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Wer an Kosmetik denkt, der mag zunächst an haptische Gegenstände wie, Lippenstift oder Pinsel denken. Obgleich die Kosmetikbranche im Vergleich zu Automotive oder dem Handel in Sachen Digitalisierung noch am Anfang steht, zeigen Trends wie intelligente Haarbürsten oder digitale Hautpflege, wo es in Zukunft hingehen wird. Mit Bernd Preuschoff, Vice President Digital Transformations bei Schwan Cosmetics, haben wir uns näher über dieses Thema unterhalten.

Lieber Herr Preuschoff, Sie sind Vice President Digital Transformations beim Unternehmen Schwan Cosmetics. Was sind Ihre Aufgaben?

Mein Aufgabenbereich umfasst die komplette Konzeption des Digital-Themas für Schwan Cosmetics: Aufbau einer passenden Organisation und des dazugehörigen Teams, Definition einer digitalen Strategie zur Überführung unserer Innovationsführerschaft in die digitale Welt, Identifikation von richtigen Projekten, sowie den Aufbau eines Partnernetzwerks, welches uns Beschleunigung ermöglicht. Darüber hinaus bin ich natürlich der „Botschafter“, der Mitarbeitern das Thema Digitalisierung näherbringt und sie auf diese Reise mitnimmt.

Wie kamen Sie in die Kosmetikbranche?

Kosmetikbranche
Bernd Preuschoff ist Vice President Digital Transformations bei Schwan Cosmetics. (Bild: Schwan Cosmetics)

Ehrlicherweise per Zufall – zunächst habe ich, wie vermutlich viele, beim Begriff Digitalisierung nicht sofort an die Kosmetikbranche gedacht. Als dann jedoch die Anfrage kam, habe ich mir den Markt angeschaut und gesehen, wie viele Möglichkeiten es hier gibt, den Nutzern neue Experiences zu verschaffen. Und nachdem Schwan Cosmetics zu den Marktführern gehört, waren die Voraussetzungen für mich perfekt, um dieses Thema mit anzugehen. Je länger ich dabei bin, umso besser gefällt mir das: Wir ermöglichen Menschen, schön zu sein, wie sie es sich wünschen.

Wie digital ist die Kosmetikbranche bereits und welche Innovationen braucht sie noch?

Im Vergleich zu anderen Branchen wie beispielsweise Automotive oder Retail steht die Branche sicher noch am Anfang. Viele Unternehmen haben bereits erste Schritte unternommen, sich dem Thema zu nähern – aus meiner Sicht sind diese Ansätze jedoch immer noch eher frontend- und produktorientiert und versuchen, die bis dato übliche Wertschöpfungskette mit digitalen Lösungen anzureichern oder einzelne Produkte etwas „smart“ zu machen. Sicher hat die breite Nutzung von Social Media vieles verändert, aber auch hier sehen wir mehr Reaktion als konkretes Gestalten. Wahre digitale Transformation, die Prozesse und Erlebnisse grundlegend verändert, sehen wir noch selten – daher wollen wir das ändern.

Was sind aktuelle Tech-Trends für Startups auf dem Beautymarkt?

Viele Startups in der Beauty-Szene sind letzten Endes eigentlich wiederum Produkanbieter, die sich auf bestimmte Nischen oder Kundensegmente fokussieren und damit den etablierten Großsortiment-Anbietern das Leben schwerer machen. Das klassische Technologie-Startup, wie wir es sonst kennen, gibt es aus meiner Sicht noch selten und Plattform-Modelle setzen sich nur sehr schwer durch. Technologisch gesehen, experimentieren natürlich aktuell viele mit Augmented Reality, sowie ersten Ansätzen von Artificial Intelligence.

Wie wird sich die Branche durch die Digitalisierung in, sagen wir 5 Jahren, ändern?

Ich bin davon überzeugt, dass sich die klassischen Value Chains, wie wir sie früher gesehen haben, verändern werden. Produzent liefert zu Marke, diese platziert in Handel, Nutzer kauft – ich glaube, dass wir hier Modelle sehen werden, die das neu definieren. Im Automobil-Sektor galt ja auch lange die Meinung, dass Menschen ein Auto besitzen wollen; heute wissen wir, dass Menschen mobil sein wollen – das kann bedeuten, ein Auto zu besitzen, muss es aber nicht. Wenn wir das übertragen auf die Kosmetik: Menschen wollen keinen Stift kaufen, sondern schön sein, wann, wie und wo sie es wollen – dann sehen wir, welche Möglichkeiten sich da auftun, um neue Netzwerke zur Wertschöpfung zu bauen.

Welche smarte Tools und technische Lösungen werden sich im Bereich BeautyTech wohl am meisten durchsetzen?

Wenn das so offensichtlich wäre, würden es alle tun. Es besteht wohl kein Zweifel daran, dass die umfängliche Nutzung von Daten aus verschiedenen Quellen in der Zukunft eine große Rolle spielen wird, ob es zur Verbesserung der Empfehlungen, des Vertriebs oder zur Vernetzung mit Gleichgesinnten führt. In diesem Zusammenhang werden künstliche Intelligenzen und humanoide Interfaces ganz sicher ihren Platz haben, wie in allen anderen Lebensbereichen auch. Wie das jedoch genau aussehen wird oder ob bestimmte Produkte, die wir heute kennen, ersetzt werden, das wird sich erst über viel Ausprobieren herausstellen. Das ist ja gerade das Spannende in der digitalen Welt, dass wir so vieles ausprobieren können, was es vorher noch nie gab – um zu sehen, ob es uns gelingt, das Leben der Nutzer grundlegend zu verändern.

Apps als (Stil-) berater: Können Algorithmen die persönliche Beratung ersetzen?

Persönlich glaube ich, dass sinnvoll eingesetzte Daten helfen können, um sich in der menschlich nicht mehr erfassbaren Vielfalt der Produkte zu orientieren und auch, um die ersten Schritte in der Welt der Kosmetik zu machen. Insofern kann ein Algorithmus das Leben der Nutzer sicher erleichtern. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass digitale Lösungen kein Selbstzweck werden dürfen, sondern im Dienste der Menschen stehen – und schlussendlich glaube ich auch daran, dass die Schönheit eines Menschen sehr viel damit zu tun hat, ihn zu erleben. Insofern wird das persönliche Gespräch immer ein anderes Erlebnis sein als der Austausch mit einem Chatbot…und das ist gut so!