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Lieber Ingmar, helopas.ai ist eines der Startup-Teams im Karlsruher CyberLab. Für diejenigen, die euch nicht kennen: Wer seid ihr und was macht ihr?

Hallo Frank, ich bin Ingmar Wolff und zusammen mit Benno Avino haben wir das Startup heliopas.ai 2018 gegründet. Wir analysieren Satellitenbilder mittels künstlicher Intelligenz, um zu erkennen, was auf dem Feld des Landwirts passiert. Weltweit müssen Landwirte immer mehr Nahrungsmittel produzieren, um eine stetig wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können. Gleichzeitig erschweren sich jedoch die Bedingungen, gesunde Nahrungsmittel produzieren zu können durch extremere Witterungen und steigenden Preisdruck. Wir haben es uns zum Ziel gemacht, Landwirte mithilfe moderner Technologien zur Hand zu gehen und so bei der Lösung eines globalen Problems zu helfen.

Erst Ende April zeigte eine Studie, dass bereits heute 8 von 10 Landwirten digitale Technologien nutzen. Deckt sich das mit euren Erfahrungen, sprich: Werden Smart Farming-Lösungen aktiv nachgefragt?

Hier muss man differenzieren: Die heutigen Landmaschinen sind hochtechnisch und digital, die Abläufe auf dem Hof sind bei vielen allerdings noch auf Papier oder im Kopf geplant. Den Hof digital in Smart-Farming-Lösungen zu organisieren findet aber immer mehr Anklang. Landwirte sehen hier die Chance, ihren Betriebsablauf effizienter zu gestalten, Ressourcen zu sparen und die Bürokratie schneller zu erledigen. Durch Corona verstärkt sich der Digitalisierungstrend nochmals. Von unseren Kunden wissen wir, dass ein anstehender Generationenwechsel im Betrieb hier viel nach vorne treibt. Der durchschnittliche Landwirte in Deutschland is 55 Jahre alt, während nachkommende Junglandwirte fast alle studieren und top ausgebildet in den Beruf starten. Seit 2010 ist die Anzahl an Studenten von landwirtschaftlichen Studiengängen in Deutschland nochmals um über 50% gestiegen! Die Digitalisierung fällt hier also auf sehr fruchtbaren Boden.

Erzählt uns doch etwas mehr über eure App „WaterFox“. Welchem Problem nimmt sich die Software an und wie ist bislang Feedback dazu?

Wir haben eine App namens WaterFox für Android und iOS in den AppStores, die dem Nutzer anzeigt, wieviel Wasser auf welchem Feld im Boden gespeichert ist. Diese Informationen kann der Landwirt nutzen, um gezielter zu bewässern, Bewässerung zu planen und feuchtigkeitsbedingte Krankheiten und Trockenschäden zu vermeiden. Wir bekommen von vielen Landwirten die Rückmeldung, dass sie den Ansatz und die einfache Gestaltung unserer App praktisch und sinnvoll finden – teilweise wird direkt nach Preisen gefragt. Teilweise sind Landwirte auch erstmal sehr skeptisch, da sie nicht glauben können, dass wir aus rund 800 Kilometer Höhe ohne einen einzigen Sensor auf dem Feld die Bodenfeuchte bestimmen können.

Aber es funktioniert und ist überprüfbar – und das zieht! Die App wird besonders von Gemüsegärtnern und Kartoffelbauern nachgefragt. Die App entwickeln wir in enger Zusammenarbeit mit innovativen Landwirten aus der Region weiter, um unsere App stetig zu verbessern und neue Funktionen hinzuzufügen.

Wie kam es, dass ihr euch ausgerechnet auf das Thema Bewässerung in der Landwirtschaft spezialisiert habt?

Wir sind ein klassisches „Technology Push“-Startup, haben also für unsere Fachexpertise in künstlicher Intelligenz eine Anwendung gesucht. Und das Thema Bewässerung wurde durch die Trockenjahre 2018, 2019 und den Beginn von 2020 nicht unattraktiver.

Und es geht um weit mehr: Durch falsche Bewässerungen entstehen weltweit durch feuchtigkeitsbedingte Krankheiten und Trockenschäden Milliardenschäden und bedrohen die Nahrungsmittelsicherheit von Millionen von Menschen. Durch die in unserer App bereitgestellten Informationen zu Pflanzen und Boden und damit verbundenen Handlungsempfehlungen kann der Landwirt früher als normalerweise erkennen was auf seinem Feld passiert. Somit können Schäden an Pflanzen und Böden vermieden und Erträge gesteigert werden. Dies ist ein besonders vielversprechendes Einsatzgebiet für künstliche Intelligenz und es macht daher sehr viel Sinn, sich hier auf die Bewässerung zu fokussieren.

StartUs listet euch bereits heute in der „5 Top Artificial Intelligence Startups“ – wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?

Wir werden weiterhin eng mit Landwirten zusammenarbeiten und diese Zusammenarbeit weiter intensivieren, um unsere App zu verbessern und bei unseren Kunden möglichst zielgerichtet Nutzen zu stiften. Wir haben bereits weitere, konkrete Ideen, wie wir Landwirten helfen können. All dies vom All aus, automatisiert und einfach per Klick verfügbar – damit haben wir auch große Kostenvorteile gegenüber bisher verbreiteten Lösungen! Beispielsweise arbeiten wir an Funktionen, wie der frühzeitigen Erkennung von Krankheiten bei Pflanzen und der genaueren Analyse von Regenmengen durch Satellitendaten. Außerdem wollten wir unsere Technologien und Produkte in Zukunft Landwirten weltweit zur Verfügung stellen und auch die Lebenssituation von Landwirten in den Entwicklungsländern verbessern.

Ingmar Wolff und Benno Ommerborn
Benno Ommerborn und Ingmar Wolff haben heliopas.ai gegründet.

Welche Rolle spielt für euch dabei euer Unternehmensstandort Karlsruhe beziehungsweise das CyberLab?

Wir haben hier begonnen, weil die Startvoraussetzungen und Unterstützungen durch Pioniergarage und CyberForum hier richtig gut und qualitativ beachtlich sind. Wir werden hier bleiben, da wir mit den Hochschulen der Region einen super Zugang zu weiteren Talenten für unser Wachstum besitzen und die hohe Qualität der Forschung – beispielsweise des KITs – es uns erlaubt, unseren Forschungsvorsprung in der Technologie leichter zu halten. Daneben ist die Rheinschiene die Gemüsekammer Deutschlands und quasi direkt vor der Haustür.

Der Zugang zu Kunden ist für ein Startup von herausragender Bedeutung. Und zu guter letzt lieben wir das sonnige und unternehmerfreundliche Klima dieser Stadt, die hohe Lebensqualität und grundsätzlich hohe Technologieakzeptanz. Natürlich muss sich auch Karlsruhe als Tech-Startup-Standort weiterentwickeln um attraktiv zu bleiben. Hier sehe ich die wachsende Vernetzung mit den Nachbarstädten wie Mannheim und Heidelberg als richtige Schritte an, damit man gemeinsam im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Werfen wir einen Blick in die Glaskugel: Wird die Landwirtschaft irgendwann vollständig auf AI und digitalen Lösungen basieren?

Nein. Künstliche Intelligenz wird die Menschen, die in der Landwirtschaft tätig sind, nicht komplett ersetzen können. Und das wäre auch nicht sinnig. Jedoch haben digitale Lösungen ein sehr großes Potential, den Landwirt bei seiner Arbeit auf dem Feld zu unterstützen. Das sollte jeder Landwirt als Chance sehen. Ohne diese Technologien wird die Landwirtschaft der Zukunft nicht möglich sein und diese wird – Stichwort Glaskugel – wohl auch mehr und mehr mit Robotik und Maschinen gestaltet werden. Und diese Maschinen brauchen sinnvoll analysierte Daten um sich zu steuern. Wir sind gespannt wohin die Reise geht und glücklich an der Speerspitze der Forschung in einem so spannenden Feld unseren Beitrag leisten zu dürfen!

Frank Feil, Jahrgang 1986, berät und schult regionale sowie überregionale Unternehmen in den Bereichen Social Media und Corporate Publishing. Zudem ist er als freier Autor tätig. Schon von Kindesbeinen an fasziniert ihn alles, was mit Technik und dem Internet zu tun hat. Seit 2006 ist er als Blogger und Community Manager im Netz unterwegs.