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Künstliche Intelligenz (KI) erlebt derzeit einen Hype. Keine Frage, Artificial Intelligence (engl. für KI) ist thematisch allgegenwärtig; doch in der Realität zeigen sich einige fragwürdige Aussagen zum Thema. Das Magazin CIO hat dazu nun 15 ‚Glaubenssätze’ näher unter die Lupe genommen. Eines vorweg: AI-Plattformen bestehen in der Regel aus einem Bündel unterschiedlicher Technologien und von Intelligenz kann nun wahrlich keine Rede sein. Also alles nur Marketing?

Ich will nicht alle Mythen des Artikels aufwiegen und vergleichen. Doch einige Aussagen sind es wert, sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Zunächst einmal, was ist überhaupt Artificial Intelligence? Die von uns geprägte künstliche Intelligenz ist eine Art Simulation von menschlichen Prozessen, die von Maschinen erledigt werden. Die Herausforderung ist dabei nicht das eigentliche Ausführen von Tätigkeiten. Vielmehr umfassen diese Prozesse das Lernen, die selbstständige Beschaffung von Informationen und die Nutzung dieser Informationen, das Denken sowie die Selbstkorrektur.

Und bereits jetzt kann ich vielen die Illusion einer funktionierenden künstlichen Intelligenz nehmen: „Der Pädagoge Howard Gardner unterscheidet acht Arten der Intelligenz: sprachlich-linguistisch, logisch-mathematisch, musikalisch-rhytmisch, bildlich-räumlich, körperlich-kinästhetisch, naturalistisch, interpersonell (oder sozial) und intrapersonell“, so das Magazin CIO. Seit Jahrzehnten forschen Wissenschaftler an AI-Projekten, bis heute ist es nicht einmal annähernd gelungen, menschliche Verstandes- geschweige denn Gehirnleistungen als Ganzes mit Maschinen nachzuvollziehen. Ein Grund, warum sich die Ingenieure eher auf Teilbereiche konzentrieren.

Mythos 5 – Künstliche Intelligenz verfügt über menschliche Züge

Mythos 5 finde ich persönlich am interessantesten; auch weil es meine kritische Haltung gegenüber denkenden Computern und Maschinen bestätigt. ‚Künstliche Intelligenz verfügt über menschliche Züge’. CIO dazu: „Hochentwickelte Data-Analytics-Software arbeitet daran, menschliches Verhalten möglichst genau vorherzusagen und mit dem Nutzer so zu kommunizieren, dass die Illusion eines menschlichen Gegenübers entsteht. Eine Illusion bleibt es dennoch.“ 100 Prozent Zustimmung. Da gibt es zum Beispiel den Loebner-Preis, der seit 1991 einen Goldmedaillensieger sucht. Genauer gesagt geht es um den sogenannten Turing-Test, bei dem eine Maschine gegen einen Menschen antritt und mittels Chat-Programm bestimmte Aufgaben lösen muss: Mensch und Maschine versuchen einen Tester davon zu überzeugen, dass sie denkende Menschen sind. Wenn der Proband sich nicht sicher ist; beide nicht mehr einer Maschine zuordnen kann, spricht man von Maschinen-Intelligenz. Der US-Soziologe Hugh G. Loebner lobte also vor knapp 26 Jahren den erwähnten Preis aus; und noch immer sind 100.000 Dollar für das perfekte Computerprogramm ausgeschrieben, das den Turing-Test besteht und eine Expertenjury hinters Licht führt. Ach ja, bis heute hat niemand den Preis an sich reißen können.

Kategorien des Loebner-Preises (Quelle: Wikipedia)

  • Bronzemedaille: 4.000 US-Dollar (Stand 2015), für das Programm, das sich als das „menschenähnlichste“ erweist (jährlich vergeben).
  • Silbermedaille: 25.000 US-Dollar, besteht das Programm den schriftlichen Turing-Test.
  • Goldmedaille: 100.000 US-Dollar, sollte das Programm den totalen Turing-Test bestehen, bei dem auch Multimedia-Inhalte wie Musik, Sprache, Bilder und Videos verarbeitet werden müssen.

Mythos 8: Künstliche Intelligenz ist selbstlernend

Ebenfalls nennenswert – Mythos 8: Künstliche Intelligenz ist selbstlernend. CIO schreibt, dass auch dabei dem System automatisch Grenzen gezogen werden. Zudem sollen Verantwortliche nicht den Aufwand unterschätzen, der bei einem sogenannten Re-Training Künstlicher Intelligenz benötigt wird.

Das Ganze könnte unter der Theorie ‚Seed AI’ von Eliezer Yudowsky geführt werden. Sie beschreibt die Möglichkeit, dass sich Rechner oder Maschinen selbst korrigieren und dazulernen, indem sie rekursiv ihren eigenen Programmcode – ohne menschliches Zutun – verbessern. Anfänglich hätte dieses Programm wahrscheinlich eine minimale Intelligenz, aber im Laufe vieler Generationen würde es sich zu einer sogenannten human-äquivalenten oder gar darüber hinaus gedachten Argumentation entwickeln. Dem sogenannten Transhumanismus. Sie ahnen es: Leider existiert eine sich selbstoptimierende künstliche Intelligenz noch nicht.

Der Mythos 11: positive Veränderung fürs Unternehmen

Der Mythos 11 beschäftigt sich mit der eigentlichen Veränderung: ‚Künstliche Intelligenz wird ihre Branche verändern – sichern Sie sich jetzt eine Führungsrolle’. CIO bringt es auf den Punkt: „Dieser Anspruch passt nicht zu jedem Unternehmen. Für viele Firmen wird es besser sein, von den Best Practices anderer zu lernen.“

Generell sollten Unternehmen zunächst in den erwähnten abgegrenzten Bereichen des eigenen Unternehmens experimentieren. „Dabei sollten auch diese Experimente einen konkreten Business-Nutzen erfüllen“, so CIO. Klar ist, derzeit kann die AI betriebsinterne Prozesse vereinfachen und beschleunigen – personalaufwändige Abläufe können automatisiert und effizienter gestaltet werden. Mit der eigentlich Wunschvorstellung einer KI hat das allerdings noch nichts zu tun.

Fazit und Mythos 15: alles wird gut

Als letztes möchte ich Mythos 15 kurz beleuchten. Die letzte Wunschvorstellung ist gleichzeitig der Beginn meines Fazits. Künstliche Intelligenz wird keine frostigen Zeiten erleben. Laut CIO wird der Hype um AI „Desillusionierungen und Enttäuschungen nach sich ziehen“. Der springende Punkt ist allerdings, dass sich „die Technologien weiterentwickeln werden und es liegt an uns vernünftig mit ihr umzugehen“.

Keine Frage, die Enttäuschung wird groß sein, auch weil wir meines Erachtens kein System mit ‚richtiger’ Intelligenz entwickeln werden. Der Begriff des maschinellen Lernens ohne menschliches Eingreifen ist seit 58 Jahren bekannt. Kein Witz. 1959 erklärte Arthur Samuel, dass das maschinelle Lernen ein Studiengebiet beschreibt, das Computern die Fähigkeit gibt, ohne explizit programmiert zu werden, zu lernen.

Mittlerweile können Computer mit einer Vielzahl von Methoden lernen, darunter fallen beispielsweise neuronale Netze. Das Problem: Die Hirnfunktionen sind bis heute nicht tiefgreifend erforscht. Spätestens beim autonomen Fahren wird das deutlich. Und erhält etwa ein Rechner fehlerhafte Informationen über neuronale Netze, muss dieser die zuvor erlernten Fähigkeiten wieder neu lernen. Selektierte Wissenszufuhr ja, löschen von fehlerhaften Informationen nein; eine wie ich finde dumme Konstellation. Daher würde ich Artificial Intelligence einer guten Programmierung zuschreiben, aber keiner Intelligenz. Das muss allerdings auch nicht schlecht sein. Die positive Sichtweise ist dann wieder Aufgabe des Marketings.