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Die Dänen zeigen, wie E-Health auf staatlicher Ebene funktionieren kann. Auf der Internetseite Sundhed.dk können Ärzte und Patienten gleichermaßen Befunde, Medikamente, Behandlungspläne oder Abrechnungen einsehen. Ist das ein Modell für Deutschland?

Seit diesem Jahr zeigen die Deutschen bei jedem Arztbesuch ihre elektronische Gesundheitskarte (eGK) vor. Im Gegensatz zur Vorgängerin, der Krankenversicherungskarte (KVK), enthält die eGK einen Chip. Der speichert auf Wunsch nicht nur elektronische Rezepte, sondern erlaubt auch das Abrufen weiterer Patienteninformationen. Damit ist eine technische Basis für eine elektronische Patientenakte (ePA) beziehungsweise Gesundheitsakte (eGA) gelegt, deren Ziel es ist, eine effizientere und bessere Gesundheitsversorgung dank der Vernetzung von Daten zu erreichen.

Im europäischen Vergleich ist Deutschland damit aber noch lange keine E-Health-Nation. Das Bundesministerium für Gesundheit hat zwar ein E-Health-Gesetz erarbeitet, das für 2016 geplant ist. Kern ist jedoch zunächst lediglich der Ausbau einer sogenannten Telematikinfrastruktur. Eine elektronische Gesundheitsakte für jeden Bürger liegt noch in weiter Ferne. Unsere nördlichen Nachbarn in Dänemark sind den Deutschen dagegen bereits einige Schritte voraus.

Sowohl Patienten als auch Mitarbeiter des Gesundheitssystems informieren sich in Dänemark über die Online-Plattform Sundhed, auf Deutsch Gesundheit. Sundhed.dk verbinde die Akten von 2.800 praktizierenden Ärzten, 53 öffentlichen Krankenhäusern und allen Apotheken im Land, zählt Matthias Hannemann im Wirtschaftsmagazin Brandeins auf.

Transparenz stärkt die Patienten

Ärzte und andere Gesundheitsarbeiter haben so die Möglichkeit, nicht nur eigens angelegte Patientenakten einzusehen, sondern auch unbürokratisch die medizinische Vorgeschichte der von ihnen Behandelten in ihre medizinische Versorgung einzubeziehen. Im Thy-Mors-Krankenhaus in Nordjütland verbindet eine spezielle Software von IBM diese Daten sogar in einem dreidimensionalen Körperbild, sodass die behandelnden Mediziner schnell einen kompletten Überblick über den Gesundheitszustand des Patienten erhalten.

Ärzte rufen über Sundhed.dk außerdem Laborwerte ihrer Patienten ab und haben schnellen Zugriff auf sämtliche aktuelle Gesundheitsprogramme im Land sowie Wartelisten von Krankenhäusern.

Die Idee hinter dem bereits im Jahr 2001 initiierten und 2003 gestarteten E-Health-Portal war allerdings nicht nur die Vernetzung von Daten für Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, sondern vor allem die Stärkung der Patienten. Sundhed.dk stellt den dänischen Bürgern Kontaktdaten von sämtlichen Ärzten zur Verfügung, Informationen über die Qualität und die Preise von Behandlungen, medizinisches Präventions- und Grundlagenwissen sowie Selbsttests. Integrierte Foren erlauben den direkten Austausch mit anderen Patienten.

Darüber hinaus sind sowohl die Behandlungsprozesse als auch deren Abrechnung für dänische Patienten transparent nachvollziehbar. Über ein Log-in gelangt jeder dänische Bürger auf seine ganz persönliche Seite. Dort sieht er seine Behandlungsgeschichte, kann Termine mit dem Hausarzt vereinbaren, eigene Vitaldaten einspeisen, Rezepte für Medikamente erneuern, Abrechnungen überprüfen und seine Patientenverfügung festhalten. Unter „My log“ sehen die Dänen sogar, welche Gesundheitsarbeiter ihre persönlichen Daten abgerufen haben.

Sorge um Datenschutz und Datensicherheit

Ist das Modell Sundhed.dk auch in Deutschland denkbar? Aktuell lässt sich diese Frage mit Ja und Nein beantworten. Grundsätzlich haben alle Patienten in Deutschland bereits das Recht, ihre medizinischen Daten und Dokumentationen zu erhalten – jedoch nur auf Nachfrage separat in jeder Praxis und in jedem Krankenhaus, wo sie behandelt wurden. Die wenigsten machen Gebrauch von dieser Möglichkeit.

Die Sorge um den Schutz von personenbezogenen Daten wiegt in Deutschland schwerer als bei den Nachbarn im Norden. Gleichzeitig sind die medizinische IT-Infrastruktur und auch die Akzeptanz unter den Ärzten in Deutschland noch nicht so stark entwickelt wie in Dänemark. In einem Bericht der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2008 standen die dänischen Hausärzte auf Platz eins bei der Nutzung von IT, führt der Commonwealth Fund in seinem aktuellen Bericht International Profiles of Health Care Systems an.

Auch strukturell bietet Dänemark bessere Voraussetzungen für dieses Modell der Health-IT. Das Land hat circa 5,6 Millionen Einwohner, in Deutschland leben 14 Mal mehr Menschen. Es gibt zudem lediglich eine staatliche Krankenversicherung in Dänemark. In Deutschland stehen mehr als 120 Kassen zur Auswahl.

Auch wenn bei staatlichen Systemen im Vergleich zu privaten Diensten, wie etwa dem 2012 eingestellten Google Health, notwendige gesetzliche Regelungen und ein Allgemeinwohlgedanke gegeben sind, bestehen in Deutschland noch massive Zweifel an Sinn und Sicherheit von E-Health. Bislang fehlt das Vertrauen. Der Blick nach Dänemark und die E-Health-Initiativen stimmen jedoch zumindest zuversichtlich, dass auch deutsche Patienten zukünftig von IT-Infrastruktur profitieren können. Wie und in welchem Umfang wird sich in den kommenden fünf Jahren zeigen.