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Wie stehen eigentlich mittelständische Unternehmen zum Thema rund um Industrie 4.0? Langweilig? Sie sind der Meinung, ein abgelutschtes Thema? Mit Nichten. Laut der Studie ‚Industrie 4.0 – 2017‘ sehen sich „viele Unternehmen dem Zusammenspiel und gleichzeitig schwierigem Unterfangen der drei großen ‚S’ gegenüber: Security, Speed, Skills“.

Schon eingangs versucht die Studie ‚Industrie 4.0 – 2017‘ im Vorwort die entsprechende Stimmung beziehungsweise die Richtung anzugeben. Querdenker erwünscht, zielgerichtete Ausbildung besonderer Skills und ein besseres Bewusstsein der Sicherheitsanforderungen von Industrie-4.0-IT-Infrastrukturen sind ein Muss für die Zukunft des Mittelstands.

    • Mehr Raum für Querdenker und Manager, die das Bewährte nötigenfalls auch disruptiv infrage stellen.
    • Konsequente Herausbildung neuer Skills und überzeugende Strategien im ‚war for talents‘.
    • Und natürlich mehr als nur ein Bewusstsein für die allfälligen Sicherheitsherausforderungen vernetzter Infrastrukturen und Produkte (IoT).

Schauen wir uns zunächst den Ist-Zustand der heutigen Industrie 4.0 an. Laut Studie agieren rund 19 Prozent der Unternehmen bereits in Projekten, die sich rund um das Thema vernetzte Industrie drehen. Nur noch 27 Prozent der Firmen ignorieren das Thema völlig. Was dabei positiv stimmt, ist die hohe Erfolgsquote. Ein Mehrwert stellt sich erstaunlicherweise bereits innerhalb der ersten drei Monaten ein. Vielleicht ist das auch der Grund, warum 65 Prozent der Unternehmen davon ausgehen, dass Industrie 4.0 innerhalb der nächsten drei Jahre für sie relevant sein wird – aktuell sind es nur 36 Prozent. Dennoch, als gutes Beispiel für eine Verschmelzung von industriellen Gewerken sind Produktion und die Intralogistik genannt.

Zum Vergleich – eine PwC-Studie von 2014 kommt zu folgenden Ergebnissen

    • Die deutsche Industrie will bis 2020 jährlich 40 Milliarden Euro in Industrie 4.0-Anwendungen investieren.
    • Im Jahr 2020 werden über 80 Prozent der Industrieunternehmen ihre Wertschöpfungskette digitalisiert haben.
    • Digitale Lösungen versprechen Effizienzsteigerungen von knapp 20 Prozent bis 2020.
    • Deutsche Unternehmen erwarten über 30 Milliarden zusätzlichen Umsatz pro Jahr durch Industrie 4.0.
    • Dreh- und Angelpunkt von Industrie 4.0 ist die Analyse und Nutzung von Daten
    • Mittelständische Unternehmen können erste Industrie 4.0-Lösungen kosteneffizient umsetzen.

Quelle: PwC – Chancen und Herausforderungen der vierten industriellen Revolution

Um fit für die industrielle Vernetzung zu werden, müssen Unternehmen vor allem in Produktion, IT sowie Forschung und Entwicklung nachlegen. Was mich allerdings persönlich überrascht, ist das ‚Warum’. In Sachen Wettbewerbsvorteil und Effizienz-Gewinne sieht der Mittelstand den Nutzen vor allem in der Optimierung des Status Quo; weniger im Erschließen neuer Geschäftsfelder. Ein zukunftsweisendes Positionieren sieht meines Erachtens anders aus. Was dagegen weniger überrascht; Unternehmen fürchten am meisten Hacker-Angriffe, wie zuletzt der Ransomware-Angriff, oder DDoS-Attacken, wenn es um vernetzte Anlage geht.

Industrie 4.0: IT-Sicherheit steht im Fokus

Auf letzteres will ich etwas näher eingehen. Auch, weil viele Unternehmen noch zögern, ihre Produktionsanlagen ans Netz zu bringen. „48 Prozent der Unternehmen befürchten Hacker- und DDoS-Angriffe auf ihre Systeme. Ins Auge fällt dort vor allem der hohe Wert bei Firmen mit einem kleineren IT-Etat von unter einer Million Euro“ so die Studie. Ohne Möglichkeiten einer gewissen hohen Investition wird meines Erachtens die Sicherheit leiden. Firmen schrecken noch immer vor hohen Investitionen zurück. Die Produktion läuft ja! „Mit weitem Abstand folgen mit jeweils 30 Prozent die Angst vor Produktionseinbußen beziehungsweise Produktionsausfällen. Auch die Industriespionage wird genannt; eng damit zusammen hängen die Sorgen um den Verlust der Wettbewerbsfähigkeit durch Spionage oder Datenklau“ – immerhin 26 Prozent der Unternehmen denken so. Sprich, wer über genügend Geld verfügt, kauft sich die nötige Sicherheit. Wer weniger Geldreserven hat, bewegt sich technisch gesehen auf der Stelle.Industrie 4.0 und der Fokus auf die IT-Security.Wer trägt die Verantwortung in Unternehmen, wenn es um Industrie 4.0 geht - meist ist es die IT-Abteilung.

Und wer sich jetzt noch wundert, warum Unternehmen nicht zügiger in eine vernetzte Industrieumgebung investieren, sollte den Punkt sieben der Studie studieren. Denn noch immer gibt die IT den Ton an. „In 45 Prozent der Firmen hat der IT-Leiter den Hut bei der Modernisierung der Produktion auf“. In Großunternehmen spricht man von satten 95 Prozent.
Hohe Investitionen bremsen in Unternehmen Themen rund um die Industrie 4.0.

Hohe Investitionen als Chance sehen

Eine weitere Herausforderung sind die erwähnten hohen Investitionen. So ist mit einem Netzwerkkabel die industrielle Vernetzung im Unternehmen nicht abgeschlossen. Sensorik-Lösungen, Cyber-physische Systeme oder der digitale Austausch von Planungsdaten mit Zulieferern und Kunden müssen nach Industriestandard abgesichert werden. Wir sprechen nicht nur von mehreren 100.000 Euros, wir sprechen dahingehend auch von hohen Lizenzkosten für Tools und Plattformen. Hinzu kommen verpflichtende Schulungen der Mitarbeiter. Wohlgemerkt, die benötigte Hardware haben wir bis dahin nicht einmal erwähnt. Für kleine Unternehmen sind die Kosten alleine nicht zu stemmen (siehe oben). Dort müssen in Zukunft staatliche Förderungen greifen und endlich für den Mittelstand erkennbar angeboten werden.

Der Verband Deutscher Maschinen und Anlagebau e.V., kurz VDMA, hat dazu 2016 die informative Studie ‚Industrie 4.0 – Finanzierung von Investitionen‘ veröffentlicht, die sich auf die Finanzierung einzelner Bereiche aus Industrie 4.0 konzentriert. Geht es nach dem VDMA, müssen Investitionen in Industrie-4.0-Projekten differenziert betrachtet werden, da es unterschiedliche Schwerpunkte der Investitionen in vernetzte Produktion, vernetzte Prozesse oder vernetzte Produkte gibt. „Je nach Schwerpunkt der Investition und dem Grad der Digitalisierung in den jeweiligen Unternehmen steigt auch die Komplexität und somit das Risiko und die Höhe der Industrie 4.0 Projekte an, die es zu finanzieren gilt.“ Zudem vermischen sich Projekte aus dem Bereich Internet of Things. Dennoch, speziell für die gesamte Wertschöpfungskette bietet die gesamte und unternehmensübergreifende Vernetzung der Industrie ein Pool unzähliger neuer Varianten von Partnerschaften und Kooperationen.

Die im Artikel aufgeführten Studien geben einen guten Überblick zum Thema Industrie 4.0 und dem angrenzenden Thema Internet of Things. Interessierte sollten sich auf jeden Fall die Zusammenhänge zwischen technischen Möglichkeiten und den dazugehörigen Investitionen anschauen. Denn gerade den kleinen Unternehmen fehlt es an genügend Kapital, um ihre Stellung langfristig zu halten. Dort müssen Staat und Banken mit günstigen Konditionen für das nötige Kleingeld sorgen. Der Rest kommt dann schon von alleine.

Bilder im Artikel: Studie ‚Industrie 4.0 – 2017‘