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… sagt Marton Farkas von DeepGeo mit Blick auf die Energiewende. Überall auf der Welt – besonders aber hier am Oberrheingraben – schlummert in der Tiefe eine nahezu unbegrenzte Energiequelle: heißes Wasser. In Zeiten, in denen das Gas knapp wird, kann die Wärme aus dem Untergrund in Zukunft dazu beitragen, grüne Energie zu erzeugen. Und damit kommunale Wärmenetze sichern. Das hat auch die Politik inzwischen erkannt. Um den Bau von Geothermie-Anlagen zu beschleunigen und Thermal-Energie kostengünstig zu produzieren, braucht es allerdings ein intelligentes Ressourcenmanagement.

Geothermie hat riesiges Potenzial. Kam aber in Politik und Gesellschaft bisher nicht wirklich an. Woran liegt‘s?

Der Anteil an Geothermie im Primärenergieverbrauch beträgt aktuell weniger als ein Prozent. Eine Marktstudie zu dieser Fragestellung, die wir im vergangenen Jahr im Rahmen einer Förderung durch die Helmholtz-Gemeinschaft durchgeführt haben, hat ergeben, dass die Geothermie zum einen durch die hohen Investitionskosten ausgebremst wird. Auf der anderen Seite ist die Entwicklung einer Geothermie-Anlage sehr komplex. Es gibt zu viele Prozesse, die darüber hinaus mit vielen Risiken verbunden sind.

Geothermie in drei Sätzen erklärt …

Geothermie sind Bohrungen in einer Tiefe zwischen 2.500 und 5.000 Metern zur Gewinnung von Thermalwasser. Das mehr als 100 Grad Celsius heiße Wasser kann für die Stromproduktion und/oder für die Wärmeversorgung im Fernwärme-Netz verwendet werden. Aber auch für die Lithiumextraktion. Durch die anschließende Rückeinspeisung des Wassers in die Tiefe entsteht ein Öko-Kreislauf.

Der drohende Gasmangel wird den Ausbau jetzt beschleunigen. Aber was ist mit den oben genannten Bedenken?

Um Kosten und Risiken zu minimieren, ist ein intelligentes Ressourcenmanagement nötig. Dafür brauchen wir im ersten Schritt gemeinsame geologische, technische und ökonomische Auswertungen. Nur durch solche Analysen lassen sich technische und finanzielle Rentabilität abschätzen und geologische Risiken minimieren.

Ein Kritikpunkt an Geothermie ist, dass es zu Erderschütterungen kommen kann …

Das stimmt. Sogenannte hydraulische Stimulationen in Bohrungen in bis zu 4.000-5.000 Metern Tiefe können seismische Aktivitäten auslösen. Diese sind aber in den meisten Fällen harmlos und können technologisch kalkuliert und überwacht werden. Bei richtiger Vorbereitung sind die Risiken sehr gering. Tiefengeothermie ist mittlerweile eine der sichersten Formen der Energiegewinnung.

… und eine komplett erneuerbare Energie, die dazu noch ortsunabhängig ist …

Ja, und weil Geothermie darüber hinaus auch noch wetterunabhängig ist, ist sie grundlastfähig und produziert, im Gegensatz zu Fotovoltaik oder Windenergie, Wärme und Strom rund um die Uhr. Nach dem Motto des Bundesverbands Geothermie: Geothermie ist heimisch, preisstabil und immer verfügbar. Zudem benötigt sie nicht viel Fläche. Nach der Entwicklung wird der errichtete Bohrturm rückgebaut. Übrig bleibt nur noch eine relativ kleine Fläche, auf der Wärme produziert wird.

Von welcher Größenordnung sprechen wir bei den Anschaffungskosten einer Anlage?

Diese liegt im siebenstelligen Bereich. Aber danach sind die Betriebskosten für mehrere Jahrzehnte sehr gering.

Sind die Wasservorkommen sicher?

Es kann immer sein, dass es in einem Reservoir nicht genug natürliche Wasservorkommen für den Kreislauf gibt. Das ist ein typisches geologisches Risiko. In diesem Fall soll Wasser von der Oberfläche für den Kreislauf eingespeist werden. Solche Systeme werden als Petrothermale Systeme, beziehungsweise Engineered Geothermal Systems (EGS) bezeichnet.

Der Oberrheingraben bietet gute Voraussetzungen für Tiefen-Geothermie …

Der Oberrheingraben – also zum Beispiel die Gebiete Karlsruhe, Mannheim, Landau – ist eine klassische Geothermieregion. Hier sind die geologischen Bedingungen besonders gut, weil hier der natürliche Wärmestrom von einer aufsteigenden Warmwasserströmung überlagert wird.

Rückenwind kommt jetzt auch von der Politik …

Die Verbände machen sich neuerdings stark für Geothermie. Bislang haben staatliche Förderung und Anreize komplett gefehlt. Gerade hat der Bundesverband Geothermie an die Bundesregierung appelliert, angesichts der aktuellen Marktlage Fördermittel bereitzustellen und auch der europäische Dachverband hat einen offenen Brief an EU-Präsidentin Ursula von der Leyen geschrieben. Da kommt jetzt Bewegung rein.

Und welchen innovativen Beitrag kann DeepGeo hier leisten? Denn ihr seid schließlich nicht nur Sprecher der Geothermie-Technologie, sondern habt auch ein wichtiges Produkt entwickelt.

Weil die Vorbereitungen für Geothermie eine entscheidende Rolle spielen, wenn man sicher und kostengünstig diese Energiequelle nutzen möchte, starten wir ganz am Anfang. Dafür haben wir ein KI-basiertes Entscheidungs- und Unterstützungssystem für Geothermie entwickelt.

Heißt, ihr habt eine Software, mit der man schnell und kostengünstig Geothermie-Potenzial abschätzen kann?

Nicht nur das. Wir erstellen automatisierte Reservoirklassifikationskarten für verschiedene Bedarfe. Damit vermeiden wir monotone Tätigkeiten und menschliche Fehler, die in interdisziplinären Teams und Projekten nicht ausschließbar sind.
Durch den Einsatz von maschinellem Lernen erstellen wir zeitnahe, konsistente und genaue Karten zur Verwendung bei der Auswertung von Reservoirressourcen. Unsere Dienstleistungen sind wichtige Werkzeuge für staatliche und private Energieindustrien, die eine groß angelegte Auswertung von tiefen Ressourcen benötigen.

Was bedeutet das bezogen auf Geothermie?

Wir unterstützen Energieunternehmen, bzw. Kommunen dabei, die Rahmenbedingungen für Geothermie abzuklopfen. Wir helfen in der Vorerkundungsphase bei der Entscheidungsfindung für oder gegen den Bau einer Geothermie-Anlage und begleiten den Prozess einer zielorientierten Prognose. Dabei prüfen wir nicht nur das Potenzial am Standort, sondern wir sammeln sämtliche Daten, die für eine maximal effiziente und sichere Anlage notwendig sind.
Unser Ziel ist es, Prozesse zu standardisieren und zu automatisieren. Und – noch wichtiger – die technischen bzw. geologischen Risiken zu minimieren. Das heißt, am Ende kann der Bau einer Geothermie-Anlage nicht nur beschleunigt, sondern die Anlage kann sogar günstiger entwickelt werden.

Mit Geothermie kann auch Lithium gewonnen werden – wichtig vor allem für die Elektromobilität.

Auch für geothermales Lithium ist der Oberrheingraben besonders geeignet. Wir entwickeln deshalb gerade drei Module: Geo-to-Heat, Geo-to-Power und Geo-to-Lithium. Der modulare Aufbau ermöglicht bedarfsabhängige Lizenzen..

Du hast gerade in Potsdam zum Thema Geothermie promoviert.

Ja, zuerst habe ich in Ungarn Geowissenschaften und Geophysik studiert. Vor zehn Jahren bin ich dann nach Potsdam gezogen, um meinen Master zu machen. Später habe ich zu diesem Thema nicht nur am GeoForschungsZentrum Potsdam geforscht, sondern auch bereits mit der Industrie zusammengearbeitet. Das war auch der initiale Zeitpunkt für die Idee zu DeepGeo, weil ich sah, welch riesiges Potenzial das Thema Geothermie, beziehungsweise die Energiequelle Thermalwasser, hat.

Ihr seid ein Remote-Team. Wird das so bleiben?

Thomas Schönland, zuständig für Finanzen und Business-Development kommt aus Karlsruhe, die Programmierer Dániel Kiss und Kornél Novák kommen aus Ungarn. Sobald die Finanzierung steht, streben wir eine Gründung mit Büro in Karlsruhe an. Der Kontakt zu Thomas Schönland kam übrigens über das Netzwerk des CyberForum zustande. Das war von Anfang an ein perfektes Match. Wir haben dann Anfang 2022 beschlossen am CyberLab Accelerator teilzunehmen.

Welches waren die entscheidenden Learnings aus dem CyberLab Accelerator?

Eines der wichtigsten Learnings, was auch zu unserem Credo geworden ist, war, permanent Marktforschung zu betreiben. Kaltakquise ist enorm wichtig. Und: Man kann nie genug Gespräche führen mit der Zielgruppe, auch wenn man schon skaliert.
Auch war das Rebranding, das wir im CyberLab entwickelt haben, sehr wichtig. Wir haben unseren Namen von GreenHeat in DeepGeo geändert. Deep steht für Deep Learning. Damit machen wir sowohl die KI-Unterstützung als auch die Tiefe nun auch im Namen sichtbar.

Ihr seid unter anderem mit Karlsruher Energieunternehmen bereits im Gespräch ….

Ja, wir haben wichtige Kontakte geknüpft und namhafte Testkunden gefunden, die uns das CyberForum vermittelt hat.