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Wenn nicht jeder sein Elektroauto in der Öffentlichkeit schnell, einfach und zu fairen Preisen aufladen kann, dann wird es nichts mit der Elektromobiliät. Ein Kommentar.

Als wir uns Ende 2018 für ein Elektroauto entschieden haben, taten wir dies in erster Linie aus Überzeugung. Der Elektromobilität gehört die Zukunft – und insbesondere auf kürzeren Strecken wollten wir so früh wie möglich auf ein Auto mit Verbrennungsmotor verzichten.

Allerdings: Hätten wir damals durch unseren Neubau nicht die Möglichkeit gehabt, das Elektroauto in der eigenen Garage mit Strom aus der Photovoltaikanlage zu laden, wäre es wahrscheinlich doch noch einmal ein Verbrenner geworden. Aus dem ganz einfachen Grund, dass wir hier im Umkreis von vier Kilometern schlicht keine Möglichkeit gehabt hätten, öffentlich zu laden. Und nach der Arbeit erst einmal in den Nachbarort zu fahren, um zu laden (sofern die Ladesäule frei ist und funktioniert), erschien uns bei aller Liebe zur Elektromobilität nicht wirklich praktikabel.

Seither hat sich einiges getan. Durch die staatliche Förderung von Elektroautos und Ladestationen denken mehr und mehr Menschen darüber nach, dem Verbrenner den Rücken zuzukehren. Bald schon sollen Mieter und Wohnungseigentümer das Recht auf eine eigene Ladestation haben – und dennoch spielt in erster Linie die Gestaltung der öffentlichen Ladeinfrastruktur eine elementare Rolle für die Akzeptanz der Elektromobilität in der Gesellschaft.

Ladeinfrastruktur muss für jeden zugänglich sein

Noch vor sieben Jahren hatten E-Auto-Pioniere eine Mappe mit bis zu 20 Ladekarten im Handschuhfach liegen. Das war notwendig, da die meisten Ladesäulen nur genutzt werden konnten, wenn man sich vorher beim jeweiligen Anbieter registriert hatte und über eine entsprechende Ladekarte verfügte. Und da mitunter jede größere Stadt von einem anderen Anbieter versorgt wurde, musste man eben auf alles vorbereitet sein.

Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Plattformen wie PlugSurfing geben ihren Kunden die Möglichkeit, mit einer App auf mehrere Ladeverbände zuzugreifen. Zudem gibt es an mehr und mehr Ladestationen die Möglichkeit, den Ladevorgang ohne vorherige Registrierung direkt mit der Karte oder dem Smartphone zu bezahlen.

Wenn die breite Masse von der Elektromobilität überzeugt werden soll, muss letzteres zum Standard werden: Man kommt an eine Ladesäule, lädt und bezahlt. Wie bislang an einer Tankstelle. Sobald man sich irgendwo registrieren muss oder eine spezielle Ladekarte braucht, hat sich das Thema für die meisten Autofahrer schon wieder erledigt.

Öffentliches Laden muss zu fairen Preisen möglich sein

Stellen wir uns einmal dieses Szenario vor: Ein BMW, ein Ford und ein Nissan kommen an eine Tankstelle. Der BMW fährt zur Zapfsäule, tankt und bezahlt 1,45 Euro für den Liter Super. Als nächstes ist der Ford an der Reihe. Noch vor Beginn des Tankvorgangs springt die Anzeige allerdings auf 7 Euro pro Liter. Zum Schluss darf dann endlich auch der Nissan an die Zapfsäule. Die Anzeige blinkt rot: „Unsere Zapfsäule betankt Fahrzeuge dieses Herstellers nicht.“ Klingt wie ein schlechter Witz, ist im Bereich Elektromobilität derzeit allerdings völlig normal.

IONITY, ein Anbieter von Schnell-Ladesäulen entlang europäischer Autobahnen und zugleich Hoffnungsträger all jener, die mit dem Elektroauto mittlere und längere Strecken fahren möchten, hat am Donnerstag bekannt gegeben, dass man ab Februar 2020 die Preise anpassen wird. Unglaubliche 79 Cent pro kWh soll fortan der Ladevorgang kosten. Selbst mit einem Kleinwagen wie dem Renault Zoe würden 100 Kilometer dann rund 16 Euro kosten – ein modernen Diesel kommt mitunter nicht einmal auf 8 Euro. Anders sieht die Sache aus, wenn man ein Fahrzeug besitzt, das zum IONITY-Joint Venture gehört. Wer etwa einen Mercedes EQC fährt, bezahlt nur 29 Cent pro kWh. Ähnlich verhält es sich mit Fahrzeugen von Audi, VW oder Ford. Alternativ kann man zwar auch über Umwege einen Vertrag abschließen, um bei IONITY günstig zu laden, aber spontanes Laden ohne Vertrag schlägt eben mit den oben genannten 79 Cent zu Buche.

Bei Get Charge, einem Service der Telekom, sieht die Sache anders aus: An „bevorzugten Ladestellen“ bezahlt man 29 Cent (AC-Ladung) beziehungsweise 39 Cent pro kWh (DC-Ladung). An allen anderen Ladestationen werden pauschal 89 Cent (!) pro kWh fällig. Dazu kommen dann noch die ganzen Energieversorger und Stadtwerke, die zum Teil nicht nur nach kWh, sondern zusätzlich auch noch nach Standzeit abrechnen. Und dann wäre da noch das Ladenetzwerk von Tesla – das nur von Tesla-Fahrern genutzt werden kann.

Von der Ladeinfrastruktur hängt der Erfolg der E-Mobility ab

Freilich hat all das seine Gründe – und wer sich mit der Elektromobilität beschäftigt, kann diese auch leicht nachvollziehen und wird feststellen, dass eigentlich alles gar nicht so kompliziert ist, wie es zunächst scheint.

Der Kern des Problems ist aber ein anderer: Der Otto Normalverbraucher möchte sich nicht damit beschäftigen. Und solange das öffentliche Laden nicht genauso unkompliziert und preislich transparent wie an einer Tankstelle ist, wird er eben weiterhin beim Verbrenner bleiben.

Die Ankündigung von IONITY zeigte übrigens bereits einen Tag später Wirkung: In den großen Medien finden sich nun Schlagzeilen wie „Bis zu zehnmal teurer: Größter E-Ladesäulenanbieter erhöht den Preis massiv“ oder „Schnellladen an der Autobahn wird richtig teuer“. Die Folgen für die ohnehin geringe Akzeptanz der Elektromobilität in der Bevölkerung? Fatal.