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Schon mal vom Ameisenalgorithmus gehört? Nein? Ich auch nicht. Dabei handelt es sich um eine Schwarmintelligenz für das Internet der Dinge (engl. Internet of Things – IoT). Sie sorgt dafür, dass sich sämtliche Objekte, beispielsweise einer Produktionslinie, untereinander abstimmen. Darüber hinaus sucht sich jedes Objekt selbst die jeweils kürzeste Route zum Ziel – wie es die Ameisen bei der Futtersuche zelebrieren.

Um den Ameisenalgorithmus auf die Natur zurückzuführen, beziehungsweise auf das Internet der Dinge (IoT) sinnvoll zu projizieren, muss man zunächst die Grundidee aus der Analogie der Natur nachvollziehen. So richten sich Ameisen zur Futtersuche grundsätzlich sogenannte Ameisenstraßen ein, die den Bau sowie die eigentliche Futterquelle direkt verbinden. Das Besondere dabei: Ameisen haben zwar Augen, ihre bodennahe Position verhindert allerdings einen Überblick über ihre Umgebung.

Die Evolution hat Ameisen darauf getrimmt, noch im größten Chaos einen sinnvollen Weg zu finden. Ob nun in der Biologie oder in der Fabrik – alle logistischen oder industrielle Probleme haben die Gemeinsamkeit, dass sie unter unendlich vielen Einflüssen stehen. Biologe Guy Theraulaz

Ameisenalgorithmus: Digitale Information steuern das Objekt dezentral

Stattdessen befähigen die folgenden Mechanismen Ameisen dazu, den kürzesten Weg zur Futterstelle zu finden: Ameisen hinterlassen auf ihrem Weg zur Nahrung, über eine Drüse am Hinterleib, den chemischen Lockstoff Pheromon ab. Hat die Ameise zwischen zwei möglichen Wegen zu wählen, welcher der kürzere zur Futterquelle ist, nutzt sie instinktiv den, der am stärksten markiert wurde. Der kürzere Weg wird automatisch von der sich auf dem Rückweg befindlichen Ameise doppelt markiert – die Ameise mit dem längeren Weg markiert ihren Rundgang erst später (Quelle: Industrielles Management – Karl-Werner Hansmann).

Und was hat das mit dem Internet der Dinge oder Industrie 4.0 zu tun? Nun, nehmen wir doch einfach mal an, dass anstelle von Pheromone digitale Informationen vorliegen (siehe Video). Selbststeuernde Objekte können so, anhand von GPS-Daten, WLAN, und Maschineninformationen, den kürzesten Weg zur Verarbeitungsstelle finden. Im Falle eines Maschinenausfalls innerhalb eines Produktionsprozesses, können Datensätze dazu verwendet werden, anderen Projekten die Information „Maschinenausfall“ zu übermitteln. Das kann natürlich auch nachfolgende Prozessschritte betreffen. Wird die jeweilige Information richtig verarbeitet, kann das jeweilige Objekt einen anderen, gegebenenfalls auch einen längeren, Weg wählen. So können zum Beispiel Fertigungsteile in der Automobilindustrie, ohne eine zentrale Steuereinheit, selbst entscheiden welche Wege zu vermeiden sind.

Ein anderes Beispiel zeigt sich in der Logistik. Die heutigen Intralogistik-Lösungen setzen heutzutage auf fest installierte stationäre Fördertechnik-Anlagen. Sie übergeben beispielsweise Waren oder Fertigungsteile an die unzähligen Kommissionier-Zonen. Ein großer Nachteil dabei ist, dass der so gewählte Transportweg meist nicht der direkte ist – von der fehlenden Flexibilität ganz zu schweigen. In Zukunft werden sich Anlagen, Fahrzeuge sowie der Mensch über die WLAN- und Bluetooth-Schnittstellen in den Lager- und Produktionsstätten austauschen. Fragen, wie wer übernimmt welche Arbeiten?, wird direkt und dezentral unter den Beteiligten gewichtet. Das am nächsten befindliche freie Transportsystem erhält etwa den Zuschlag, bestimmte Tätigkeiten durchzuführen. Ohne das Studieren des kollektiven Verhaltens sozialer Insekten würden also solch komplexe Anlagen heutzutage nicht automatisierbar werden. „Inzwischen ist die Forschung so weit vorangeschritten, dass die so genannten Ameisen- oder Bioalgorithmen Probleme lösen, an denen die menschliche Intelligenz lange Zeit scheiterte“, berichtet das brandeins-Magazin.

Klar, die Idee, von der Natur zu lernen und die Erkenntnisse in technische Prozesse fließen zu lassen, ist nicht neu. Jeder kennt die Flugmaschinen von Leonardo da Vinci, die zum Beispiel auf der Grundlage des Vogelflugs aufbauen. Es zeigt sich allerdings, dass durch die schier unendlich wirkende Vielfalt in der Natur, die Grenzen zwischen Natur und Technik verschwimmen – Bionik wird greifbar.