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„Der Kunde kommt zuerst”, mag eine vielgenutzte Binsenweisheit sein, im Zeitalter der Digitalisierung aber ist sie für Unternehmen aktueller denn je. Denn sie ermöglicht den Einsatz digitaler Vertriebswerkzeuge, mit denen Kundenwünsche praktisch von den Lippen abgelesen werden können. Und um es gleich vorweg zu nehmen: Im Folgenden geht es nicht um Tracking-Tools, die im Verborgenen nach Daten spähen.

Die Digitalisierung macht nicht vor dem Vertrieb halt, denn ihre Möglichkeiten verändert die Erwartungshaltung und das Verhalten der Kunden enorm. Der erste Kontakt zwischen Interessent und Unternehmen findet heute fast immer auf der Website statt. Fertigungsunternehmen mit komplexem Produktportfolio setzen daher häufig Technologien für die Produktkonfiguration ein, mit denen Kunden auch hochkomplexe Produkte mit nur wenigen Klicks online zusammenstellen können. Für den „Wow“-Effekt und das vielbeschworene besondere Kauferlebnis sorgt zusätzlich eine integrierte 3D-Produktvisualisierung.

Produktkonfiguration ist aber nicht nur eine Spielerei für den Webauftritt eines Unternehmens. Denn mit jedem einzelnen Konfigurationsschritt erzählt ein potenzieller Kunde mehr über seine Bedürfnisse, Anforderungen und Wünsche. Und es liegt an den Unternehmen, ob sie diese Geschichten mit einem Happy End enden lassen. Schließlich wird ihnen exakt mitgeteilt, welches Produkt und welche Lösungen benötigt werden. Daher der Rat an Unternehmen, hier gut zuzuhören.

Warum also die gewonnen Informationen nur für Marketing und Vertrieb nutzen? Warum damit nicht auch Produktentwicklung und Fertigung smarter machen?

Industrie 4.0 ist nicht nur Fertigung 4.0

Wie wichtig eine umfassende Strategie für Fertigungsunternehmen ist, zeigt ein Blick auf die Herausforderungen, denen sie aktuell gegenüberstehen. Unter dem Schlagwort Industrie 4.0 werden die wichtigsten zusammengefasst: eine zunehmend vernetzte Fertigung, kürzer werdende Innovationszyklen, eine schnellere Time-to-Market für neue Produkte, eine flexiblere und individualisierbare Massenfertigung, die durchgängige Vernetzung der Backend-Systeme (wie ERP, CRM, PLM und CAD) und nicht zuletzt die wachsende Bedeutung von serviceorientierten Geschäftsmodellen für den Unternehmensumsatz.

Unternehmen sollten Industrie 4.0 nicht auf Fertigung 4.0 reduzieren und Innovationen nur auf die Fertigungsstraße bringen. Denn um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern, müssen sie künftig in der Lage sein, neue und aktualisierte Produkte schneller auf allen Vertriebskanälen anzubieten. Erfolgversprechende Strategien und Lösungen verzahnen Vertrieb und Fertigung und verbinden Kunden, Produkte und Fertigung durchgängig auf einer zentralen Plattform. Es lohnt sich daher, Technik- und Vertriebswelt zu einer schlagkräftigen Einheit zu verbinden.

500 konfigurierbare Komponenten bedeuten 2,3 x 10¹³³ mögliche Optionen

Der Vertrieb eines Unternehmens, dessen Lösungen und Produkte aus Abertausenden einzelner Komponenten zusammengestellt werden können, muss tagtäglich echte Herkulesaufgaben meistern. Ein Beispiel: Hat eine Lösung 500 konfigurierbare Komponenten, können 2,3 x 10¹³³ mögliche Optionen angeboten werden. Um ein valides Angebot erstellen und abgeben zu können, muss der Vertrieb eine Unmenge an Informationen, wie 3D-Modelle, Zeichnungen, Produktinformationen und Dokumentationen, zusammentragen und mit unterschiedlichen Abteilungen abstimmen.

Jetzt schlägt die Stunde digitaler Vertriebswerkzeuge, die Prozesse beschleunigen und effizienter machen. Die eingesetzten Lösungen umfassen Vertriebskonfiguration Produktkonfiguration, Guided Selling, Angebotssysteme und Konstruktionsautomatisierung. Zusammenfassen lassen sie sich unter dem Begriff Configure-Price-Quote (CPQ).
CPQ umfasst die einzelnen Schritte, die notwendig sind, um ein Produkt und/oder eine Dienstleistung anbieten zu können:

1. Configure: Bei der Konfiguration der Lösung werden die passenden Produkte, Komponenten, Optionen, Services etc. ausgewählt und zusammengestellt.
2. Price: In diesem Schritt gilt es, die richtigen Preise und Rabatte für die konfigurierte Lösung zu finden.
3. Quote: Nach der Konfiguration und der Preiskalkulation, muss aus den relevanten Daten und Informationen ein Angebotsdokument erstellt werden.

Je komplexer und variantenreicher das Produktportfolio eines Unternehmens ist, desto aufwendiger ist dieser Prozess. Eine CPQ-Lösung ermöglicht es Unternehmen, diese Abläufe effizienter zu gestalten.

Besser nicht den Überblick verlieren

Ein Beispiel: Die Fahrerkabine und der Innenraum eines modernen Nutzfahrzeugs müssen heute hohen Ansprüchen genügen und sind auf vielfältige Einsatzzwecke hin optimiert. Entsprechend umfangreich und komplex ist die Konfiguration der möglichen Optionen und Varianten: Unterschiedliche Farben, Materialien können kombiniert und die Schalter nach verschiedenen Kriterien angeordnet werden, beispielsweise nach Funktionsgruppen oder der Nutzungshäufigkeit. Das Risiko von Bestell- und Lieferfehlern ist groß, wenn die Konfiguration nicht von Anfang an durch geeignete Systeme unterstützt wird.

Angenommen, 15 Mal im Jahr wird ein falsch konfiguriertes Cockpit tatsächlich gefertigt und ausgeliefert. Der Austausch der Schalter dauert rund 1,5 Tage und kostet 4200 Euro. Die entstandenen Kosten summieren sich auf jährlich 63000 Euro. Und unzufriedene Kunden gibt es gratis dazu.

„CPQ 4.0“ heißt durchgängige Prozesse für Vertrieb, Produktentwicklung und Fertigung

Eine CPQ-Lösung hilft, sowohl Vertriebseffizienz als auch operative Exzellenz zu steigern. Das tut sie, indem sie CRM-, CAD-, ERP- und PLM-Systeme synchronisiert. Sie kann aber noch mehr. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Kluft zwischen einem Lead und einer Bestellung überbrücken. Eine umfassende CPQ-Strategie hat zum Ziel, hochwertige Produkte pünktlich liefern zu können. Die Produktkonfiguration steht nicht umsonst an erster Stelle des Prozesses. Sie ist die zentrale Anlaufstelle für die Kunden, um ein Produkt gemäß ihren Vorstellungen und Anforderungen zu konfigurieren. Dafür werden die relevanten Daten und Informationen aus unterschiedlichen Systemen bereitgestellt und die Daten des fertig konfigurierten Produkts automatisch an die nachgelagerten Prozesse weitergereicht.

Das zugrundeliegende CPQ-System gewährleistet, dass die konfigurierten Produkte immer technisch korrekt sind und auf aktuellen Daten basieren. Fortgeschrittene Systeme helfen beim Lösen von Konflikten während der Konfiguration, ermöglichen eine anwendungsorientierte Konfiguration und generieren automatisch Stücklisten, Konstruktionsdaten und andere Begleitdokumente – basierend auf dem konfigurierten Produkt. Die enge Verzahnung unterschiedlichster Unternehmenssoftware auf der CPQ-Plattform sorgt dafür, dass ein Verkaufserfolg nicht zum Pyrrhussieg wird, weil ein Angebot auf veralteten Informationen basiert und sich deshalb als nicht baubar, als zu günstig oder als nicht lieferbar zum versprochenen Zeitpunkt herausstellt.

Smarter Manufacturing betrifft nicht nur die Produktionshallen und die Fertigungsstraßen, sondern schließt Produktkonfiguration und Vertriebsprozesse mit ein. Smarter Manufacturing bedeutet, Kunde, Produkt und Fertigung miteinander zu vernetzen. Die Basis hierfür ist die Synchronisation der relevanten Systeme für CRM, ERP, CAD/PLM. Der Lohn beziehungsweise das Happy End für Unternehmen: Mit einer CPQ-Lösung haben sie unterschiedliche Geschäftsprozesse – von Produktentwicklung bis zur Auftragsabwicklung – zentral zusammengeführt und bieten ihren Kunden echten Mehrwert.

Titelbildgilaxia / iStockphoto
Marc Herling
Marc startete 2004 nach einigen Jahren in der Industrie seine Karriere als IT-Unternehmer. Er führte Lumo Graphics, einen preisgekrönten IT-Anbieter für 3D-Visualisierung, erfolgreich bis zum Verkauf an den schwedischen Konfigurator-Partner Tacton im Jahr 2016. Dort war er als Vice President Business Development aktiv und spürte die Erschwernisse verteilter Zusammenarbeit mit Büros in Stockholm, Karlsruhe und Chicago. Gerade die kurzen persönlichen Gespräche mit Kollegen erlebte er als wertvoll, da sie es ermöglichen, Initiativen und Ideen zu entwickeln und viel Kontextwissen auszutauschen. Damit war der Kern von Breaklounge gefunden. „Neben der Zusammenarbeit mittels Kollaborationswerkzeugen sind gerade die kurzen, informellen Gespräche entscheidend für das gute Funktionieren von Unternehmen. In einer Welt, die zunehmend Remote arbeitet, ist es erfolgskritisch für Unternehmen dass diese Gespräche zustande kommen. Das ist, was Breaklounge leistet.”