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Die CES in Las Vegas hat gezeigt, dass wir mitten in einer Revolution stecken. Einzelne Trends, Produkte und Anwendungen sind maximal Bausteine eines gewaltigen, maschinellen Organismus, der durch das Internet of Things um uns entsteht.

Vom 6. bis 9. Januar 2015 zog die Consumer Electronics Show wieder Geschäftskunden aus aller Welt nach Las Vegas. Die erste IT-Messe des Jahres ist Gradmesser für die Trends der kommenden Monate. Während im Vorfeld viel von Smart Home und Wearables die Rede war, rückte während der Messe vor allem die Automobilindustrie in den Fokus. Hierzulande besonders beachtet, weil alle vier großen deutschen Hersteller – Audi, BMW, Mercedes-Benz und Volkswagen – in Las Vegas vertreten waren. Im Kern drehen sich die Entwicklungen um das automatisierte und selbststeuernde Auto.

Streng genommen haben die Hersteller in Las Vegas aber weder neue Visionen noch bahnbrechende Technologie-Innovationen gezeigt. Was vielmehr hängen bleibt, ist die Verfestigung der seit 2010 fortschreitenden Entwicklung, Informationen aus der realen Welt immer schneller und genauer zu erfassen, Dinge miteinander zu vernetzen (Internet of Things) und aus den gewonnenen Informationen Rezepte für ein verbessertes Arbeiten und Leben zu entwickeln (Big Data). Ein paar Beispiele:

  • Der Grafikkarten-Spezialist Nvidia stellte in Las Vegas einen Computer für den Einsatz in Automobilen vor, der besonders schnell und präzise Objekte in seiner Umgebung erkennen soll. Das System „Nvidia Drive“ unterscheide zum Beispiel schnell zwischen Fußgängern und Radfahrern und könne auch einzelne Automodelle auseinanderhalten, erläuterte Nvidia-Chef Jen-Hsun Huang.
  • Bei The Dash handelt es sich um einen kleinen Bluetooth-Ohrstecker, der zugleich MP3-Player, Headsets und Fitnesstracker ist. 15 Sensoren sind in dem Minicomputer integriert. 3,4 Millionen US-Dollar hat ein Münchener Start-up über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter für das Gadget gesammelt, das ab Februar zunächst an die 16.000 Vorbesteller ausgeliefert wird.
  • Googles Heimvernetzungstochter Nest hat zahlreiche Partner nach vorne geschoben, die nun Produkte mit dem Label „Works with Nest“ auf den Markt bringen. Darunter ein LG-Kühlschrank, der in den Energiesparmodus schaltet, wenn der Nest-Thermostat erkennt, dass keine Personen mehr im Haus sind. Oder der Schlaftracker „Aura Sleep System“ von Withings, der erkennt, wann der Nutzer schläft und wann er wach ist. Entsprechend fährt Nest dann die Temperatur in der Wohnung rauf oder runter.

Software-Entwickler spielen in Zukunft Schlüsselrolle

Jede dieser Einzellösungen ist Teil einer großen Idee. Es geht um die Verwirklichung eines intelligenten maschinellen Organismus. Wir sind dabei, Stück für Stück eine automatisierte Infrastruktur um uns zu entwickeln, die alle Lebensbereiche erfasst. Maschinen sollen durch Sensoren ohne unser aktives Tun in der Lage sein zu lernen, unsere Bedürfnisse zu erkennen und entsprechend zu handeln. Dazu gehört das Bewahren vor Schäden, der bessere Umgang mit Ressourcen sowie das Schaffen von Freiräumen.

Diese Idee stellt hohe Anforderungen an die Software-Entwicklung. „Der wahre Wert des Internet of Things steckt in dem Lernpotential der Geräte“, erklärt Robert Klug, CEO der auf Software-Lösungen spezialisierten iHaus AG. Es sei dreist, wie manche Hersteller den Leuten weismachen wollen, dass sie ihren Toaster oder Lichtschalter in Zukunft per Smartphone App bedienen werden, so Klug. „Aber was ist intelligent daran, dass ich den Lichtschalter von der Wand auf meinen Touchscreen verlagere? Rein gar nichts.“

Klug ist überzeugt, dass Geräte wie Menschen durch Interaktion voneinander lernen können. Notwendig seien dazu systemoffene Steuerungslösungen, die Geräte miteinander verknüpfen und in eine Wenn-Dann-Beziehung stellen. „In einer vernetzten Welt stehen Produkte nicht mehr für sich allein. Das Internet der Dinge bietet zahllose Nutzungsszenarien zwischen Produkten, was zu neuen Funktionen der Geräte und neuen Verhaltensweisen bei uns Menschen führt“, so Klug. „Denken Sie nur an einen mit Sensoren ausgestatteten Teppich, der sich über Ihr Smartphone meldet, wenn die Großmutter zu Hause gestürzt ist und nicht mehr aufstehen kann.“

Internet of Things ist generationenübergreifendes Projekt

Auch Samsungs CEO und Präsident Boo-Keun Yoon forderte in seiner Keynote offene Systeme und standardisierte Schnittstellen, damit alle Produkte unabhängig vom jeweiligen Hersteller zusammenarbeiten können. Er beschwor eine Zukunft, in der niemand mehr Knöpfe betätigen muss, um Aktionen anzustoßen – Produkte und Anwendungen erkennen automatisch die Bedürfnisse ihrer Nutzer und verhalten sich entsprechend. Die Menschen würden durch diesen Komfort deutlich mehr Zeit für sich gewinnen. Bis 2019 soll jedes von Samsung angebotene Gerät Teil des Internet of Things sein.

Las Vegas zeigt, dass wir am Anfang eines langen Wegs stehen, der vielleicht mit der Elektrifizierung der Welt vergleichbar ist. Es werden noch Jahrzehnte vergehen, bis die Idee des Internet of Things sich nahtlos in unseren Alltag integriert.

Die nächsten Schritte werden auch die weiteren Messen in diesem Jahr bestimmen. Unter dem Motto d!conomy beleuchtet die Cebit die Auswirkungen der Vernetzung auf Industrie, Automobil, Handel und Logistik. Und auch der Anfang März stattfindende Mobile World Congress sieht sich an „Vorderster Front der Innovation“ („The Edge of Innovation“), schließlich geht es um nicht weniger als die Vernetzung von Milliarden Menschen und der Mobilisierung jedes Geräts in unserem Alltag.