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Fahrerlose Busse manövrieren sich mit moderner Sensortechnik durch den Stadtverkehr und bringen ihre Passagiere sicher und pünktlich ans Ziel: Seit einigen Wochen ist diese verkehrstechnische Vision in Karlsruhe durch den Beginn der ersten Phase des Testfeld Autonomes Fahren Wirklichkeit geworden und unter anderem werden dabei elektrische Minibusse für den täglichen Pendelverkehr eingesetzt. „Die Einsatzmöglichkeiten solcher Kleinbusse sind sicherlich vielfältig“, betont Projektleiter Marius J. Zöllner.

In abgetrennten und sicheren Bereichen wie Betriebshöfen – auf denen keine Straßenverkehrsordnung gilt – sei der wirtschaftliche Einsatz von autonom steuerbaren Nutzfahrzeugen sicherlich bereits erstrebenswert. Sorgen um ihre berufliche Zukunft müssten sich die Busfahrer der großen Verkehrsdienstleister allerdings noch lange nicht machen. „Die Einführung solcher Busse im Straßenverkehr erfolgt ab 2021 zunächst einmal stufenweise“, so Zöllner.

Und selbst dann werden autonome Fahrzeuge aller Voraussicht nach nur auf wenigen gesonderten Fahrspuren ihre Kreise ziehen und die Manöver in besonders sensiblen Bereichen wie Haltebuchten noch von Sicherheitsfahrern überwacht. Dass die heutigen Busfahrer in absehbarer Zeit kein Auskommen mehr finden, befürchtet der Testfeld-Leiter deshalb nicht. Außerdem hätten Fahrzeugbetriebe wie Speditionen und Paketdienste bereits heute schon Probleme bei der Suche nach qualifiziertem Personal.

Berliner Institut untersucht Substituierbarkeit von Berufen

Andere Berufsgruppen sind laut einer Studie des Berliner Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) jedoch weit stärker vom digitalen Wandel und einer fortschreitenden Automatisierung der Arbeitswelt betroffen. „Rund 15 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland arbeiten in einem Beruf, in dem mehr als 70 Prozent der Tätigkeiten durch Computer ersetzt werden können“, sagt Britta Matthes. Die IAB-Wissenschaftlerin beschäftigt sich seit einigen Jahren mit den Substituierungspotenzialen von Berufen in Deutschland und hat Thema schon aus mehreren Blickwinkeln als Handlungsempfehlung für Wirtschaft und Politik beleuchtet. Einer der am meisten von der Digitalisierung betroffenen Berufe ist nach den bisherigen Studienergebnissen übrigens der Aufbereitungsmechaniker.

„Eigentlich wurden menschliche Mechaniker in Kohlebergwerken und Kiesgruben bereits komplett ersetzt“, so Matthes. „Und deshalb werden die ehemaligen Aufbereitungsmechaniker heute meistens zum Bedienen der Maschinen eingesetzt“.

Weiterbildungszentrum als Reaktion auf digitalen Wandel

Bei SEW-Eurodrive in Bruchsal werden reine Routinearbeiten in der Produktion ebenfalls schon seit längerer Zeit maschinell erledigt. „Arbeitsplätze abgebaut haben wir deshalb aber nicht“, betont Unternehmenssprecher Stefan Brill. Frei gewordenen Kapazitäten wurden stattdessen im Qualitätsmanagement eingesetzt. Dank des „extrem hohen Anteils“ an gut ausgebildeten Fachkräften und einem eigenen Weiterbildungszentrum könne SEW laut Brill in Zukunft schnell und relativ problemlos auf den digitalen Wandel reagieren.

Auch Matthes sieht im Zuge der fortlaufenden Digitalisierung weder einen Verdrängungswettbewerb noch einen flächendeckenden Abbau von Arbeitsplätzen. Berufstätige könnten sich entsprechend weiterbilden und die Ausbildung habe sich den Bedürfnissen der Betriebe in den vergangenen Jahren fortwährend angepasst. „Allerdings wird die berufliche Mobilität durch den Einsatz moderner Technik weiter zunehmen und die Menschen müssen deswegen flexibler auf die beruflichen Herausforderungen reagieren“, prognostiziert Matthes. Die Anzahl der „traditionellen Jobs“ mit festen Arbeitszeiten an einem Standort werde dagegen deutlich abnehmen.

Schleichender Prozess bringt stetige Veränderungen

Bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Karlsruhe gehört Industrie 4.0. bereits seit einigen Jahren zu den wichtigen Arbeitsfeldern. „In unserem Kammerbereich gibt es derzeit rund 340 verschiedene Berufe“, sagt IHK-Ausbildungsleiter Alfons Moritz. „Und jeder einzelne davon ist mehr oder weniger von der Digitalisierung betroffen“. In den vergangenen Jahren haben sich sogar einige Berufsbezeichnungen geändert: aus Mechaniker und Elektroniker wurde der Mechatroniker, aus dem Bankkaufmann der Finanzassistent und aus dem Technischen Zeichner der Technische Produktdesigner. Komplett überrascht sei vom digitalen Wandel allerdings niemand worden, so Moritz.

„Es ist eher ein schleichender Prozess, der stetige Veränderungen mit sich bringt“. Die meisten Unternehmen würden ihre Mitarbeiter durch entsprechende Schulungen auf die neuen Herausforderungen vorbereiten und die Zahl der fachbezogenen Weiterbildungen ist im Kammerbezirk Karlsruhe in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. „Den kleineren Unternehmen fehlt aber oft die Zeit dazu“, mahnt Moritz. „und deswegen können sie einen Teil dieser rasanten Entwicklung nicht mitgehen“. Dabei habe der technische Fortschritt sogar schon die traditionelle Gastronomie erreicht, betont Moritz. „Wo früher ein Dutzend Köche am Herd standen, reichen heute drei Leute zum Bedienen der Garautomaten“. Vor dem Einzelhandel macht die Entwicklung ebenfalls nicht halt, wie etwa der Blick in eine Hornbach-Filiale zeigt, wo an gut der Hälfte der Kassen die Waren vom Kunden eingescannt und dann mit Kreditkarte bezahlt werden.

Wenn sich aber trotz solcher Angebote regelmäßig an den Kasse mit Menschen hinter dem Tresen die längsten Schlangen bilden, spiegelt das für Matthes ebenfalls einen Teil der aktuellen Entwicklungen wieder. „In manchen Bereichen wollen die Leute auf den direkten Kontakt zu menschlichen Mitarbeitern nicht verzichten“, sagt die Wissenschaftlerin. Auch Altenpfleger und Krankenschwestern könnten deshalb wohl niemals gänzlich durch Pflegeroboter ersetzt werden.

Ohnehin unterliegen laut Mattes Studienergebnissen längst nicht alle Berufe dem digitalen Wandel und die Arbeit von Grundschullehrern, Pfarrern, Friseuren oder Zahnärzten könne auch künftig nicht von Rechnern oder Maschinen übernommen werden. Gänzlich wegsubstituiert werden nach Matthes Einschätzung in naher Zukunft ohnehin nur sehr wenige Berufe. „Es gibt seit Jahren schließlich eine steigende Nachfrage nach handwerklich gefertigten, qualitativ hochwertigen Nischenprodukten“, so Matthes. Selbst wenn die Produktion von Schuhen heute meist vollautomatisiert verlaufe, finde ein guter Schuster deshalb auch künftig noch sein Auskommen.