es ist stressig genug in einer Großstadt zu leben. Mit unserem VoloCity Design wird man das Flugtaxi im Überflug auf 100 Meter überhaupt nicht mehr hören können.
Strecken bis zu 35 Kilometer in der Stadt oder auch im ländlichen Raum können wir da wunderbar bewältigen.
Blicken wir in die Zukunft: Wer wird im Volocopter unterwegs sein und wie kann man sich eine solche „Reise“ dann vorstellen?
Wir glauben daran, dass viele Geschäftsreisende, Touristen, aber auch Pendler den Volocopter nutzen werden. Und zwar werden Volocopter auf den am meisten mit Stau belasteten Strecken eine Ergänzung zur existierenden Infrastruktur bieten. Damit sollen Flugtaxis langfristig auch für jeden erschwinglich sein.
Wir haben in Singapur den ersten VoloPort-Prototypen gebaut. Das ist die Infrastruktur, in der man zukünftig in den Volocopter einsteigt. Es ist ähnlich einfach wie Taxi fahren. App rausholen, Volocopter buchen und pünktlich zum Abflugort kommen, einsteigen und direkt ans Ziel fliegen. Und das Beste daran: Auf dem Weg ans Ziel kannst du deine Stadt von oben erleben!
Welche Hürden müssen bis dahin noch gemeistert werden?
Es gibt drei Punkte, die erfüllt sein müssen bis Flugtaxis kommerziell eingesetzt werden können:
- Das Flugtaxi muss von einer internationalen Flugsicherheitsbehörde zertifiziert worden sein.
- Es muss eine Start- und Landeinfrastruktur existieren.
- Der Verkehr in der Luft von Flugtaxis und Rettungshubschraubern sowie kleineren Drohnen muss geregelt sein.
Alle drei Aspekte sind bereits in Bearbeitung und es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann Flugtaxis kommerziell eingesetzt werden können. Wir arbeiten bereits mit der EASA und gehen davon aus, dass wir in den nächsten zwei bis vier Jahren unseren VoloCity zertifiziert bekommen. Den VoloPort-Prototyp haben wir in Singapur vorgestellt – und in Helsinki bewiesen wir Ende August, dass wir schon heute in die Flugsicherungs-Software für Flughäfen und den unteren Luftraum integriert fliegen können.
Welche anderen Einsatzgebiete als den Personentransport seht ihr für eure Produkte? Auf der Agritechnica habt ihr beispielsweise zusammen mit John Deere die erste Großdrohne vorgestellt, die für den landwirtschaftlichen Einsatz adaptiert wurde. Was ist noch denkbar?
Die VoloDrone ist eine Lastenversion des Volocopters. Damit können wir Anwendungsfälle in der Logistik, Landwirtschaft, Infrastruktur und öffentlichen Versorgungsindustrie bedienen. Unsere VoloDrone ist eine unbemannte, vollelektrisch angetriebene Schwerlastdrohne, die mit maximaler Beladung von 200 Kilogramm bis zu 40 Kilometer weit fliegen kann.
Dank eines standardisierten Befestigungssystems kann sie eine Vielzahl von Einsatzzwecken erfüllen und beispielsweise Kisten, Flüssigkeit oder Maschinen transportieren. Somit sind der VoloDrone wenige Grenzen gesetzt. Neben der Landwirtschaft haben wir auch Anfragen aus der Hafenlogistik und dem Bauwesen.
Dabei glaube ich, dass wir uns die Möglichkeiten gar nicht alleine vorstellen können. Da werden wir mit vielen Leuten aus der Wirtschaft zusammenarbeiten, die uns sagen, wie die VoloDrone ihre Arbeit erleichtern kann und dann gemeinsam das Produkt personalisieren.
Welche Bedeutung hat für euch der Großraum Karlsruhe als Unternehmensstandort?
Wir sind hier tief verwurzelt. Besonders in den frühen Jahren waren die ganzen Hidden Champions, die hier in der Region sind, ein Segen. Wir sind viele Kooperationen eingegangen und konnten so unseren Traum weiterentwickeln. Dabei hatten wir auch immer Unterstützung von der Regierung und den Behörden hier vor Ort. Das ist viel wert.
Zudem findet man hier genau die Talente, die man braucht, wenn man ganz neue Technologien entwickeln möchte – wie wir das tun.