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Während in anderen Ländern die meisten Behördengänge längst online möglich sind, tritt Deutschland bei der Digitalisierung der Verwaltung seit Jahren auf der Stelle.

Wenn hierzulande über das Thema E-Government gesprochen wird, dann handelt es sich in der Regel um negative Schlagzeilen. Das jüngste und zugleich auch prominenteste Beispiel ist das Steuerportal ELSTER, das kurzerhand den Dienst quittierte, als die Bürgerinnen und Bürger im Juli ihre Grundsteuer-Erklärung abgeben wollten. Denn obwohl der Termin weit im Voraus bekannt war, hatte eben niemand darüber nachgedacht, rechtzeitig genügend Serverkapazitäten zur Verfügung zu stellen.

Ein weiteres Highlight, das für Aufsehen sorgte: Seit dem 1. August müssen Arbeitsverträge in Deutschland wieder ausgedruckt mit handschriftlicher Unterschrift ausgehändigt werden. PDF und digitale Signatur? Fehlanzeige.

Prominente Einzelfälle? Leider nicht.

Digitalisierung der Verwaltung: Keiner fühlt sich zuständig

Ziemlich genau vor fünf Jahren wurde das oft zitierte Onlinezugangsgesetz (OZG) verabschiedet. Es verpflichtet Bund, Länder und Gemeinden bis Ende 2022 dazu, insgesamt 575 Verwaltungsleistungen elektronisch über Verwaltungsportale anzubieten.

Soweit die Theorie. In der Praxis – und das ist kein Scherz – wurde im Mai 2022 vom IT-Planungsrat beschlossen, dass nun immerhin 35 (!) priorisierte Leistungen flächendeckend umgesetzt werden sollen. Aber selbst am Gelingen dieses wenig ambitionierten Vorhabens haben Expert*innen erhebliche Zweifel. Zumal man die priorisierten Leistungen vor allem danach ausgewählt hat, was sich einfach umsetzen lässt. So soll man, wenn alles gut geht, bis Ende des Jahres online eine Waffenerlaubnis beantragen können, aber um sich umzumelden, muss man immer noch beim Bürgeramt vorstellig werden.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Einerseits fehlt es an Verbindlichkeiten, andererseits an Standards. Zum Teil arbeiten nicht nur einzelne Bundesländer, sondern auch einzelne Kommunen an eigenen Lösungen. Besonders schön illustriert das das „Dashboard Digitale Verwaltung“, in dem man weder die digitalen Leistungen in Berlin noch die im Saarland auf kommunaler Ebene einsehen kann – und das liegt nicht etwa daran, dass es diese nicht gibt, sondern daran, dass das Dashboard das Format, in dem die entsprechenden Daten zur Verfügung gestellt werden, nicht nutzen kann.

Wer ist Schuld? Der Bund verweist auf die Länder, die die Fördermittel zur Digitalisierung der Verwaltung nicht abrufen würden. Die Länder verweisen wahlweise an den Bund oder die Kommunen – oder auf den Personalmangel. Am Ende fühlt sich niemand so richtig zuständig. Und bislang hat es ja mit Papier, Stift und Fax auch funktioniert.

Die Digitalisierung der Verwaltung ist Pflicht, und nicht Kür

Das eigentliche Problem liegt aber noch viel tiefer: Viele der Verantwortlichen halten Themen wie E-Government und die Digitale Verwaltung nach wie vor für etwas, das zwar ganz nett ist, aber eben nicht zwingend erforderlich. Eine derart eklatante Fehleinschätzung hatte Deutschland bereits beim Thema Breitbandausbau auf die hintersten Plätze im europäischen Vergleich katapultiert.

Dabei wollen bereits heute drei von vier Deutschen digital mit den Behörden kommunizieren, wie eine aktuelle Umfrage des Digitalbands Bitkom zeigt. Jede und jeder Dritte (33 Prozent) möchten künftig sogar ausschließlich digital mit Behörden in Kontakt treten. Ebenfalls interessant: Für den Online-Kontakt mit Ämtern bevorzugen 66 Prozent ein persönliches Online-Servicekonto, 46 Prozent möchten per E-Mail mit Behörden kommunizieren.

Regierung und Verwaltung sollten auf ihre Bürgerinnen und Bürger hören. Besser gestern als heute.

 

Foto: iStock | jat306