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Bis Ende 2015 wurden sämtliche Rentenanträge für eine zusätzliche Altersversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) von den jeweiligen Sachbearbeitern noch persönlich in Augenschein genommen und auf ihre Vollständigkeit überprüft. „Und wenn ein Antrag wegen einer fehlenden oder falschen Angabe zurückgeschickt werden musste, begann das ganze Prozedere von Neuem“, bringt Jens Sattler das damalige Dilemma auf den Punkt.

Selbst eine vergessene Unterschrift hatte teilweise wochenlange Verzögerungen bei der Antragsbearbeitung zur Folge und dazu war auch der personelle Aufwand für die Bearbeitung von rund 80 000 Anträgen pro Jahr enorm. In den vergangenen Jahren hat Sattler als Projektleiter beim VBL-Tochterunternehmen IT-Additional-Services (ITAS) GmbH deshalb den so genannten „Rentenantrag 4.0“ entwickelt. Bereits Anfang 2016 wurden die ersten Anträge eingescannt und die Daten maschinell ausgelesen sowie ausgewertet. Mittlerweile werden sämtliche Rentenanträge bei der VBL vollautomatisch bearbeitet und die minimale Dauer zwischen Antragstellung und Rentenbescheid liegt dadurch bei weniger als 24 Stunden. „Das ist für alle Beteiligten ein Riesending“; freut sich Sattler.

Rentenantrag 4.0 erhält Diamond Star Award

Auf die öffentliche Anerkennung mussten die Entwicklerinnen und Entwickler aus dem Hause ITAS auch nicht lange warten, denn Anfang April wurde der „Rentenantrag 4.0“ mit dem vom Handelsblatt ausgelobten „Diamond Star Award“ in der Kategorie „Effiziente Digitale Prozesse“ ausgezeichnet. Für Sattler ist die Auszeichnung aber lediglich eine Zwischenstation auf dem Weg zur weiteren Modernisierung des Rentenantrags. Dank einer entsprechenden Vereinbarung mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) müssen in naher Zukunft keine aktuellen Rentenbescheide bei der Zusatzversorgungskasse VBL mehr eingereicht werden.

Außerdem sollen die Rentenanträge dank der automatisch erhobenen Daten künftig wenige Wochen vor Erreichen des Renteneintrittalters vorausgefüllt versandt werden. „Dann müssen sich die Berechtigten nicht mehr durch zahlreiche Formulare kämpfen“, betont Sattler. Für ITAS-Geschäftsführer Tim Habermann ist der „Rentenantrag 4.0“ bereits heute ein echtes Vorzeigeprojekt aus der ITAS-Entwicklungsschiede im Steinbeis-Haus auf dem Campus der Hochschule Karlsruhe – Technik und Wirtschaft. „Dieses System ist vorbildhaft und hat Modellcharakter für den gesamten Markt der Zusatzversorgungskassen“, so Habermann. Außerdem hätten die Entwickler von ITAS auch einen wichtigen Beitrag zur Optimierung der VBL-Strukturen geleistet. „In Zukunft gibt es immer mehr Rentner und wegen des Fachkräftemangels immer weniger Sachbearbeiter“, so Habermann, und deshalb seien zur Bewältigung der Arbeit künftig Programme zur Steigerung der Effizienz vonnöten. Bislang kümmert sich die VBL um rund 4,5 Millionen Angestellte des öffentlichen Dienstes in Deutschland.

„Bei der Digitalisierung der Verwaltung herrscht noch Nachholbedarf“

ITAS wurde im Jahr 2008 aus der Taufe gehoben, etwa vier Jahre nach der Einführung einer SAP-Plattform bei der VBL. Weil im öffentlichen Dienst wegen der hohen bürokratischen Hürden nicht genügend IT-Leute eingestellt werden konnten und es in der Beraterbranche quasi keine externen Experten für die komplexen Aufgabenstellungen bei der VBL gab, wurde das Unternehmen zunächst zur Überlassung von Arbeitskräften an die VBL gegründet. Nach einer Gesetzesänderung –Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durften nur noch für maximal 18 Monate überlassen werden – wurde 2017 dann das gesamte IT-Geschäft der VBL an die ITAS übertragen.

„Im Nachhinein war das eine konsequente und strategisch vollkommen richtige Entscheidung“, betont Habermann, denn dadurch konnte ITAS mit dem Land Rheinland-Pfalz sowie der Bundesanstalt für Post und Telekommunikation Deutsche Bundespost noch zwei weitere Gesellschafter mit ins Boot holen und sich auch um die Entwicklung von IT-Lösungen für andere Institutionen kümmern. Mittlerweile sind an den beiden ITAS-Standorten in Karlsruhe und Mainz rund 160 Mitarbeitende beschäftigt. „Die Arbeit wird uns so schnell nicht ausgehen“, betont Habermann, denn gerade bei der Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung herrsche bekanntlich noch sehr viel Nachholbedarf.