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Fast 70 Prozent der Bruttowertschöpfung in Deutschland wurden 2017 durch Dienstleistungen generiert. „Die Dienstleistungsbranche ist eine der wichtigsten Säulen der deutschen Wirtschaft“, sagt Peter Hottum, Geschäftsführer des Karlsruhe Service Research Institute (KSRI) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

Dementsprechend groß war Mitte September auch die Resonanz zum diesjährigen Karlsruher Service Summit (KSS) des KSRI. Rund 130 Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft informierten sich bei den Fachvorträgen zum Auftakt der siebten Auflage des Dienstleistungsgipfels unter dem Motto „Dienstleistungen in der digitalen Ära“ im Präsidialgebäude des KIT über die aktuellen Trends in der Branche. „Die zunehmende Digitalisierung sorgt auch im Bereich der Dienstleistungen für sehr viel Bewegung“, erläuterte Hottum die Wahl des Tagungsthemas zum zehnjährigen Bestehen des KSRI.

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Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft informierten sich bei den Fachvorträgen zum Auftakt der siebten Auflage des Dienstleistungsgipfels. Bild: Karlsruhe Service Research Institute (KSRI)

IBM-CEO Matthias Hartmann sieht Sicherheit und Transparenz als Schlüssel zum Erfolg

„In einer globalisierten Welt gewinnt die intelligente Nutzung von modernen Technologien immer mehr an Bedeutung“, sagte auch Matthias Hartmann bei seinem Impulsreferat zum Thema „Cloud, AI, Blockchain – Die Bedeutung digitaler Dienste“. Der CEO bei IBM für Deutschland, Österreich und die Schweiz war vor zehn Jahren eine der treibenden Kräfte bei der Gründung des KSRI und ist heute für die strategische Ausrichtung des amerikanischen IT-Konzerns im deutschsprachigen Raum verantwortlich. „Neue Technologien bringen immer auch neue Geschäftsmodelle hervor und darauf müssen wir entsprechend reagieren“, so Hartmann. Ganze Industriezweige befänden sich deshalb derzeit in Umwandlungsprozessen. „Vor allem für die Branchenführer stellen solche Prozesse aber ein echtes Dilemma dar“, so Hartmann weiter. Denn der Umbau der Firmen könne nur durch entsprechend ausgebildete Leute erfolgen und alleine bei IBM wurden 50 Prozent der derzeit Beschäftigten in den vergangenen fünf Jahren eingestellt.

Matthias Hartmann ist CEO bei IBM für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Bild: Karlsruhe Service Research Institute (KSRI)

Bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen wie Cloud, AI, oder Blockchain müssten sämtliche Bedenken und Gefahren bezüglich der Weitergabe von sensiblen Daten früh ausgeräumt werden. „Sicherheit ist der Schlüssel zum Erfolg“, so Hartmann. Als Beispiel für diese These nannte er die Entwicklung einer elektronischen Gesundheitsakte für die Techniker Krankenkasse. „Bei einer solchen Akte darf lediglich der Kunde entscheiden, wer seine Daten einsehen darf“, stellte Hartmann klar. Und auch das Vertrauen der Kunden in Systeme mit Künstlicher Intelligenz könne am Ende nur durch komplette Transparenz gewonnen werden.

Auch die weiteren Referenten machten sich für eine effiziente Nutzung von zeitgemäßen Technologien und den notwendigen Schutz der Kundendaten stark. „Die Regulierung der Banken hat unser Geschäft in den vergangenen zehn Jahren nicht einfacher gemacht“, sagte Rainer Neske, Vorstandsvorsitzender der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). Allerdings könne gerade das dringend geforderte Risikomanagement bei Geldinstituten nur durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz weiter optimiert werden.

„Die Suche nach den besten Algorithmen ist in vielen Branchen derzeit die größte Herausforderung“, sagte Thomas Geiler, Beratungsleiter beim Bosch-Zentrum für Künstliche Intelligenz. Denn nur durch eine möglichst effiziente Nutzung der Daten könnten aus dem riesigen Datenbergen, die in jedem Unternehmen Tag für Tag anfallen, die richtigen Schlüsse für die Anpassung der Dienstleistungen an die Bedürfnisse der Kunden gezogen werden. „Rund 90 Prozent der heute verfügbaren Daten wurden in den vergangenen beiden Jahren generiert“, so Geiler.

„Kunden müssen möglichst frühzeitig mit ins Boot genommen werden“

Bei der internationalen Konferenz zur Erforschung der Dienstleistungswissenschaften im Rahmen des KSS stand vor allem die Optimierung einzelner Prozesse im Mittelpunkt. „Bei der Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen für den Dienstleistungssektor müssen die potenziellen Kunden so frühzeitig wie möglich mit ins Boot geholt werden“, nannte Konferenzorganisator Niklas Kühl vom KSRI einen Schwerpunkt der mehrtägigen Veranstaltung. Als gutes Beispiel für eine kundenorientierte Ausrichtung nannte Kühl den amerikanischen Automobilproduzenten Tesla. „Um möglichst viele Fahrzeuge zu verkaufen, hat Tesla neben der Entwicklung der Elektroautos auch ein flächendeckendes Netz an Schnellladesäulen für die Kunden installiert“, so Kühl. Die gesellschaftliche Entwicklung verschlafen hätten dagegen zum Beispiel vor rund zehn Jahren die Herausgeber der Brockhaus Enzyklopädie, deren gedruckte Erzeugnisse in einer zunehmend digitalisierten Welt schlichtweg keine Abnehmer mehr fänden.

Doch selbst heute steckt die Digitalisierung nach Kühls Einschätzung bei vielen Unternehmen noch in den Kinderschuhen. „Vor allem in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Machine Learning besteht noch sehr viel Luft nach oben“, so Kühl. Bei den meisten industriell gesteuerten Prozessen seien die Möglichkeiten der modernen Datenverarbeitung nämlich noch bei weitem nicht ausgeschöpft und vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) herrsche noch Nachholbedarf. „Aber wir Wissenschaftler sind der Zeit ja oft einige Jahre voraus und wollen deshalb auch Impulse für die praktische Umsetzung innovativer Ideen liefern“, so Kühl.

KSRI wurde vor zehn Jahren gemeinsam von IBM und Universität Karlsruhe aus der Taufe gehoben.

Das KSRI wurde im Jahr 2008 von den Informatik- und Wirtschaftsprofessoren Rudi Studer und Christof Weinhardt durch eine Kooperation der Universität Karlsruhe mit dem Technologieunternehmen IBM aus der Taufe gehoben. Bei der Institutsgründung stand aber vor allem noch der Aufbau von serviceorientierten Systemarchitekturen im Mittelpunkt, sagte Studer, und mit IBM hatte man gleich zu Beginn der Forschungen einen wichtigen Partner aus der Industrie mit im Boot. „Eigentlich war es für beide Seiten eine Win-Win-Situation“, so Studer. Dank der finanziellen und personellen Unterstützung des Konzerns konnte das Institut relativ schnell aufgebaut werden. Und auf der anderen Seite hatte IBM von Beginn an Zugang zu den aktuellen Forschungsergebnissen.

Außerdem waren von Anfang an mehrere Fakultäten des KIT in die strategische Ausrichtung des KSRI mit eingebunden. „Die Interdisziplinäre Forschung hat in Karlsruhe schon eine lange Tradition“, so Weinhardt. So müssten die Wissenschaftler des KSRI sowohl die Entwicklung der einzelnen Märkte als auch die Möglichkeiten für eine Digitalisierung der Dienstleistungsprozesse im Blick haben. Künftig wird das Thema nach Weinhardts Einschätzung noch weiter an Bedeutung gewinnen. „Dienstleistungen sind heute eigentlich allgegenwärtig“, betonte Weinhardt. Alleine durch die Benutzung eines Smartphones greifen die Menschen heute jeden Tag auf mehrere Dutzend Angebote aus dem Dienstleistungssektor zurück.

Das KSRI sei eine „wichtige Säule“ in der Forschungslandschaft des KIT, betonte KIT-Präsident Holger Hanselka. Durch die interdisziplinäre Ausrichtung des Instituts könnten auch mehrere Fachbereiche mit in die aktuellen Entwicklungen eingebunden werden. „Intelligente Dienstleistungen können nur durch fächerübergreifende Zusammenarbeit entwickelt werden“, sagte Hanselka. Wenn man über das „Internet der Dinge“ oder neue Wege in der Mobilität diskutiere, spielten schließlich automatisch auch Themen wie Cybersicherheit und der Kontakt mit den Kunden eine wichtige Rolle.